BT-President hält Deutschen den Spiegel vor

26.06.2006
Mit Francois Barrault, President von British Telecom International, sprach CW-Redakteur Jürgen Hill über den Markt und den deutschen Standort.

CW: Herr Barrault, Sie betonen immer wieder die Bedeutung von konvergenten IP-Netzen, wie die British Telecom eines aufbaut. Wie prägt die Technik die Unternehmen?

Barrault: Für Unternehmen wird es auch hinsichtlich der Vorschriften im Finanzsektor immer wichtiger, über Backup-Lösungen zu verfügen, um im Fall von Naturkatastrophen, Streiks oder was auch immer ihre Daten nicht zu verlieren.

Zudem bin ich davon überzeugt, dass in Zukunft die Grenzen zwischen Privatanwendern und Unternehmenskunden verschwinden. Denn auch zu Hause bin ich Mitarbeiter meines Unternehmens und unterwegs auf Geschäftsreisen am Abend eine Privatperson. Deshalb werden wir letztlich nur noch ein Endgerät haben, das mit verschiedenen Konfigurationsprofilen unsere unterschiedlichen Rollen widerspiegelt. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass immer weniger Menschen von 9 bis 17 Uhr ins Büro gehen. In einer globalen, vernetzten Wirtschaft werden wir vielmehr immer und überall arbeiten können beziehungsweise müssen.

CW: Zurück in die Gegenwart. Welches Land ist in Europa am weitesten?

Barrault: Jedes Land hat seine eigene Dynamik. Wenn Sie das Thema Outsourcing betrachten, dann sind Großbritannien und die USA am weitesten. Die romanischen Länder wie Spanien, Frankreich und Italien sind auf dem Weg dahin. Deutschland ist dort noch nicht angelangt.

CW: Wo sehen Sie Deutschland?

Barrault: Deutschland hat die Konsolidierung noch vor sich. Wenn die deutschen Unternehmen konsolidieren, dann sollten sie gleich ihre ITK-Strukturen auf die nächste Technologiegeneration bringen. Hier bewegen sich die USA schnell, weil die Aktienkurse an der Wall Street kostensensitiv reagieren. Die Firmen dort arbeiten bereits intensiv mit Indien über VPNs und andere virtuelle Infrastrukturen zusammen, da dort ein Mitarbeiter pro Monat nur 500 Dollar und nicht Tausende kostet wie in den USA.

CW: Gibt es auch etwas, das für Deutschland spricht?

Barrault: Deutschland hat eine glänzende Zukunft vor sich, wenn sich das Land schnell bewegt und zu neuen Modellen findet sowie den Protektionismus seines Sozialsystems aufgibt. Das wird zwar Arbeitplätze kosten, aber auch gleichzeitig Chancen auf neue Jobs eröffnen. Lassen Sie mich dies an einem Beispiel verdeutlichen: Ein deutsches Unternehmen betrieb ein eigenes Call-Center von 9 bis 17 Uhr. Anrufende mussten bis zu 20 Minuten warten. Zudem war das Ganze sehr teuer und drohte das Unternehmen zu ruinieren. Als der CEO das Call-Center schloss, in ein Billiglohnland verlagerte und nun einen dreisprachigen Support an sieben Tagen und 24 Stunden anbot, konnte er den Umsatz deutlich steigern. Sicher, die Globalisierung wird Opfer - etwa die Gewerkschaften - fordern, doch die Cleveren, die neue Technologien und Chancen nutzen, werden dabei gewinnen. Wenn wir in diesem Wettbewerb bestehen wollen, dann müssen wir in Europa intelligenter agieren als bisher.