BT und Viag bauen auf gegenseitigen Profit Wunschpartner auf der Basis von Kalkuel und Marktrealitaet

20.01.1995

CW-Bericht, Gerhard Holzwart

MUENCHEN - Das neue Jahr begann fuer den hiesigen Telecom-Markt gleich mit einem Paukenschlag. Als erster der grossen auslaendischen Wettbewerber der Telekom hat British Telecom (BT) Naegel mit Koepfen gemacht und die Ehe mit einem potenten deutschen Partner unter Dach und Fach gebracht. Dass der Wunschgefaehrte der Briten ploetzlich Viag heisst, kam fuer die Branche etwas ueberraschend, nicht aber die Absichten der neuen Verbuendeten: der sofortige Einstieg in den Corporate-Network-Markt sowie die Bewerbung um eine Telefondienstlizenz.

Bis zuletzt war in London und Muenchen erfolgreich geschwiegen und gemauert worden, auch wenn sich die Spekulationen vor der offiziellen Bekanntgabe des Deals am Dienstag vergangener Woche verdichteten. Der neue Player, der den deutschen Telecom-Markt aufmischen soll, heisst Viag Interkom - ein Joint-venture, an dem BT und die Viag AG jeweils 37,5 Prozent der Anteile halten. Dass man sich lange Zeit nicht gesucht und dann doch noch gefunden hatte (BT hatte vorher ergebnislos die Fuehler in Richtung Veba und Mannesmann ausgestreckt), spielte beim zeitgleichen Stelldichein vor der englischen und deutschen Presse naturgemaess keine Rolle mehr.

Die Kooperation mit BT ist der "letzte grosse Strich" im Bild der kuenftigen Viag, gab Vorstandsvorsitzender Alfred Pfeiffer zum besten; wobei dem Viag-Chef deutlich die Erleichterung darueber anzumerken war, dass seiner Firmengruppe nun endlich der grossangelegte Einstieg in die Telekommunikation gelungen ist. Dies um so mehr, nachdem bekanntlich im vergangenen Jahr die mit grossem Pomp angekuendigte Bewerbung um die zweite bundesdeutsche Datenfunklizenz (siehe Kasten) fehlgeschlagen war. Feiern war also angesagt und der Austausch von Ergebenheitsadressen via Videokonferenz. BT-Chef Iain Vallance spielte artig mit und sprach von der "Wahl des richtigen Partners" sowie von der Wichtigkeit des lukrativen deutschen Marktes fuer sein Unternehmen. Vallance- Partner Pfeiffer stand dem nicht nach und outete den Londoner Carrier, derzeit weltweit die Nummer fuenf, sogar als "Wunschpartner von Anfang an", mit dem man rund ein Jahr verhandelt habe.

In der Tat haetten es die Viag-Strategen in der Muenchner Nymphenburger Strasse nicht viel besser treffen koennen. Die gesamte, bisher in Eschborn bei Frankfurt ansaessige BT (Deutschland) GmbH mit rund 150 Mitarbeitern (Jahresumsatz 30 Millionen Mark) soll in der Viag Interkom aufgehen - inklusive der rund 250 Grosskunden-Accounts, die die Briten von Deutschland aus in Sachen Daten- und Corporate-Network-Services (Sprache, X.25, Frame Relay) betreuen. Hinzu kommt die nun vorhandene Bruecke zum internationalen Geschaeft, das BT zusammen mit MCI im Outsourcing- Joint-venture "Concert" abwickelt.

Zumindest im Corporate-Network-Geschaeft sind die Muenchner auch selbst keine Newcomer mehr, hat man doch Mitte vergangenen Jahres die Genehmigung zum Betrieb eines solchen Netzes fuer die eigene Unternehmensgruppe und, daran angeschlossen, auch fuer die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank AG sowie die Bayerische Vereinsbank erwirkt. Beide Netzpartner sind uebrigens, wie es in Muenchen ohne Umschweife hiess, erste Adressen, wenn es darum gehen wird, den fuer weitere deutsche Beteiligungen noch freigehaltenen 25-Prozent-Anteil an der Viag Interkom zu vergeben.

Anfang April soll der neue Carrier seine Arbeit aufnehmen - mit Sitz in Muenchen und damit auch in Tuchfuehlung zur Bayerischen Staatsregierung. Von dieser erhofft man sich einiges an Rueckendeckung; jedenfalls wird es aus Viag-Sicht Zeit, dass, wie Pfeiffer unverhohlen zum Ausdruck brachte, "endlich auch einmal eine Lizenz in den Sueden vergeben wird". Welche Lizenz die bayerisch-britische Allianz dabei vor allem im Auge hat, ist seit vergangener Woche klar: eine von wahrscheinlich mehreren zu vergebenden Betriebsgenehmigungen fuer den ab 1998 liberalisierten Telefondienst im Festnetz.

Damit aus den hochfliegenden Plaenen auch etwas wird, will man bei Viag alles verfuegbare Gewicht in die Waagschale werfen. Neben Partner BT sind dies vor allem die rund 4000 Kilometer Glasfaserkabel der Bayernwerk AG und 37,5 Prozent von den 1,5 Milliarden Mark, die das Abenteuer Viag Interkom alle Beteiligten zunaechst kosten soll. Den Rest muessen BT und die noch zu suchenden uebrigen Allianzpartner beisteuern. Dafuer verspricht man sich einen Marktanteil in Deutschland zwischen 15 und 25 Prozent - bei einem prognostizierten Marktvolumen von ueber 100 Milliarden Mark im Jahr 2000 kein Pappenstiel. Erhaelt man den Zuschlag fuer eine Telefondienstlizenz, will man in Muenchen neu nachdenken - und die Investitionen, aber auch die Gewinnerwartungen nach oben korrigieren. "Wer Erfolg in der Telekommunikation haben will, muss klotzen und nicht kleckern", gab der Viag-Chef als Devise aus.