Kolumne

Buy or Die

13.09.2005

Mit Siebel kauft Oracle innerhalb von zwölf Monaten das fünfte Unternehmen. Rechnet man J.D. Edwards hinzu, müssen sogar sechs Firmen miteinander verschmolzen werden. Allein das Vereinheitlichen und Abspecken der Organisationen kommt einer Sisyphus-Arbeit gleich. Damit, dass die Produkte eng miteinander verzahnt und integriert werden, kann ernsthaft niemand mehr rechnen. Stimmen Aktionäre und Aufsichtsbehörden der Siebel-Übernahme zu, darf Oracle fünf CRM-Produkte sein eigen nennen: von Peoplesoft, J.D. Edwards, Retek, Siebel und das eigene in der E-Business-Suite. Da läuft es entweder auf Koexistenz, das Überleben des Besten oder auf eine Minimal-Integration auf Schnittstellenebene hinaus, damit die verschiedenen Applikationen überhaupt miteinander reden können. Das Jahrzehnte lang erfolgreich von ERP-Anbietern gebrachte Argument, wonach eine tief integrierte Standardsoftware à la Mysap oder E-Business Suite einem Best-of-Breed-Ansatz allemal vorzuziehen sei, hat sich damit wohl endgültig überlebt.

Doch obwohl Oracle mit der Übernahme von Siebel ein doppeltes Risiko trägt - Integration der Organisation, glaubwürdige Abstimmung des Produktportfolios - bleibt dem Softwarehersteller keine andere Wahl. Im hart umkämpften Datenbankmarkt - vor allem Microsoft und IBM setzen Oracle zu - existieren zu wenig Wachstumschancen. Im Gegenteil: Durch den Einzug von Open-Source-Produkten können die Umsätze sogar schrumpfen. Also muss Oracle-Chef Larry Ellison die Flucht nach vorn in das Applikationsgeschäft antreten. Zum einen, um die Basis für die eigenen Infrastrukturprodukte abzusichern (Datenbanken, Applikations-Server, Entwicklungswerkzeuge) und zum andern um die Kundenbasis zu vergrößern, in der sich dann besser das so genannte Up- und Cross-Selling bewerkstelligen lässt. Theoretisch ist beim Verkauf von mehreren Produkten (Up-Selling) verschiedener Bereiche (Cross-Selling) an einen Kunden ein großes Produktportfolio vorteilhaft. Allerdings nur dann, wenn sich die angebotenen Waren klar voneinander abgrenzen lassen oder sich ergänzen. Das ist jedoch bei Oracle nicht erkennbar. Mit der Übernahme von Siebel vergrößert man zwar die Kundenbasis erheblich, aber das Produktportfolio gleicht immer stärker einem Bauchladen, in dem sich kein Interessent mehr zurecht findet. Deshalb stehen die Chancen für das Aufgehen der Ellison-Gleichung eher schlecht.

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