Lebhafte Nachfrage verscheucht Konjunkturpessimismus:

CeBIT schnurrte vor Zufriedenheit

10.04.1981

HANNOVER- Ganz Hannover, so drang es an das Ohr des Lauschers, schnurrte vor Zufriedenheit. Geht er dem Geräusch nach, gelangt er über glückliche Messe-Muttis, müde Taxifahrer, strahlende Hoteliers und Supermarkt. Filialleiter nach der CeBIT-Halle. Die Messe hat sich gelohnt. Die steigende Nachfrage nach Geräten der Büro- und Informationstechnik hat den Konjunkturpessimismus mal wieder vertrieben. Die Aufträge reichten bereits im Februar für über ein halbes Jahr. Selbst die Arbeitsmarktzahlen von Herrn Stingl ändern nichts daran, daß die Nachricht vom Orderklima auch in den bundesdeutschen Wirtschaftsmetropolen angekommen ist.

Nicht zuletzt die spürbar belebte Nachfrage aus dem Ausland, von der die inländische DV-lndustrie zu einem wesentlichen Teil abhängt, hat sich laut Bundeswirtschaftsministerium in Aufwärtssignalen niedergeschlagen Das verarbeitende Gewerbe, über dessen Investitionsbudget die DV-Branche mitlebt, registrierte im Februar einen saisonbereinigten Auftragszuwachs von zwei Prozent. Die führenden Wirtschaftspolitiker sehen damit trotz aller Risiken einige Zeichen für einen Konjunkturaufwind gesetzt. Der Bundesverband der Banken teilt diese Ansicht. Zwar auf niedrigem Niveau, doch immerhin nimmt er eigenen Angaben zufolge gewisse Anzeichen einer Stabilisierung der Inlandskonjunktur wahr. Kein wunder also, daß CeBIT schnurrt, wen sich das Geräusch auch zum Teil zusammensetzt aus dem zufriedenen Aufstöhnen der Standmitarbeiter in der Lage Tenor, Bariton, Baß, untermalt mit je 15 Prozent Sopran und Alt.

Für sie ist die Messe in diesem Jahr vorbei.

Die quantitative Expansion der DV-Hersteller bezeichnet Honeywell Bull Chef Jürg Tschirren als augenfällig. Trotzdem spürte er eine gewisse Zurückhaltung bei Kunden und Interessenten. Bei ungebrochenem Bedarf prüfe man intensiver, länger und auch genauer.

Messe in Sommerzeit

Die Messe war kürzer diesmal Auf Betreiben der Messegesellschaft dauerte sie erstmals nur acht statt neun Tage, was nicht ander Sommerzeit lag, die, wie jeder sich erinnert, bereits seit vergangenem Jahr eingeführt ist. Auch das vergleichsweise schöne Wetter, das die unter künstlichem Licht und schlecht klimatisiert auf Teppichböden der Stände wandelnden CeBIT-Besucher eh nur kurz nach dem Aufstehen und während des Meß-Gangs und zum sich anbahnenden Sonnenuntergang tangierte kann nicht als Grund für die Kurzweil angeführt werden.

Das Trelementdach blieb dank des Pflicht- und Beguck- wie Spiel- und Tasteifers der Computerfans den gevimmelflüchtigen Drückebergern und Dachverpflegern vorbehalten. Die Messegesellschaft bereut ihren Entschluß nicht: Trotz Kurzmaraton rechnet sie wie im Vorjahr mit einer halben Million Besucher.

Der Treffpunkt hieß CeBIT. Vielleicht ist die Zeit der umwerfenden Neuerungen, wie Wolf Rosocha, Mitglied der Geschäftsleitung der Burroughs Deutschland GmbH, meint, vorbei. Drei Wochen müßte man sich etablieren, um zu sehen, ob etwas unter dem CeBIT-Dach wirklich neu sei. Die Investitionen drängten in Richtung Produktionssteuerung, um das gebundene Kapital besser unter Kontrolle zu haben. Großkonzerne, Hauptkundenbereich des Unternehmens, versuchten, mittels EDV ihre Organisationskonzepte im internationalen Rahmen zu vereinheitlichen. Die Hersteller interessieren sich seiner Meinung nach von Jahr zu Jahr rker für regionale Messen. Dennoch - auf den Standpodesten traubten die Maschinenkenner - auch wenn es, zum Leidwesen der Aussteller, wahrscheinlich wieder zu 70 Prozent die Freunde aus der eigenen Branche waren, die die Konkurrenz beobachten. Die Giganto-Halle von Krupp dagegen hätte man als Fußballfeld zur Lockerung der Beine des vorwiegend mit gedecktfarbenen Geschäftsanzügen bekleideten Standpersonals nutzen können, ohne die paar Besucher wesentlich zu derangieren.

Die Masse Mensch reicht ihren Gunstapfel wieder der Innovation zu. Und trotzdem: Vermehrt sorgen sich die Computerhersteller über das skeptische Verhalten . nicht nur der Jugend, sondern auch der Regierung - gegenüber der Technik. Der ZVEI, um ein Beispiel zu nennen. beklagt die fehlende Bereitschaft der Schulabgänger, den Weg zum Ingenieur einzuschlagen. Die Worte des neuen Siemens-Vorstandsvorsitzenden Karlheinz Kaske lassen vermuten, er fürchte einen Ansturm von Bürgerinitiativen, der sich nicht nur gegen die KWU-Kernkraftwerke, sondern zudem noch gegen die Computer nicht nur seines Hauses richtet.

Sperry Univac versucht der Strömung zu begegnen, indem sie dem Menschen, der im direkten Dialog mit dem Computer steht, stellvertretend das Du anbietet, "Mit dem Computer auf Du", heißt das diesjährige Motto, was das Unternehmen unterstreicht, indem es Wert auf Wände im Purpurton legt, bei denen das Nachbild des Grün-auf-Schwarz-Bildes am Bildschirm am schnellsten erlischt. Ja, Univac und andere Terminalhersteller scheuten sich nicht, eine zwei Jahre alte Siemens-Broschüre über Ergonomie am Arbeitsplatz als aktuelle Sorge um den arbeitenden Menschen in der Gemeinschaftsausstellung "Mensch und Arbeitsplatz" dem staunenden Publikum als aktuelle Aufklärung zu verkaufen. Die Existenzgrundlage der bundesdeutschen Wirtschaft, die Akzeptanz der neuen Technik in Form von Mikroelektronik und Bildschirm-Kommunikation in Verbindung mit breitbandverkabelten Medien, hängt ab -V031 den runden Ecken der Schreibtische, könnte man denken. "Für uns EDV-Hersteller", so betonte der Chef der Honeywell Bull AG, Dr. Jürg Tschirren, "ist es wichtig, stets im Trend der Ergonomie-Entwicklung zu bleiben." Oder, eine Entgegnung Tschirrens- zur praktischen Sicht des Akzeptanzproblems, das sich theoretisch aus der Monotonie erkläre: "Wo Arbeit nicht zum Selbstzweck entartet, gewinnt der Mensch sein Erfolgserlebnis aus der Vollendung."

Selbst ohne daß die neue CeBIT-Halle steht, könnte dieser Satz über der alten schweben. Die neue Strophe des Liedes vom gedämpften Optimismus ist ritual gesungen. Die antizyklisch erklärte größte Beteiligung an der Messe absolviert. Die Branche sprach sich wieder gegenseitig Mut zum Frühling zu. Ob der Fruchtbarkeitsritus Erfolg hatte, werden die Auftragseingänge. für das zweite Quartal 1981 beweisen. Die diesjährigen Erfahrungen fließen ein in die nächste Strophe des Hohen Liedes nicht Salomons, sondern der Erfolgshymne der DV-Branche.