Briefe

21.07.2000
Es gibt andere Konzepte

Betrifft " CW 23/00, Seite 87: "Der deutsche Mittelstand braucht keine Green Card"

Während überall noch über die Green-Card-Regelung gestritten wird, sitzt bei Flatfox bereits ein Team von über 20 Entwicklern aus Indien an den Computern. Und das ohne Green Card, denn es gibt durchaus andere schlüssige Konzepte zur schnellen und bedarfsgerechten Versorgung mit Fachkräften.

Beispielsweise können IT-Spezialisten mit einem Business-Visum für drei Monate nach Deutschland kommen, dann wieder nach Indien zurückgehen und dort mit dem hier erworbenen Wissen weiterarbeiten. So entsteht ein wirksames rollierendes System. Ein Business-Visum lässt sich innerhalb von wenigen Tagen erhalten, ein Work-Permit, das zu einem Aufenthalt von 18 Monaten berechtigt, innerhalb von vier bis acht Wochen.

Peik Simpfendörfer, Flatfox AG, Frankfurt am Main

Betrifft " CW 28/00, Seite 7: "IT-Profis haben mit Gewerkschaften wenig im Sinn" (Kolumne)

Die CW beschwört wieder den Mythos des freien IT-Spezialisten, sehr zur Freude des Unternehmers. Wenn Sie und Ihre Kollegen sich einmal die Mühe machen würden, die Wirklichkeit zu betrachten, dann würden Sie schnell bemerken, dass der "freie IT-Spezialist" nur eine Minderheit ist. Aber es ist wohl einfacher, nur die Zielmenge in den Blick zu fassen, die mit den eigenen Meinungen übereinstimmt.

Die meisten IT-Spezialisten arbeiten in Unternehmen aus Industrie und Handel, und diese Firmen sind meist an Tarifverträge gebunden. Nun mögen diese IT-Spezialisten zwar nicht Mitglied in einer Gewerkschaft sein (sind aber viele!), sie profitieren aber doch von ihr. Ich zumindest habe noch von keinem gehört, der eine Gehaltsanpassung nach einer Tarifrunde abgelehnt hätte. Auf jeden Fall entsprechen diese IT-Spezialisten nicht dem von Ihnen gezeichneten Bild.

Vom Rest arbeitet ein Teil in den großen Beratungshäusern. Schon die Personalwerbung zeigt dort, dass karrierebezogene Menschen gesucht werden. Die interessieren sich nun einmal hauptsächlich dafür, wie sie mehr Geld machen können. Das ist aber keine Eigenschaft von IT-Spezialisten, sondern eines bestimmten Menschenschlags.

Und dann gibt es die vielen IT-Spezialisten in kleineren DV-Häusern, wie ich einer bin. Die arbeiten hauptsächlich deshalb engagiert, weil sie die hier angebotenen Freiräume schätzen, nicht weil sie die "unternehmerische Freiheit der Profitmaximierung" suchen. Wenn es diesen Mitarbeitern vorrangig ums Geld ginge, wären die kleinen Häuser längst erledigt.

"In der IT-Szene herrscht zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern das Gesetz von Angebot und Nachfrage" - das ist eine abgeschmackte Trivialität, die überall gilt und überhaupt nichts besagt. Die Leute sind oft nur selbständig, weil Unternehmen und Angestellte Steuern sparen möchten. Bis vor zwei Jahren hat mich jedes Unternehmen als erstes gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, auch freiberuflich zu arbeiten, selbstverständlich mit den vollen Konditionen eines Angestelltenverhältnisses. So viel zur "unternehmerischen Maxime". Das ist auch der alleinige Grund, warum das Gesetz zur Scheinselbständigkeit zu solchem Entsetzen geführt hat - die meisten selbständigen IT-Profis sind in Wirklichkeit nur steuereingesparte Angestellte.

Ich bin in keiner Gewerkschaft und werde auch nicht über mein Unternehmen durch einen Tarifmantel abgesichert. Warum schreibe ich Ihnen dann? Weil Ihre Kolumne an den Tatsachen vorbeigeht und ein falsches Bild bestätigt.

Oliver Dorsch