Breite Präsenz von Bildschirmtext-Produkten, aber kaum Neues auf der Stuttgarter "telematica"

Btx: Schleppender Start der IBM-Technik

29.06.1984

STUTTGART - Am 28. Juni sollen nach einer Information aus dem Arbeitskreis Technik der Btx-Anbietervereinigung 3000 bis 4000 Btx-Teilnehmer auf die Ulmer Leitzentrale geschaltet werden. Dies wird dann vermutlich der eigentliche Start des neuen Btx-Systems in IBM-Technik sein. Die Offiziellen der obersten Ebene, Eric Danke vom Postministerium und Eberhard Dorn von der IBM, hüllten sich bezüglich dieses Termins in Schweigen. Der Bundespostminister behandelte das Thema Bildschirmtext in seiner Eröffnungsrede zur "telematica" nur am Rande - und das mit Blick auf eine bessere Zukunft.

Dieses "Runterspielen" eines Hauptanliegens der vom Land Baden-Württemberg stark forcierten Kongreßmesse "telematica" wurde von zahlreichen Teilnehmern des gut besuchten Btx-Symposiums (zirka 60 Vorträge) als "große Schwierigkeiten" gedeutet. Obwohl am 12. Juni termingerecht mit der Zuschaltung der Anbieter auf die Leitzentrale begonnen wurde, fiel zu diesem "freudigen Ereignis" vom Minister selbst ebenfalls kein Statement. Erst auf Befragen teilte ein IBM-Sprecher mit, daß in Ulm mittlerweile 400 000 Seiten gespeichert seien. Präzisiert wurde diese Angabe später dann von Eric Danke mit der Zahl 380 000.

Kaum einer der zirka 200 Aussteller verzichtete indes auf die Demonstration irgendeines Btx-Produktes. Zu diesem Zwecke waren von der Post immerhin 300 Leitungen geschaltet worden. Stabile Verbindungen blieben jedoch, wie VWD berichtet, die Ausnahme. "Wenn einer Btx länger als fünf Minuten demonstriert, kommt das nicht aus Ulm, sondern vom Band", meinte demzufolge ein Aussteller.

Beklagt wurden insbesondere die langen Bildaufbauzeiten des neuen Systems. Sie liegen zur Zeit bei einer Minute, der Berliner Rechner schaffte dies, allerdings mit geringerer Sicherheit, in 35 bis 40 Sekunden.

Verzögerungen anderer Art deuten sich für die Lieferungen des hochintegrierten Decoders, des sogenannten Eurom, durch die Philips-Tochter Valvo an. Auf der Endgeräteseite gab es jedenfalls keine Novitäten. Auch das Btx-Telefon-Terminal, das Nixdorf in den Vordergrund seiner Präsentation stellte, war schon auf der Hannover Messe gezeigt worden. Stolz allerdings verwiesen etliche Anbieter von Rechnerverbundsoftware auf die Postzulassung des ZZF in Saarbrücken.

Wie stabil generell die jetzt zugelassene Rechnerverbundsoftware ist, muß sich noch erweisen. Ein Vertreter der Reisebranche, Dieter Mussler, von der NUR Touristik GmbH, Frankfurt, beispielsweise rechnet frühestens zum Jahresende mit laufsicherer Software (siehe Seite 26) und empfiehlt der Bundespost, die Terminierung für die Abschaltung der alten Rechnerverbundanwendungen noch einmal zu überdenken.

Zum Stand der Dinge beim bundesweiten Aufbau der neuen Systemtechnik führte Eric Danke aus, daß es zur Zeit weltweit kein vergleichbares komplexeres Netz mit verteilter Datenbankstruktur gebe.

Derzeit stehen drei A-Vermittlungsstellen - und zwar in Frankfurt, Berlin und Düsseldorf. Erste externe Rechner seien installiert. Hamburg werde Ende Juni ebenfalls integriert, Hannover folge im Juli. Noch in diesem Jahr werde das System über 6600 Btx-Zugänge (ports) verfügen können, im nächsten Jahr könnten es dann schon 25 000 oder auch mehr sein. Danke bestätigte erneut die alten Prognosezahlen (Ende 1986 eine Million Teilnehmer, 1990 drei Millionen) der Bundespost, fügte aber neu hinzu, daß erste Btx-Teilnehmer 1988 ins ISDN-Netz überwechseln könnten.

"An die Grenzen der Testbarkeit" sind die Systembauer nun laut Bernhard Dorn von der IBM gestoßen. Die Funktionsprüfung sei abgeschlossen; viele Hundert Fehler seien bereits behoben worden und die Betriebsfähigkeit nachgewiesen. Nun erwarte man mit Spannung den "Echt-Last-Betrieb". Realisiert sei jetzt das, was man sich 1981/82 vorgestellt habe, das bedeute, daß IBM für zukünftige Stufen eine Reaktionszeit von zwei bis zweieinhalb Jahren benötige. Kritische Fragen stellten sich - etwas im Abseits - sowohl Eric Danke als auch Hans Karl Utpadel vom Postministerium auf einem außerordentlich stark besuchten Treffen des Arbeitskreises Technik der Bildschirmtext-Anbietervereinigung. Eingeladen hatte Professor Klaus Frank vom Institut Bildschirmtext, Worms. Statt der erwarteten 20 Teilnehmer drängten 120 Neugierige in den Saal. Es ging um den IBM-Editor. Zu langsamer Bildaufbau wurde insbesondere im Zusammenhang mit dem Schlagwort- und Anbieterverzeichnis moniert. Eine Abrufstatistik ein wesentliches Kriterium für die Akzeptanzprüfung eines Programms, ist erst für die zweite Btx-Ausbaustufe Ende 1985 vorgesehen. Zum Seiteninhalt äußerten die Informationsanbieter, daß die Datums- und Zeitangabe (in Zeile 23) überflüssig sei. Schnelles Editieren von Dialogseiten demonstrierte Eric Danke. Zum Thema Telesoftware erklärte "das Postministerium" kategorisch, daß eine auf einen Hersteller, nämlich Mupid, maßgeschneiderte Lösung keine Realisierungschance habe.