Brauchen wir eine Zuverlässigkeits-Börse?

23.06.1978

"Verfügbarkeit soll vergleichbar werden" - unter diesem Motto steht die geplante CW-Aktion "Zuverlässigkeitsbörse", bei der wir auf die Mithilfe der Anwender angewiesen sind. Mit einer "Thema der Woche"-Blitzumfrage wollten wir testen, ob die Idee ankommt. Die befragten Anwender, deren Statements wir hier abdrucken, stehen dieser Problematik noch etwas skeptisch gegenüber, sehen aber wohl die Vorteile, die eine "Zuverlässigkeits-Hitliste" mit sich bringen würde. Sie bezweifeln allerdings die objektive Aussagekraft einer solchen Börse und fragen sich - mit Recht - , ob denn ausreichend viele Anwender bereit wären, die nötigen Informationen zu liefern. Vereinzelt wird der Nutzen einer "Zuverlässigkeits-Börse" grundsätzlich bezweifelt: Denn wenn sie nur eine "Solidarisierung der Leidensgenossen" zur Folge hätte, wie es der Leiter einer EDV-Abteilung formulierte, könnte der Anwender ohnehin nicht davon profitieren.

Roland Bleicher

EDV-Leiter, Magirus-Deutz AG, Ulm

Ich gehe davon aus, daß hier nicht ein Börsenablauf mit täglichem aktuellem Stand gemeint ist, sondern eine Informationssammlung über einen gewissen Zeitraum. Dazu sollte man sich drei Fragen stellen, die für jedes Archiv gelten.

1. Welchen Nutzen bringt die gespeicherte Information? Störungen - nach Hersteller, Gerät und Betriebssystem aufgegliedert - sind sicher hochinteressant für den Gebrauchtcomputermarkt. Für bereits installierte Geräte bringt es nicht viel mehr als eine Solidarisierung der Leidensgenossen, und eine Entscheidung für ein in 12 Monaten zu lieferndes Gerät wird eine vier Monate alte Information aus einer Datenbank kaum beeinflussen. Dazu fehlt mir zu dieser Information der Hintergrund.

2. Wer trägt die Kosten (und sorgt für neutrale Bearbeitung)? Lassen wir unsere Phantasie lieber in der Schublade.

3. Ist eine brauchbare Informationsspeicherung möglich? Eine objektive, vergleichbare Meldung über Ursachen von Ausfällen der CPU, der Peripherie und des Betriebssystems ist meiner Ansicht nach sehr unwahrscheinlich. Nach einigen Jahrzehnten Datenverarbeitung glaube ich niemals auf Anhieb an einen Maschinenfehler. Techniker, Systembastler, demotiviertes Operating sind genauso Imponderabilien wie Chefs, die nie Pannen haben. Wie soll das erfaßt und ausgewertet werden.

Vielleicht kann die Computerwoche jedes Jahr die goldene Zitrone für die Maschine mit den meisten Ausfällen verleihen. Das kostet nichts und macht noch Spaß. Die Bestellung einer IBM 3032 oder Honeywell DPS kann sie damit genausowenig beeinflussen wie eine Zuverlässigkeitsbörse.

Klaus Borgmann

EDV-Leiter, Cramer & Meermann GmbH & Co. KG

Wir haben seit Juli 1976 das Nixdorfsystem 8870 als reine Batchanlage und eine 620/35 für die Datenerfassung. Die beiden Systeme sind per Leitung miteinander verbunden. Sie sind bisher zweimal ausgefallen - jeweils für eine Dauer von fünf Minuten. Wir hatten einmal Ärger beim Einsatz eines neuen Betriebssystems. Da waren fast drei Tage notwendig, um Indexdateien neu zuzuweisen und neu aufzubereiten. Es wäre natürlich schon interessant, eine "Zuverlässigkeitsbörse" einzurichten. Wir wollen in absehbarer Zeit Kassenterminals installieren. Gerade hier könnte man Werte aus einer solchen Börse gut verwerten, denn für Kassensysteme ist es sehr wichtig, die Sicherheit in Betracht zu ziehen ebensowie die Software. Da spielt die Betriebsbereitschaft eine wesentlich wichtigere Rolle als bei einer Batch-Anlage. Hier kann ich es verantworten, wenn das System einmal ausfällt. Aber die Kassenterminals müssen quasi ständig betriebsbereit sein.

Grundsätzlich glaube ich schon, daß eine Zuverlässigkeitsbörse einen durchaus positiven Charakter hätte. Es kommt allerdings darauf an, ob die Anwender bereit sind, die entsprechenden Informationen zu liefern. Ich glaube auch kaum, daß die Hersteller da ohne weiteres mitspielen würden.

Die Kennwerte sollten sich allerdings nicht nur auf die technische Betriebsbereitschaft beschränken, denn gerade die Verfügbarkeit der Betriebssysteme spielt auch eine ganz wesentliche Rolle. Und die Systeme müßten in ihrer Eigenschaft untergliedert werden. Es reicht nicht, zu sagen, die Aggregate der Firma Nixdorf eine Betriebsbereitschaft, die liegt bei 95 Prozent und die bei Kienzle bei 98 Prozent. Hier muß differenziert werden. Darüber hinaus müßte ein Prioritätenkatalog erstellt werden. Denn - wie ich bereits erwähnte - beim Kassensystem hat die Betriebsbereitschaft einen ganz anderen Stellenwert als bei der 8870.

Entscheidend ist auch, daß eine große Masse von Anwendern ihre Daten abgibt, sonst bekommt man ja nur einen begrenzten Überblick. Und es wird sicherlich bei jedem Hersteller Anwender geben, die dem System am liebsten die gelbe Zitrone geben würden, und es gibt auch solche, die sagen, unser System ist der Mercedes. Da muß man sich für ein gewogenes Mittel entscheiden.

Max Neuß

Hauptabteilungsleiter Organisation, Motoren-Werke Mannheim AG, Mannheim

Die Zuverlässigkeit der DV Anlagen muß noch erheblich großer werden. Manchmal kommt einem die moderne Bildschirm-Technik vor wie die Technik der Automobile von 1910, die ja auch schon fahren konnten.

Mit steigendem Anteil an Direktverarbeitung wird die Zuverlässigkeit der im Prinzip ja hervorragenden und jetzt auch billigeren Bildschirmtechnik immer mehr zum Problem aller Beteiligten, nicht nur der EDV-Profis.

Objektive Meßgrößen für Störanfälligkeit, gleich welcher Ursache, bei EDV-Anlage und Peripheriegeräten der Hersteller sind sehr zu wünschen,

jedoch sind die technischen Einflußgrößen sehr vielschichtig, einschließlich anfänglicher Unerfahrenheit der eigenen EDV Truppe.

Ob nur teure Duplex-Anlagen tatsächlich Abhilfe bringen, ist

wohl zu bezweifeln. Als Anwender müssen wir fordern, daß Zuverlässigkeit mindestens so großgeschrieben wird wie die Entwicklung neuer Hard- und Software mit erstmals wohl wieder den alten Problemen. Wir sind zwar - insgesamt - nicht unzufrieden mit dem Service der bei uns gemixten Maschinen von IBM, Nixdorf, BASF, SEL und anderen, aber Image und Wirtschaftlichkeit der EDV lassen sich mit höherer Betriebssicherheit noch verbessern.

Alfred Huber

EDV-Leiter, Agip Aktiengesellschaft, München

Dieses Thema ist in zwei Punkte zu gliedern: Hardware - Software. Generell kann dazu gesagt werden, daß derjenige der sich mit der Terminierung und Planung von DV-Systemen zu beschäftigen hat, die Ausfallrisiken, die jedoch größtenteils hinter der Hardware stecken, nicht in seiner Planung mit berücksichtigen kann. Von seiten der Hardware können sich aus dieser Situation insbesondere bei längeren Maschinenausfällen ganz einschneidende Auswirkungen auf die laufende Produktion ergeben. Um diesem Spannungsfeld zwischen Hersteller und Anwender möglichst sachlich entgegenwirken zu können, sind wir in beiderseitigem Einvernehmen bemüht, eine lückenlose Aufzeichnung der Maschinenstörungen im Logbuch zu erreichen. Gott sei Dank sind wir bisher noch nie in die Lage gekommen, das Logbuch als Nachweis für ernsthafte Gespräche mit dem Hersteller heranziehen zu müssen. Es ist jedoch durchaus vorstellbar, daß bei der Durchsetzung von eventuellen Gewährleistungsansprüchen aus dem Mietverhältnis oder Wartungsvertrag mit dem Hersteller heraus diese Aufzeichnungen von bedeutender Wichtigkeit sein können. In unserem Hause bedienen wir uns bei der Führung des Logbuchs der Unterlagen des Herstellers, wobei eine zweifache Registrierung der Anlagenstörungen vorgenommen wird. Eine manuelle Aufzeichnung durch den Operator und eine DV-technische Speicherung der in die Leitstelle des technischen Außendienstes gemeldeten Informationen. Im Innenverhältnis können bei längeren Hardware-Ausfällen diese Aufzeichnungen auch als Rechtfertigung für nicht termingerecht erbrachte Leistungen herangezogen werden. Softwareseitig ist das Problem etwas anders gelagert. Da der Anwender insbesondere bei der Eigenentwicklung grundsätzlich vor Einsatz des Softwareproduktes die Möglichkeit zum Testen hat. Hier liegt also die Initiative mehr beim Anwender als beim Hersteller. Selbstverständlich werden auch bei uns sämtliche Programmänderungen dokumentiert und zusätzlich tabellarisch erfaßt. Abschließend kann gesagt werden, daß zu der Erstellung der Historie und für das Erkennen, von sachlichen Zusammenhängen das Führen von Aufzeichnungen über die Zuverlässigkeit von DV-Systemen unumgänglich ist.