Kolumne

Btx aufschIBM

01.04.1983

Unterstellt, die Erwartung in der Bevölkerung war hoch in bezug auf Bildschirmtext. Unterstellt weiter, die DV-Spezialisten beim Anwender wußten nicht, daß sich auch eine IBM schwertun muß mit dem Brocken Btx-Software: Die Überraschung wäre perfekt, der Imageverlust enorm.

Wie gut, daß beides mit der Btx-Realität im Frühjahr 1983 nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Für DV-Insider, die mit dem Thema vertraut sind, kommt der Btx-Aufschub, den die IBM Deutschland von ihrem Postpartner aus Sicherheitsgründen verlangt (Seite 1), eben keineswegs überraschend. Man weiß, daß derartige Projekte eine Eigendynamik entwickeln können - leider meist in die falsche Richtung. Genau dies ist passiert. Schwamm drüber. An IBM wird's nicht liegen, wenn Btx letztlich doch kein Marktrenner werden sollte.

Damit wären wir beim Kernpunkt: Die Frage ist doch, ob die Werbung für Bildschirmtext draußen, im Millionenmarkt der Privathaushalte, auch ankam, den Leuten nachgewiesen werden konnte, wo die klaren Vorteile von Btx liegen. Man wird hier nichts beschönigen können: Die Bundespost hat mit ihrem Versuch, sowohl dem Privat- als auch dem Geschäftsmarkt nachzujagen, das Bild von Bildschirmtext in der Öffentlichkeit eher getrübt. Die Folge war, daß einer auf den anderen wartete, die stufenweise Einführung zuerst in einem Bereich, wofür sich der Geschäftsmarkt anbot, nur mit gebremstem Schaum vorangetrieben wurde. Man wird umdenken müssen bei der Bundespost. Feldversuche und Btx-Staatsverträge können den Markt nicht ersetzen.

Kessler-Hut

Der Elektrokonzern Siemens ist nicht so unbeweglich, wie es die Wirtschafts-und Fachpresse gewöhnlich zeichnet: Mit einem Federstrich wollen die Münchner die private Nebenstellentechnik - und einiges mehr - vom kraftstrotzenden Unternehmensbereich Kommunikationstechnik trennen und der von Geburt an etwas rachitischen Datentechnik unter Dr. Claus Kessler zuschlagen, der auch den neuen Superbereich "Kommunikations- und Datentechnik" leiten soll. Der Operationstermin steht schon fest: Es ist der 1. April 1984.

Was der Vorstand der Siemens AG seinem Aufsichtsrat ohne großes Lamento präsentierte, ist ein eindeutiges Bekenntnis zum Zusammenwachsen der "Telefonie" (O-Ton Siemens) mit der Mainframe-Datenverarbeitung. Doch wird die stärkere Orientierung in Richtung Büro auch Einflüsse auf den Siemens-DV-Vertrieb haben, dem man bisher nicht gerade gesunde Aggressivität nachsagen konnte? Sicher. Denn mit dem neuen Rahmen verschieben sich auch die Umsätze - das könnte beruhigende Wirkung auf die bisweilen arg verschüchterte Kessler-Crew haben, zumal die Mittlere Datentechnik, zuletzt bei der Energietechnik aufgehängt, wieder von den DV-Leuten vertrieben werden soll. Kritik an der Erlanger Lösung (die Energietechnik sitzt in der fränkischen Universitätsmetropole) hatte es bei Datentechnikern immer gegeben.

Die Wiedereingliederung bot sich an, ebenso die Hinzunahme von privaten Nebenstellenanlagen, Teletex und Local Area Networks (LAN). Es wäre freilich verfrüht, Kessler einen Lorbeerkranz aufzudrücken. Noch muß man die ganzen Dinge ja erst machen. Daß sich der starke Mann des Unternehmensbereiches Datentechnik vergaloppieren könnte, scheint allerdings unwahrscheinlich. Ein Heiligenschein ist jedenfalls nirgends zu sehen. Dem Pragmatiker Kessler stünde er auch nicht.