Standardisierungs-Aktivität und neue Maschinen sollen Offenheit signalisieren:

Bull-Gruppe jetzt endgültig im Unix-Lager

06.05.1988

PARIS (rs) - Nicht von einem Anbieter abhängig zu sein, erkannte Francis Lorentz, Chef der Bull-Gruppe, jetzt als Trend der Zukunft für den Anwender. Mit seinen neuen DPX-Systemen unter der hauseigenen Unix-V-Version hat Bull viel vor: Die Gruppe will technisch-wissenschaftliche sowie Datenbank- und Büroanwendungen abdecken und nicht zuletzt Branchenlösungen für den Mittelstand anbieten.

Wie andere Mitbewerber will Bull allerdings das hauseigene Betriebssystem GCOS allen Standardisierungsbeteuerungen zum Trotz nicht vernachlässigen. Und ähnlich diffus wie jene argumentiert Bull: Herstellereigene Betriebssysteme hätten "bestimmte Vorteile", die ein standardisiertes Betriebsystem nicht bieten könne. Daher werde GCOS auch weiterhin "optimiert".

Doch nicht nur die Zukunft der Anwender basiert auf Unix, sondern auch die eigene Zukunft sieht X/Open-Mitbegründer Bull klar bei diesem Betriebssystem: Bei einem geschätzten jährlichen Wachstum von 38 Prozent in diesem Marktsegment "sei die Schlacht noch nicht geschlagen", betonte Lorentz die wird erst noch stattfinden"

Von der neuen DPX-Familie verspricht sich Bull dabei eine gute Ausgangsposition. Die Palette der Modelle reicht vom Einplatzsystem (neudeutsch: Workstation) für grafische Anwendungen (DPX 1000) über die Minicomputerfamilie DPX 2000 (maximal 32 Arbeitsplätze) bis zum RISC-Modell DPX-5000 für den Anschluß von maximal 64 Terminals. Das in Frankreich vorgestellte transaktionsorientierte System DPX 3000 fehlt in der Ankündigung für den deutschen Markt: "Hier", so Pressesprecher Jörg Pläsker, "gelten andere strategische Überlegungen." Die Leistungsbandbreite der neuen Systeme gibt Bull selbst mit 1,5 bis 6,5 Mips (Millionen Instruktionen pro Sekunde) an. Am Rande der als Forum für das umfassende Announcement ausgewählten Kundenshow "Bull '88" in Paris, sah ein Teilnehmer die neuen Modelle wesentlich nüchterner als Chef Lorentz: "Das sind die alten SPS-Modelle mit neuem Label."

Um zu dokumentieren, daß es Bull mit Unix dennoch ernst ist, haben die europäische Bull-Gruppe und das US-Unternehmen Honeywell Bull Inc. ein gemeinsames Programm für langfristige Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsaktivitäten verabschiedet. 600 Millionen Französische Franc (knapp 200 Millionen Mark) sollen in den nächsten drei Jahren fließen.

Zur Entwicklung eines einheitlichen Angebotes auf Unix-Basis schufen die Partner eine zentrale Einrichtung, deren Präsident Lucio Pinto ist. Die gemeinsame Federführung der gemeinsamen Unix-Offensive übernimmt Honeywell Bull Italia dabei für die Honeywell Bull Inc. Darüber hinaus sind die Italiener verantwortlich für die Entwicklung und Produktion von Bürocomputern und Druckern für die gesamte Bull-Gruppe.

Trotz aller Zuversicht verkannte Lorentz die Gefahr nicht, die im Standard steckt: "Die Freiheit des Kunden, den Anbieter auswählen zu können, zwingt zu einem besonderen Service.