Konkurrenz für Rational & Co.

CA bündelt seine Modellierungs-Tools

30.03.2001
MÜNCHEN (as) - Computer Associates (CA) wird wegen seines Sammelsuriums an zusammengekauften Entwicklungswerkzeugen oft gescholten - das soll nun anders werden. Mit "Erwin 4.0" bringt der Hersteller erstmals seine Modellierungswerkzeuge in einer integrierten Suite auf den Markt und fordert Rational und andere damit heraus.

CA gehört zu den Herstellern mit dem größten Portfolio an Entwicklungswerkzeugen am Markt. Diesen Umstand verdankte das Unternehmen zum Beispiel den Übernahmen der Spezialisten Platinum Technology, Sterling Software und Nantucket, Letztere bereits vor vielen Jahren. Doch bisher hatte CA sich wenig um eine klare Strategie und Integration der Produkte untereinander gekümmert oder doch zumindest nichts Derartiges verlauten lassen. Vielmehr hatten bei der Platinum-Übernahme die Datenbankwerkzeuge für IBMs DB2 und bei Sterling die Tools für das Speicher-Management und Business Intelligence die Begehrlichkeiten des Herstellers geweckt.

CA, so etwa das Urteil der Analysten der Giga Group, hat zwar ein umfassendes Produktportfolio, bietet aber auch in seiner neuen "Jasmin-ii-Architektur" nur minimale Integrationspunkte für die Modellverwaltung. So wird das Anforderungs-Management immer noch mit Hilfe der Produkte des Partners QSS bewerkstelligt. Noch schlimmer aber, sagt Giga, ist die bisher mangelhafte, nicht einmal zwischen zwei einzelnen Produkten vorhandene Integra-tion des Portfolios für den gesamten Lebenszyklus einer Software. So tauschten bespielsweise die Modellierungswerkzeuge "Bpwin" und "Erwin" bisher ihr Modell über ein proprietäres, von keinem anderen Hersteller unterstütztes Austauschformat aus. Ebenso waren die diversen Repositories für Metadaten nicht miteinander integriert, um etwa eine zentrale Management-Instanz für alle Projektbeteiligten zu schaffen.

Angesichts dieses Szenarios schlägt CA deshalb nach Meinung von Marktbeobachtern mit der Ankündigung der Erwin-Suite 4.0 ein neues Kapitel auf. Die Werkzeugsammlung dient den vielfältigen Aufgaben rund um die Datenbank- und Anwendungsmodellierung und führt aufgrund der Release-Zyklen zweier ihrer Komponenten die Versionsnummer 4.0. Sie besteht aus fünf bisher nur separat erhältlichen Produkten, die alle überarbeitet wurden. Es sind dies das marktführende Platinum-Tool für die Datenbankmodellierung "Erwin" unter Systemen wie "Oracle 8", "SQL Server 2000", "OS 390/V6.1" sowie "UDB V6.1". Erwin lässt sich für viele Entwicklungsaufgaben einsetzen, wie zum Beispiel die Modellierung und Dokumentation vorhandener Datenbanken, Reengineering- und Migrationsprojekte, die Konsolidierung heterogener Datenbank-Umgebungen, die Entwicklung neuer Applikationen aus dem Modell heraus sowie die Modellierung von Data-Warehouse-Architekturen. Für die Überprüfung des mit Erwin erstellten Datenbank-Designs auf Inkonsistenzen enthält die Suite das Tool "Erwin Examiner".

Modelle vereintMit dem aktuellen Release von Erwin sind erstmals hierarchische Sichten auf Datenbestände möglich und eine Trennung von logischen und physischen Modellen ist machbar. Dadurch lassen sich Daten als Entities modellieren und dann in einem separaten Schritt in die relationale Datenbank mappen. Dabei können mehrere Datenbankmodelle parallel bearbeitet werden. Der Ansatz, die Datenbank- und OO-Modellierung in einem Produkt zu unterstützen, ist noch neu. So hatte auch Konkurrent Rational erst im Mai letzten Jahres mit "Rational Rose Data Modeler" ein vergleichbares Tool vorgestellt. Manche Marktbeobachter befürchten allerings, dass der Ansatz auf wenig Gegenliebe bei Datenbank- und Anwendungsentwicklern stoßen wird, da beide IT-Gruppen sich bisher oft misstrauisch beäugen und weiter unabhängig voneinander arbeiten wollen.

Das dritte Tool im Bunde, "Paradigm Plus", stammt ebenfalls von Platinum und dient der Modellierung, Darstellung und Wartung von OO-Anwendungen. Es verwendet jetzt das neueste Release 1.3 der Unified Modelling Language, ermöglicht ein XML-basiertes Roundtrip-Engineering und kann durch den Einsatz von Visualbasic Script oder Javascript erweitert werden. Für die grafische Darstellung von Geschäftsprozessen steht als Nummer fünf im Bunde schließlich eine aktuelle Ausgabe von "Bpwin" bereit, das auch eine direkte Schnittstelle zu Erwin hat. Für die Speicherung, Verteilung sowie die Verwaltung der Modelle ist schließlich das Tool "Modelmart" zuständig, das Datenbankdesigner, Applikations-Entwicklern und End-Usern einen einheitlichen Zugriff auf die Bpwin, Erwin und Paradigm Plus verschafft.

Integrierte SuiteDas Besondere an der Suite ist nun, dass sie eine Integration ihrer Bestandteile auf der Basis von XML-Interfaces verspricht, und damit erstmals auch auf die erwähnte Kritik der Analysten reagiert. Fortan ist nun die Umsetzung von Datenmodellen in UML-Modelle möglich. Dazu wurde, wo nötig, eine Verbindung zum Platinum-Repository realisiert, sprich die Suite verfügt über eine zentrale Verwaltungskomponente. Diese kann sowohl Datenmodelle automatisch im XML-Format speichern als auch bei der Extraktion, Transfomation und das Laden von Datenhaltungen als Management-Konsole (zum Beispiel für die Transformationsregeln) dienen.

Nach Ansicht des Brancheninformationsdienstes "Computergram" setzt CA mit der XML-Untersützung nun auf offene Standards, während es beim Wettbewerber Rational bei proprietären Schnittstellen bleibt. Allerdings kann dieser mit seiner "Rational Suite" als bisher einziger Hersteller im Markt eine umfassende Tool-Unterstützung des gesamten Softwareentwicklungsprozesses anbieten. Dieses Alleinstellungsmerkmal könnte aber verschwinden, falls CA weitere Werkzeuge hinzufügt. So würde insbesondere die XML-basierte Einbindung des Tools für Änderungs- und Konfigurations-Management "CCC Harvest" Erwin zu einer umfangreichen Entwicklungsumgebung machen.

Zukunft der "Cool"-ProdukteUnklar bleibt hingegen die technische Abstimmung zwischen der Erwin-Suite und den aus der Sterling-Übernahme stammenden "Cool"-Entwicklungswerkzeugen. Letztere sind in einer eigenen Sammlung erhältlich und weisen teilweise Überschneidungen zu den Modellierungs-Tools auf. Bisher wurde lediglich in einer im Juli 2000 skizzierten Roadmap gesagt, dass die Modellierungswerkzeuge "Cool:Business Team" und "Cool:DBA" langfristig zugunsten von Erwin aufgegeben werden. Ebenso ist "Cool:Biz", das mit Bpwin konkurriert, zumindest aus dem aktiv vertriebeneb Portfolio verschwunden. Ansonsten finden sich auf der CA-Website nur Hinweise, dass zusätzlich zu den Cool-Produkten Entwicklungswerkzeuge wie beispielsweise Erwin erhältlich sind.

Außerdem führt CA weitere Werkzeuge für die Entwicklung, Verwaltung und Distribution zum Beispiel in der "Advantage"-Produktfamile. Zu dieser gehört neben Erwin 4.0 die "Process Continuum Suite" für Prozess- und Projekt-Management, die erwähnte "CCC/Harvest and Endevor Suite" für das Change- und Konfigurations-Management sowie das Verwaltungsportal "Advisor". Wie und ob die Produkte jedoch aufeinander abgestimmt sind, ist für den Außenstehenden kaum zu durchschauen. So beklagen in einer auf den CA-Seiten verfügbaren aktuellen Tool-Studie die Autoren Roger Geiwitz und Data-Warehouse-Vater Bill Inmon, dass der Hersteller die Tools zu wenig vermarktet und ihre Funktionen und ihr Zusammenspiel nicht ausreichend erklärt. Auch empfehlen die Spezialisten, dass alle Produkte, soweit nötig, mit der System-Management-Plattform "Unicenter TNG" , dem Job-Management-System "Autosys" sowie dem Platinum-Repository integriert werden sollten. In diesem Sinne ist Erwin 4.0 daher nur ein erster Schritt.