CeBIT-Burgen auf Sand gebaut

18.01.1985

Churchill wird das Bonmot zugeschrieben: "Ich glaube nur an Statistiken, die ich selbst gefälscht habe". Die Manager der Hannover-Messe AG haben, was Gläubigkeit betrifft, einschlägige Erfahrungen vorzuweisen.

Da tauchen in den "gechurchillten" Besucheranalysen der Messe-Strategen einige recht hübsche Zahlenrätsel auf. 30 Prozent der 250 000 CeBIT-Besucher wären demnach in der Unternehmensführung angesiedelt; der Hauptteil der Unternehmen, nämlich 42 Prozent, habe 1 bis 99 Beschäftigte.

Nun hat bekanntlich die Messe AG entschieden, CeBIT 1986 erstmals als reine DV-Fachveranstaltung laufen zu lassen, drei Wochen vor der eigentlichen Industrieschau. Dennoch sollen keine Besucher verlorengehen. Für die Niedersachsen rechnet sich das ohne Rest und Überlauf. Die Primärbesucher, nämlich "Entscheidungsbefugte" (O-Ton Messe AG), blieben erhalten - überdies gewinne CeBIT als Solonummer an Attraktivität. Auf branchenfremde CeBIT-Schlenderer könne man also getrost verzichten.

Man kann aber auch eine ändere Rechnung aufmachen: In Klein- und Mittelbetrieben gibt es keine hauptamtlichen DV-Macher, wie sich Oberhaupt das Topmanagement (Inhaber, Vorstand, Geschäftsführer) eher durch DV-Lässigkeit, um nicht zu sagen: Ignoranz, als durch fachlich fundiertes Engagement auszeichnet. Stimmte also die Statistik (siehe oben), müßte 1986 jeder dritte Besucher wegbleiben.

Etliche Aussteller scheinen diese Einschätzung zu teilen. Sie sehen durch das Splitting einen Besucherrückgang programmiert. Eine echte Chance, die Entscheidung zu beeinflussen, hatten sie nicht: 1982 waren ihre Verträge mit der Messe AG um vier Jahre verlängert worden - danach ließen die meisten im CeBIT stattliche Standburgen bauen. So erweist sich das Konzept der "festen Stände" für den Veranstalter als Druckmittel, für die Aussteller als Klotz am Bein. Daß es den CeBIT-Managern gelungen ist, Grußadressen seitens der DV-Industrie zu bekommen, die das neue Konzept angeblich. stützt, spricht nicht gegen diese These. Man weiß ja, wie derartige Kommuniqués zustande kommen.

Ein großes Verdienst der Leinestädter war es, die Hannover-Messe zu dem gemacht zu haben, was sie ist: ein Weltereignis, ein internationaler Messehit, um den uns andere Länder beneiden. Daran ist nicht zu rütteln. Dieser Alleinstellungsanspruch wird mit der Teilung aufgegeben. Es, soll sogar einmal unterstellt werden, das hiesige "Primärpublikum" bliebe bei der Stange - wie aber einem Ausländer klarmachen, daß Hannover gleich zweimal leuchtet?

Als reine Leistungsschau der Informationstechnik hat Hannover (nichts gegen Hermann Löns und lüttje Lage). überdies eindeutig Standortnachteile, etwa gegenüber den Messeplätzen München (SYSTEMS) und Köln (Orgatechnik), die zwar im Zweijahresturnus fahren aber das ließe sich ja unter Umständen ändern.

Bleibt die Frage, welche Alternative die Hannoveraner gehabt hätten. Sie waren, zugegeben, in der Klemme: CeBIT drohte aus den Nähten zu platzen. Gleichwohl konnte man noch etwas zuwarten. Die Möglichkeit, CeBIT (baulich) in die Höhe zu treiben, bestand doch wohl. Vielleicht hätte sich das Problem der Aussteller-Warteliste irgendwann von selbst erledigt: durch den vielzitierten Shakeout in der Computerindustrie - denn der kommt bestimmt.