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Bundesregierung spielt Enfopol herunter

21.05.1999
Fadenscheinige Argumentation

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Bundesregierung respektive das Bundesministerium des Innern ist der Ansicht, daß die seit Ende vergangenen Jahres "in der Tagespresse, in Fachzeitschriften und im Internet" verbreiteten Nachrichten über ein "angebliches System der Europäischen Union zur totalen Überwachung jeglicher Art von Telekommunikation" nicht zutreffen. Die laufenden Arbeiten an einer Ratsentschließung ("Enfopol 98") betreffend die Telekommunikationsüberwachung seien "grundlegend mißverstanden" worden, heißt es in einer Stellungnahme des Ministeriums. Eine Initiative des Europäischen Rates zum Aufbau einer europäischen Überwachungsstruktur gebe es nicht.

Die folgende "Klarstellung" führt allerdings die obige Argumentation schlicht ad absurdum. Dort heißt es nämlich: "Enfopol 98 will lediglich klarstellen, daß die 1995 den Mitgliedsstaaten empfohlenen Anforderungen auch für innovative Techniken auf dem Telekommunikationssektor wie Satellitentelefon und Individualkommunikation über das Internet (E-Mail) gelten." Die Pflicht der Betreiber, notwendige technische Vorkehrungen zu treffen, um eine nach nationalem Recht angeordnete Überwachungsmaßnahme durchführen zu können, ergebe sich dabei aus dem Recht der einzelnen Mitgliedsstaaten.

Die von Enfopol vorgesehene "Harmonisierung der technischen Standards" berücksichtige nicht nur die Komplexität moderner Telekommunikationssysteme in einem zusammenwachsenden Europa mit grenzüberschreitender Kriminalität, sondern trage letztlich auch dem Interesse der Betreiber Rechnung, sich auf einen in Europa im wesentlichen einheitlichen Standard bei ihren Mitwirkungspflichten einstellen zu können. Zusammengefaßt ergibt dies schlicht, was es angeblich gerade nicht ist - nämlich ein System der Europäischen Union zur totalen Überwachung jeglicher Art von Telekommunikation.