Know-how bleibt nur eine Voraussetzung für Effizienz der neuen Techniken, Teil 3 und Schluß:

CAD/CAM ist Neuland für das Arbeitsrecht

13.11.1987

Angst oder Euphorie im Umgang mit neuen Techniken sind zwei Verhaltensweisen, deren Ursachen meist in der mangelnden Information über das "Werkzeug Computer" liegen. Wo rechnergestützte Systeme in Konstruktion und Fertigung eingesetzt werden, verändern sich die Tätigkeiten der betroffenen Mitarbeiter. Durch die neuen Inhalte gewinnen auch arbeitsrechtliche Fragen an Bedeutung. Dazu einen Überblick sowie Entscheidungshilfen bieten will die letzte Folge einer dreiteiligen Serie, die zuerst die ergonomische Gestaltung von CAD/CAM-Arbeitsplätzen beleuchtete (CW Nr. 43) und danach über die Veränderung der Arbeit durch rechnergestützte Systeme berichtete (CW Nr. 45).

Nach ° 81 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist jeder Arbeitnehmer über Veränderungen in seinem Arbeitsbereich rechtzeitig zu unterrichten. "Rechtzeitig" besagt, der Arbeitnehmer muß sich mit neuen Gegebenheiten vor dem tatsächlichen Beginn der Arbeit vertraut machen können. Es sollte auch noch die Möglichkeit bestehen, daß der Arbeitnehmer Änderungsvorschläge einbringen kann. Die Annahme der Neuerung wird um so eher gesichert sein, je mehr der betroffene Arbeitnehmer in den Planungsprozeß einbezogen wird. Neben rein rechtlichen Überlegungen sollte man die psychologischen Auswirkungen auf die Motivation sehen: Rechtzeitige und umfassende Information ist auch ein Zeichen dafür, daß der Mitarbeiter ernst genommen wird.

Beispiel: Ein Konstruktionsarbeitsplatz wird umgestellt auf einen CAD-Arbeitsplatz. Das bisher im Zentrum stehende Zeichenbrett entfällt, über einen Bildschirm und andere Geräte wird der Platz mit einem Rechner verbunden: zweifelsfrei eine Veränderung der Arbeit. Wurde der Arbeitnehmer rechtzeitig informiert?

Der bisher beschäftigte Arbeitnehmer soll dort weiter tätig sein. Das Anforderungsprofil kann sich ändern (vgl. Folge 1 und 2 in CW Nr. 43 und 45): Einfachere manuelle und mentale Tätigkeiten können entfallen, auch einzelne höherwertige Tätigkeiten werden durch das Arbeitssystem übernommen; überwiegend dürften jedoch höherwertige Tätigkeiten hinzukommen. In der Regel werden sich die Anforderungen qualitativ erhöhen, auch die Arbeitsintensität wird durch den Wegfall der mehr mechanischen, zeitaufwendigen Tätigkeiten größer.

Ändert sich dadurch der Inhalt der nach dem bisherigen Arbeitsvertrag geschuldeten Leistung? Mündliche oder schriftliche Arbeitsverträge umschreiben selten ganz genau die geschuldete Leistung. Oft verbleibt dem Arbeitnehmer ein weiter Spielraum für die Ausübung seines Direktionsrechts. Grenzen sind gesetzt durch herkömmliche Berufsbilder und eine bisherige betriebliche Übung. Diese Grenzen verlieren jedoch an Bedeutung, je mehr die herkömmlichen Berufsbilder verschwimmen und je häufiger betriebliche Veränderungen die Entstehung einer betrieblichen Übung verhindern.

Das Bundesarbeitsgericht hat für die Umstellung eines Arbeitsplatzes von Schreibmaschine auf Bildschirm mit Tastatur keine Änderung des Arbeitsvertrages für erforderlich gehalten und darin auch keine Versetzung gesehen (BAG, Beschluß vom 10.04.1984 - 1 ABR 137/82, Personalbüro 1/1454). Für die Umstellung auf CAD/CAM ist noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen. Ob eine Änderung der arbeitsvertraglichen Leistung vorliegt, ist jeweils von Fall zu Fall zu entscheiden. Wenn ja, kann der Arbeitnehmer nur durch eine Änderungskündigung zu der neuen Leistung verpflichtet werden. In eine Änderung des Arbeitsvertrages wird er in der Regel einwilligen, wenn er den neuen Anforderungen entsprechen kann und will, vor allem dann, wenn sie mit einer Höhergruppierung verbunden ist (was bei CAD/CAM nicht automatisch der Fall ist).

Zumutbare Umschulung

Widerspricht der Arbeitnehmer der Kündigung oder Änderungskündigung, so ist die unternehmerische Entscheidung selbst, auf CAD/CAM überzugehen, nicht gerichtlich auf ihre Zweckmäßigkeit nachprüfbar. Nur die Frage, ob aus dieser unternehmerischen Grundentscheidung dringende betriebliche Erfordernisse folgen, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen (so ° 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz), ist arbeitsgerichtlich überprüfbar.

Es kann auch vorkommen, daß infolge des Rationalisierungseffektes von CAD/CAM Arbeitsplätze wegfallen, vor allem solche mit einfacherer manueller und mentaler Tätigkeit. Diese Mitarbeiter können in ihrem bisherigen Arbeitsbereich nicht weiterarbeiten. Vor einer eventuellen Kündigung ist zu prüfen, ob sie nicht an einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen, gegebenenfalls nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen, weiterbeschäftigt werden können. Diese arbeitsrechtlichen Folgen sind bereits bei der Planung des Einsatzes von CAD/CAM-Techniken in die Überlegungen einzubeziehen. Der Personalplanung kommt dabei besondere Bedeutung zu.

Mitwirkung des Betriebsrats

Hat die Absicht der Unternehmensleitung, CAD/CAM einzuführen, ein bestimmtes Stadium erreicht, ist der Betriebsrat über die Planung der technischen Anlagen, der Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe und der Arbeitsplätze rechtzeitig zu unterrichten. Die vorgesehenen Maßnahmen sind insbesondere im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Art der Arbeit und die Anforderungen an die Arbeitnehmer mit ihm zu beraten. Dieses Beratungsrecht ergibt sich aus ° 90 BetrVG. Bei Auswirkungen der Einführung auf größere Teile des Betriebs oder auf eine größere Zahl von Mitarbeitern entsteht ein Beratungsrecht auch aus ° 111 (Betriebsänderungen) BetrVG. Selbst in diesem Fall kann jedoch der Betriebsrat bei der unternehmerischen Grundentscheidung selbst nicht mitbestimmen. Der Betriebsrat kann nur bei einigen Teilaspekten mitwirken:

- Werden die Arbeitnehmer durch Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung, die den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen, in besonderer Weise belastet, so kann der Betriebsrat angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung verlangen (° 91 BetrVG).

- Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Hinblick auf die Personalplanung bis hin zur Aufstellung von Auswahlrichtlinien können sich aus den °° 92-95 BetrVG ergeben. Dabei ist jedoch zu beachten, daß das Bundesarbeitsgericht Anforderungsprofile von Auswahlrichtlinien unterscheidet und die Festlegung von Anforderungsprofilen als mitbestimmungsfreie unternehmerische Entscheidung wertet.

- Bei personellen Einzelmaßnahmen wie Versetzungen oder Kündigungen hat der Betriebsrat unter den Voraussetzungen der °° 99-102 BetrVG ein Recht auf Unterrichtung und - allerdings nur bei bestimmten Verstößen - das Recht auf Zustimmungsverweigerung.

- Bei gewissen sozialen Angelegenheiten hat der Betriebsrat ein volles Mitbestimmungsrecht. Bei der Einführung von CAD/CAM können folgende in ° 87 BetrVG genannte Angelegenheiten eine Rolle spielen:

- Tägliche Arbeitszeit, Verteilung auf die einzelnen Wochentage (° 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG):

Die Einführung von CAD/CAM kann Änderungen in der Arbeitszeitregelung nach sich ziehen, um die Kapazität der Anlagen stärker auszunutzen. Kommt keine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zustande, entscheidet die Einigungsstelle.

- Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (° 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG):

Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Beschluß vom 06. 12. 1983 - 1 ABR 43/81, Der Betrieb 1984, S. 775-784) entschieden:

"Datensichtgeräte in Verbindung mit einem Rechner sind dann zur Überwachung von Verhalten und Leistung der Arbeitnehmer bestimmt, wenn aufgrund vorhandener Programme Verhaltens- und Leistungsdaten ermittelt und aufgezeichnet werden, die bestimmten Arbeitnehmern zugeordnet werden können, unabhängig davon, zu welchem Zweck diese Daten erfaßt werden." Die Überwachung muß also nicht unmittelbarer Zweck der Anlage sein, es genügt, daß sie hierfür objektiv und unmittelbar geeignet ist. Die Rechtsprechung hat sich bisher vorwiegend mit kontinuierlicher weisungsgebundener Tätigkeit an Bildschirmgeräten befaßt, die regelmäßig auch ohne Zusatzprogramm eine Verhaltens- und Leistungskontrolle ermöglichen. In diesen Fällen wird überwiegend die Meinung vertreten, daß sich die Mitbestimmung auf die gesamte Hardware und Software erstreckt. Umstritten ist noch der Umfang der Mitbestimmung, wenn die Überwachung nur mit Hilfe von Zusatzprogrammen möglich ist. Bei CAD/CAM-Anlagen wird sich die Mitbestimmung des Betriebsrats unter dem Gesichtspunkt des ° 87 Abs. 1 Nr. 6 wohl eher auf solche Zusatzprogramme beschränken, falls sie eingeführt werden sollen.

- Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften (° 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG):

Das Bundesarbeitsgericht hat in der obengenannten Entscheidung ausgeführt, daß sich das Verlangen des Betriebsrats, die Arbeit an Bildschirmgeräten zeitlich zu beschränken und durch bezahlte Pausen zu unterbrechen, nicht auf gesetzliche Vorschriften stützen könne und somit nicht im Wege der Mitbestimmung nach ° 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG durchgesetzt werden kann.

Mitwirkung der Personalvertretung

Die Beteiligung der Mitarbeitervertretungen in Verwaltungen, Gerichten, Schulen und Betrieben der öffentlichen Hand ist in den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der Länder geregelt.

Die hier in Betracht kommenden Vorschriften des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG) sind im wesentlichen identisch mit den einschlägigen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes. Das dazu in Kapitel 5.2 Gesagte gilt daher auch im großen und ganzen für den Bereich der öffentlichen Verwaltung.

Von Bedeutung sind besonders die Bestimmungen über

- personelle Einzelmaßnahmen (Versetzung, Kündigung etc.) (Art. 75(1) BayPVG),

- tägliche Arbeitszeit, Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (Art. 75(3) Nr. 1 BayPVG),

- Hebung der Arbeitsleistung, Erleichterung des Arbeitsablauts Gestaltung der Arbeitsplätze (Art. 76(1) Nr. 2 BayPVG),

- Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden (Art. 76(2) Nr. 1 BayPVG),

- Einführung von technischen Überwachungseinrichtungen (Art. 76(2) Nr. 3 BayPVG)

- Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren (Art. 79 BayPVG).

Bei der Neueinführung von CAD/CAM ist eine Beteiligung (Mitwirkung) der Personalvertretung auf jeden Fall nach Art. 76(2) Nr. 1 BayPVG erforderlich. Die beabsichtigte Einführung von CAD/CAM ist in diesem Fall vor der Durchführung

rechtzeitig und eingehend und mit dem Ziel einer Verständigung mit dem Personalrat zu erörtern (Art. 72 BayPVG). Dies erfordert insbesondere von der Verwaltung ein offenes Zugehen auf die Pesonalvertretung und eine umfassende Information über die geplanten Maßnahmen und deren Auswirkungen auf die Beschäftigten.

Menschliche und rechtliche Komponenten

Mitwirkung heißt, daß die vorgesehene Maßnahme vor der Durchführung mit dem Personalrat zu erörtern ist. Erhebt der Personalrat Einwendungen, so sind diese mit dem Ziel der Verständigung zu besprechen. Will oder kann der Dienstherr den Einwendungen nicht Rechnung tragen, teilt er seine Entscheidung unter Angabe von Gründen dem Personalrat schriftlich mit. Unter Umständen kann der Personalrat die Entscheidung über seine Einwendungen von der nächsthöheren Dienststelle verlangen. Die oberste Dienstbehörde entscheidet endgültig.

Unabhängig von der rechtlichen Situation ist auch gegenüber dem Betriebs- beziehungsweise Personalrat die menschliche Komponente zu sehen. Der Minimalismus des Rechts ist bei partnerschaftlicher Haltung die Grundlage, aber nicht die Grenze der Zusammenarbeit.

Auszug aus: Bernd Schumacher, Rechnergestütztes Konstruieren und Fertigen (CAD/CAM), Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, München 1986.