Bildschirme und Filmbetrachter für die Kundenbetreuung

Case Study: COM bei Neckermann

12.09.1975

FRANKFURT - Bei der Nekkermann-Versand KG aG werden jährlich über zehn Millionen Rechnungen gedruckt. Verständlich, daß es bei diesem Geschäftsvolumen auch zu zahlreichen Rückfragen und Reklamationen kommen muß. Zudem wünschen viele Kunden Erklärungen oder auch Zweitschriften von Rechnungen - etwa mit ausgewiesener Mehrwertsteuer. Manch einer bezieht sich bei Neubestellungen nicht auf Artikel-Nummern, sondern verweist darauf, daß er das gleiche Produkt bestellen möchte, wie beim letztenmal. Die Kundenbetreuung ist - gerade im immer härter werdenden Versandhandel-Geschäft - folglich ein wichtiger Unternehmensbereich. Guter Kundenservice - das heißt vor allem schnelle und komplizierte Erledigung von Anfragen ohne viele Rückfragen - wird deshalb bei der Firma Neckermann großgeschrieben, - verständlich, denn die Kosten für Neuwerbung eines Kunden werden branchenüblich mit über 50 Mark angesetzt. Entsprechend hoch ist der Wert fürs Unternehmen, wenn zu recht oder zu unrecht verärgerte Kunden durch guten Service bei der Stange gehalten werden können.

Täglich 1500 Anfragen

Täglich bearbeitet die Neckermann-Abteilung "Kundenbetreuung" etwa 1500 Anfragen. Man stelle sich ein Archiv mit Zweitschriften der Millionen von Rechnungen vor, zu dem täglich so häufig zugegriffen werden muß. Undenkbar, Verfilmen hilft Platz sparen, - wie aber die Fundstellen auf den Mikrofilmrollen lokalisieren? Und braucht man wirklich jedes Mal Zugriff auf die Originalrechnung?

Dieses waren die Ausgangsüberlegungen tür die COM-Lösung "Kundenbetreuung" bei Neckermann in Frankfurt, die dadurch besonders interessant und richtungsweisend ist, weil sie COM mit EDV-Direkt-Zugriffsdateien effizient und kostengünstig kombiniert. Mikrofilm wird hier nicht in erster Linie aus den sonst entscheidenden archiv-orientierten Gründen wie Raumersparnis und

Sicherheit eingesetzt, sondern in erster Linie ablauf-organisatorischer Vorteile wegen, die auf schnellen Service abzielen.

Automatische Vergabe von Bildnummern

Auf der hauseigenen COM-Anlege (Kodak KOM 80, Kaufpreis 457000 Mark, Entwicklungsautomat Versamat, Kaufpreis 62 000 Mark, Filmkopier gerät Kalle Ozakop, Kaufpreis 12 000 Mark, Bandstation Potter AT 2405, Kaufpreis 30 000 Mark) werden die Rechnungen offline vom neusortierten Druckband unter Einblendung einer Rechnungsmaske verfilmt. Bei der Erstellung des zu verfilmenden Magnetbandes wird nach dem Kodak-Information-Retrieval-System jeder Rechnungsnummer (bestehend aus Kundennummer und Vorgangsnummer) eine Filmnummer und eine Bildnummer dieses Filmes zugeordnet. Diese Fundstellen-Informationen gehen dann in eine Plattendatei und zwar in die später beschriebene "Kurzablage", - direkt der Rechnungsnummer zugeordnet. Die fertigen Filme werden in einem kleinen Filmarchiv gespeichert (auch Duplikate an mehreren Orten sind möglich), bei dem ein Kodak-Betrachter Microstar mit angeschlossener Suchstation 1 C/5 Videostar (Kaufpreis 23 000 Mark) installiert ist, der nach Einlage der Filmkassette und Eintasten der gewünschten Bildnummer über Zehnertastatur superschnell das entsprechende Bild sucht und projiziert. Eine Kopier-Einrichtung liefert auf Knopfdruck Hartcopies.

TP für Kurzablage

Jedoch braucht nur bei 30 Prozent der Kundenanfragen auf die Film-Original-Rechnung zugegriffen zu werden. 70 Prozent der Fälle lassen sich erledigen durch Bildschirmzugriff auf eine plattengespeicherte "Kurzablage". Die dortigen Ablagesätze enthalten in Kurzform verdichtet und ohne Alphatexte die wichtigsten Daten der Rechnung und die Film-Fundstelle der Original-Rechnung - unter dem Suchbegriff "Kundennummer" und "Vorgangsnummer".

Diese Kurzablage (Kapazität 4 Platten, Typ 3330, 400 Mio Bytes) wird so lange aufgefüllt, bis die Kapazität erschöpft ist. Danach werden alle Kurzablagen-Informationen, die älter als sechs Wochen sind, verfilmt und die Fundstelle für diese Filmbilder werden in einer Filmindex-Datei für Bildschirm-Direktzugriff gespeichert.

"Filmindexfilm"

Bei einem älteren Vorgang kann also am Bildschirm die Kurzablage und damit auch die Rechnungs-Fundstelle nicht ermittelt werden, lediglich gibt es einen Hinweis, auf welchem Filmbild die verfilmte damalige Kurzablage festgehalten ist. Für die weitere Bearbeitung geht der Sachbearbeiter also ans Microstar-Lesegerät.

Wenn auch diese Film-Index-Platten-Datei mit den Fundstellen-Verweis überläuft, wird auch sie verfilmt, - und zwar so, daß es für jedes Jahr einen "Filmindexfilm" gibt, in dem Hinweise für alle Kurzablagen - chronologisch sortiert - enthalten sind.

Durch systematisches Suchen nach abgebildeten Ablaufdiagramm - kann also jeder Vorgang rekonstruiert werden. Dabei ist es besonders dienlich, daß am Bildschirm in die Kurzablage von Sachbearbeiter Informationen direkt eingegeben werden können über die einzelnen Aktionen bei der Bearbeitung eines Falles, - jeweils mit Datum und entsprechenden Schlüsseln. Die Beziehungen zum einzelnen Kunden sind damit voll transparent.

Drei Mannjahre

Die gesamte Anwendung wurde von Systemanalytiker Karl Heinz Lackmann in knapp drei Jahren realisiert, wobei zu berücksichtigen ist, daß für Sonderfälle wie Teilzahlungskauf oder Sammelbestellung umfangreiche Zusatzregelungen geschaffen werden mußten.

Die Gesamtkosten von etwa 440 000 Mark jährlich ergeben sich aus folgenden Einzelposten:

1.Die Anlagen-Mieten für die eigentlichen COM-Geräte belaufen sich auf 160 000 Mark.

2. Rund 25 000 Mark,ist der Jahresanteil für gekaufte zwei Microstar-Filmbeträchter mit Rückvergrößerungseinheiten sowie für etwa 8000 Kassetten für Filmrollen. Elnschließlich jährlich 15 000 Mark, Wartungskosten und Kapitalverzinsung ergibt das 40 000 Mark anteilige Jahreskosten für Anlagenkäufe.

3.Verbrauchsmaterial für Verfilmung und Filmduplizierung (über 2000 Rollen und 25 Kisten Entwickler) etwa 75 000 Mark.

4.Kopierpapier-Kosten für jährlich etwa 100 000 Hardcopies knapp 15 000 Mark.

5.Personalkosten für zwei Personen zur Bedienung der COM-Anlage, zwei Personen zur Archivierung und Kassettierung und zwei Personen zur Bedienung der Suchgeräte etwa 135 000 Mark.

6.Sonstigen Kosten für raummiete und Energie pauschal jährlich etwa 7000 Mark.

7.Anteilige Jahreskosten für 15 Archivschränke, für die Filmkassetten und jährlich zwei Schränke zur Aufbewahrung der Original-Filme 8000 Mark. Selbstverständlich sind bei dieser Rechnung die Kosten für den TP-Teil nicht einbezogen.

Höherwertige Tätigkeit

Günter Steckel, bei Neckermann Leiter der Kundenbetreuung, berichtet über die Verbesserung des Arbeitsklimas nach Einführung der COM-/TP-Anwendung: "An und für sich ist Kundenbetreuung mit den Reklamationen und Anfragen keine so erfreuliche Beschäftigung. Durch das neue und effiziente Verfahren haben unsere 85 Mitarbeiter, für die in der Kundenbetreuung 11 Bildschirme zur Verfügung stehen, eine höherwertige Tätigkeit erhalten, der wir heute mit wesentlich mehr Freude nachgehen."