Carter und der IBM-Prozeß

14.01.1977

In der amerikanischen Fachpresse machte es Seite-1-Schlagzeilen, daß drei Minister der künftigen US-Regierung Jimmy Carters der IBM Corp. als IBM-Aufsichtsräte eng verbunden sind und lBM-Manager als Berater offenbar erheblichen Einfluß auf das Weiße Haus haben (siehe Seite 1). Besorgt fragten Kommentatoren, wie eine solche Regierung den Antitrust-Prozeß gegen Marktführer IBM weiterverfolgen werde, der 1969 in den letzten Amtstagen der Johnson-Administration durch Klage der USA begann und für den heute, acht Jahre danach, noch immer kein Ende abzusehen ist - zumal der designierte Justizminister Partner in einer Rechtsanwalts-Firma ist, die für IBM arbeitet.

Gewiß, Außenminister Cyrus R. Vance, Verteidigungsminister Harold Brown und Wohnungsbauministerin Patricia R. Harris sind keine IBMer im engeren Sinne, Leute dieses Kalibers sitzen in mehreren Aufsichtsräten. Aber werden sie überzeugt sein, daß die Regierung recht täte, weiterhin die Zerschlagung des IBM-lmperiums anzustreben?

Die Watsons und die Politik

Die Verquickung von Staatsämtern und Wirtschaftsmanagement, die in der pragmatischen US-Politik seit langher gang und gäbe ist (und für die es in der Bundesrepublik Deutschland bis auf Ex-Staatssekretär und Ex-Krupp-Manager. Mommsen kaum Entsprechungen gibt), hat schon immer dazu geführt, daß Armonk erheblichen Einfluß auf Washington hatte. Einer der stärksten Unterstützer Eisenhowers war Firmengründer Thomas Watson senior, der dem Ex-General das Rektorat bei der New Yorker Columbia Universität verschaffte und dann heftig seine Präsidentschaftskampagne unterstützte. 1954 gab es dann ein von vielen Seiten als sehr schwach und IBM-gefällig kritisiertes "Consent Degree", das den von der vorangegangenen Truman-Administration eingeleiteten Antitrust-Prozeß gegen IBM aüßergerichtlich beendete.

Watsons Söhne waren ebenfalls stark in die Politik verwickelt. Thomas K. Watson jr., von 1956 bis 1971 IBM-Chef, unterstützte die Demokraten, und Arthur Watson, damaliger Boß der IBM World Trade Corp. begünstigte die Republikaner, etwa 1968 mit einer 300 000 -Dollar-Wahlspende für die Nixon-Kampagne, wofür er mit dem begehrten Botschafterposten in Paris belohnt wurde.

Der Watergate-Skandal soll Anlaß gewesen sein, warum Republikaner T. Vincent Learson, Carys Vorgänger, nicht Washingtoner Ämter übernahm. Demokrat Cary, ohnehin einer der inoffiziellen Wirtschaftsberater des künftigen Präsidenten, wird sich freuen, daß drei IBM-Aufsichtsräte in der neuen Regierung sitzen. Dabei wäre Jane C. Pfeiffer, vormals IBM Vice-President for Communications und verheiratet mit IBM Senior Vice-President Ralph A. Pfeiffer jr., um Haaresbreite als Secretary of Commerce viertes "IBM-Regierungsmitglied" geworden.

Ein Altenteil für die Justizminister

Tröstlich, daß der für den Antitrust-Prozeß zuständige Justizminister Griffin Bell - bezeichnenderweise gegen den Protest liberaler Gruppen ernannt - nicht auch noch zum IBM-Aufsichtsrat gehört. Aber was nicht ist, kann ja noch werden: Zwei seiner Vorgänger als U.S. Attorney General, Burke Marshall und Nicholas de B. Katzenbach, wurden Syndici der IBM-Rechtsabteilung und steuern heute die Verteidigung im Prozeß gegen die Regierung.

Derweil residiert einsam in einem dunklen New Yorker Gerichtssaal der Einzelrichter der ersten Instanz David N. Edelstein über den Prozeß und wühlt sich in unendlich langsamer Beweisaufnahme durch Millionen Seiten von Dokumenten d Zeugenaussagen. Wieviel Jahre wohl noch?