Hannover kein Forum für Beratungshäuser:

Cap Gemini erteilt der CeBIT eine Absage

04.12.1987

MÜNCHEN (dow) - Dem CeBIT-Streß entziehen wollen sich die Software- und Beratungshäuser Cap Gemini Deutschland GmbH, München, und SCS Scientific Control Systems GmbH, Hamburg. Sie werden im nächsten Jahr in Hannover nicht mehr dabeisein.

Nach zwei Jahren sei es an der Zeit, Konsequenzen

zu ziehen, meinen Sprecher der beiden Unternehmen, die seit der Trennung in CeBIT und Industrie ihre Klientel in Hannover vermissen.

Den Vorwurf nostalgischer Schwelgerei über "die guten alten Zeiten vor der Zweiteilung der Hannover der Hannover-Messe" weist Cap-Gemini-Geschäftsführer Werner Brodt entschieden von sich, wenn es darum geht, den Erfolg der Veranstaltungen CeBIT und Industrie-Messe für sein Unternehmen zu beurteilen. Die Messe-Abstinenz begründet Brodt mit wirtschaftlichen Überlegungen:

Auswertungen der letzten beiden Jahre hätten gezeigt, daß sich für Cap Gemini die Ausgaben für CeBIT nicht lohnen.

Um Spekulationen vorzubeugen, wies er ausdrücklich auf die gute finanzielle Situation seines Unternehmens hin: Der Etat für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit sei nicht geändert worden. Beratungsunternehmen mit einem Dienstleistungsangebot hätten jedoch im Gegensatz zu Herstellern von Rechnern nicht alljährlich Neuigkeiten anzubieten, die man dann auf einer Messe wie der CeBIT präsentieren könne. In Zukunft wollen sich die Münchener stärker branchenorientiert auf kleinen Veranstaltungen engagieren.

Kritik übte Brodt auch am Timing der Hannoveraner: Nur etwa die Hälfte der insgesamt acht Messetage könnten von den Ausstellern voll genutzt werden. Das Wochenende sowie der erste und letzte Messetag wären erfahrungsgemäß "flaue Tage".

Die Konsequenz aus dieser Tatsache ziehen die Messe-Organisatoren der Dortmunder mbp Software & Systems GmbH. Zur CeBIT '88 wird ihre Standmannschaft nur vier Tage in Hannover Quartier beziehen. Die übrigen Tage werden die Leute von mbp mit der Bundesbahn aus dem Ruhrgebiet in die Hauptstadt Niedersachsens und zurück transportiert.

Das Beratungshaus will auf Hannover nicht verzichten, zumal es sich als Nachfolger an exponierter Stelle auf dem Platz der SCS in Halle 3 größere Erfolge als im Vorjahr verspricht. Die Dortmunder setzen dabei mehr auf den Verkauf von Standardsoftware als auf die Darstellung von Projekten. "Für uns bieten Messen immer noch die beste Gelegenheit, neues Interessentenpotential für unsere Angebotspalette zu finden", teilte ein Sprecher des Hauses mit. Dabei bedauerte er jedoch, daß die Entscheider wegblieben. Das Standpersonal müsse stärker im Umgang mit "Entscheidungsvorbereitern" der zweiten und dritten Ebene in einem Unternehmen geschult werden.

Die Deutsche Messe- und Ausstellungs-AG Hannover bedauert die Absagen der Beratungshäuser. Ernst Raue, Projektleiter des CeBIT, meint jedoch, daß diese Unternehmen sich dadurch nur selber schaden würden. Die CeBIT sei nach wie vor die wichtigste Messe für die Welt der Datenverarbeitung überhaupt. Bestätigt sieht Raue diese Meinung durch eine Fluktuation von nur drei Prozent bei insgesamt 2300 Ausstellern bei einer Übernachfrage von zwanzig Prozent unter anderem bei der Ausstellungsfläche für Software. Die Absage von SCS und Cap Gemini werten die Hannoveraner Messe-Strategen als Einzelfälle.