Breites Band statt langer Leitung

13.11.2001
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
Breitbandige Internet-Zugänge via Kabelmodems und DSL-Technologie erfreuen sich wachsender Beliebtheit. ISDN dürfte nur noch einige Jahre überleben.

Trotz des Zusammenbruchs vieler Internet-Unternehmen in den vergangenen Monaten hält der Drang ins Netz ungebremst an. Dies gilt für große Unternehmen ebenso wie für Privatnutzer, von denen sich viele eine Welt ohne Web nur noch schwer vorstellen können. Allerdings: Das analoge Modem als traditionelle Verbindung zur virtuellen Welt rückt langsam in den Hintergrund, der durchschnittliche Surfer sucht zunehmend umfangreiche Video- und Sounddateien statt herkömmlicher Texte.

Erkki Liikanen: "Die Zukunft des Internet in Europa liegt in den breitbandigen Verbindungen."
Erkki Liikanen: "Die Zukunft des Internet in Europa liegt in den breitbandigen Verbindungen."

"Die Zukunft des Internet liegt in den breitbandigen Verbindungen", so die Einschätzung von EU-Kommissar Erkki Liikanen, der sich dabei auf eine aktuelle Studie seiner Behörde beruft.

Zwar prognostiziert die Untersuchung den breitbandigen Web-Zugängen in Europa generell gute Wachstumschancen. Die Aussichten variieren jedoch stark nach Region und verwendeter Technologie - denn der potenzielle Erfolg einer modernen Verbindungsplattform ist hochgradig von der vorhandenen Netzinfrastruktur eines Landes abhängig. Wo Kupferleitungen im Boden vergraben sind, wird sich das DSL-Verfahren durchsetzen; wo schon länger digitale Satellitentechnik für das Fernsehen im Einsatz ist, kommen die Datenpakete auch aus dem All. Bestes Beispiel hierfür sind die neuen Bundesländer, wo nach der Wende vermeintlich zeitgemäße Glasfaserkabel vergraben wurden, die nun den flächendeckenden Erfolg der Kupfertechnologie DSL verhindern.

Den größten Anteil im Massenmarkt mit Privathaushalten und kleinen Unternehmen können sich die DSL- und die Kabelmodem-Verbindungen sichern. Ab 2005 ist DSL die Plattform der ersten Wahl in Europa mit rund 37 Prozent, gefolgt vom Fernsehkabel mit 18 Prozent. Der analoge Telefonanschluss, der dieses Jahr europaweit noch 79 Prozent Marktanteil verbuchen kann, stellt 2005 nur noch jeden vierten Web-Zugang. Schlecht sieht es auch für ISDN aus, das laut der EU-Studie spätestens im darauf folgenden Jahr kaum mehr eine Bedeutung im Markt haben dürfte.

Hierzulande halten sich hingegen das DSL-Verfahren und das Kabelmodem die Waage, so die Untersuchung. Zwar sei Kabel-TV in Deutschland weit verbreitet, jedoch sei der Markt noch fragmentiert und die Plattform - auch wegen des fehlenden Rückkanals - nicht mehr taufrisch. Laut der Untersuchung können Kabelmodems ihren kleinen Vorsprung vor DSL jedoch auch in den nächsten Jahren halten. 2003 sollen in Deutschland mehr als sechs Millionen Haushalte und Kleinfirmen mit einem Breitbandanschluss ausgestattet sein, der Anteil alternativer Zugangstechnologien liegt lediglich bei rund fünf Prozent.

Konkurrenzverfahren wie direkter Mobilfunk oder digitale Satellitenübertragung, die ohne Rücksicht auf eventuell vorhandene Legacy-Systeme an den Start gehen können, sind risikobehaftet. Es ist keineswegs sicher, dass sich die hohen Investitionen auszahlen werden. Ein möglicher Vorteil sei jedoch, dass die Dienste genau auf die Bedürfnisse einer Zielgruppe zugeschnitten werden können, da sie sich ohne Erblasten flexibler einsetzen lassen.

Ein Beispiel für den anhaltenden Trend zu mehr Bandbreite ist die reine Glasfaserverbindung (Pure Fiber), die gegenwärtig die größte theoretische Übertragungskapazität zur Verfügung stellt. Während die übrigen Verfahren im Mbit-Bereich angesiedelt sind, lassen sich über reine Glasfasern mehrere Gbit/s übertragen. Allerdings sind die Kosten, um eine derartige Infrastruktur bis in die einzelnen Wohnungen zu ziehen, sehr hoch. Trotzdem halten es die Verfasser der Studie für möglich, dass im Jahr 2010 rund 15 Prozent aller EU-Haushalte direkt per reine Glasfaser an ein ebensolches Netz angeschlossen sind. Spätestens von diesem Zeitpunkt dürfte der Stern der Kabelmodems und DSL-Verbindungen wieder sinken.

Dem "Internet aus der Steckdose" hingegen, das nach Angaben der EU-Studie immer noch mit technischen Problemen zu kämpfen hat, werden kaum Überlebenschancen eingeräumt. Seine Übertragungsraten seien begrenzt, zudem gebe es inzwischen eine Reihe besserer Alternativen. Lediglich in Marktnischen könnte sich die Powerline-Technologie durchsetzen, lautet die ernüchternde Bilanz eines ehemals vielversprechenden Ansatzes. Noch völlig fraglich ist die Zukunft von geostationären Zeppelinen als Relaisstationen oder von drahtlosen Lichtübertragungen. Letztere schießen die Daten per Laserstrahl durch die Luft, sind aber nicht so umfassend getestet, dass sich ihr Potenzial abschätzen ließe.

Generell zeigt die Studie, dass die Entwicklung dort am ehesten voranschreitet, wo der Wettbewerb zwischen den unterschiedlichen Plattformen am größten ist. Der Ausbau der Infrastruktur vollziehe sich schneller, zudem seien die Preise dort attraktiver, wo beispielsweise das TV-Kabel in direktem Wettbewerb mit DSL stehe. Darüber hinaus fielen der Erfolg und die Nachfrage nach breitbandigen Zugängen dort am größten aus, wo die Liberalisierung des TK-Marktes im Bereich der letzten Meile weit fortgeschritten sei, so die Untersuchung. Diese Erkenntnise überraschen nicht, denn schließlich hat sich die EU-Kommission stets für eine weit reichende Liberalisierung des Marktes ausgesprochen.

Auch wenn die gesamte Branche noch in den Anfängen steckt, zeichnet sich klar ab, dass die Breitbandwelle bei Privathaushalten und kleinen Unternehmen nicht mehr aufzuhalten ist. Dennoch wird laut EU-Kommission das Ergebnis nur dann überzeugend ausfallen, wenn alle Anbieter aus den Bereichen Infrastruktur, Content und Anwendungen ihre Hausaufgaben machen. Darüber hinaus werde vielfach übersehen, dass noch ein Bewusstseinswandel in der Gesellschaft erfolgen müsse. Gerade die ältere Generation tue sich schwer, die neuen Technologien und ihre Möglichkeiten zu akzeptieren. Der daraus resultierenden Abkapselung müssten die Unternehmen Rechnung tragen und behutsam Angebote entwickeln, die auf die Zielgruppe zugeschnitten seien.

Trotz des prognostizierten Wachstums bei breitbandigen Internet-Zugängen verweisen die Autoren der Studie jedoch am Rande auch auf die Schattenseiten der Entwicklung: Die Technologie berge die Gefahr, die Spaltung der Gesellschaft ("Digital Divide") zu vertiefen. Auf der einen Seite ständen diejenigen, die sich derartige Dienste und damit auch alle relevanten Informationen leisten könnten. Andererseits müssten ärmere Einwohner aus Regionen, die nicht an die Hochleistungsnetze angeschlossen sind, künftig auf die elektronische Verbindung zur Außenwelt verzichten.

Download

Die ausführliche Breitbandstudie der EU-Kommission steht im Internet kostenlos zum Herunterladen zur Verfügung (164 Seiten, Englisch). Aufgeschlüsselt wird der Markt nach Ländern, Technologien sowie einigen dominanten Anbietern.

http://europa.eu.int/information_society/eeurope/news_library/new_documents/broadband/index_en.htm