Spreadsheet zu 280 Mark für Billig-PCs

Borland bedrängt Lotus an der Preis- und Low-end-Front

29.06.1990

SCOTTS VALLEY (CW) - Softwareanbieter Borland attackiert derzeit Lotus Development mit aggressivem Marketing für das Produkt Quattro Pro. Hierzulande will die Borland GmbH dem Kunden durch einen Einführungspreis von 282 Mark für die Spreadsheet-Software abspenstig machen; die 1-2-3-Version 2.2. von Lotus kostet 1700 Mark.

In den USA ist Borland noch billiger: Für 99 Dollar verschickt der Anbieter eine Quattro-Pro-Kopie, vorausgesetzt, die Empfänger waren vorher Lotus-Kunden. "Unsere Strategie ist es, mit Lotus-Upgrades zu konkurrieren", gibt Borland-CEO Phillipe Kahn die Richtung vor. Diese kosten für bisherige 1-2-3-User in der Regel etwas weniger als 150 Dollar, wie das "Wall Street Journal" berichtet. Das Produkt ist nach Herstellerangaben in der Lage, mit der Lotus-Software Daten auszutauschen und begnügt sich mit weniger Speicherplatz als 1-2-3.

Diese Positionierung der Borland-Software legt gleichwohl die Vermutung nahe, daß Großkunden die Domäne von Lotus bleiben werden. Dieser Ansicht sind amerikanische Beobachter. Quattro Pro findet seine Anwender eher in kleinen und mittelständischen Unternehmen, die das Produkt in den meisten Fällen direkt vom Hersteller anstatt über Distributoren beziehen. Letzteres gilt auch für den deutschen Markt. Wolfgang Kobek, Produktmanager Business-Produkte bei Borland in München: "Die Distributoren zieren sich ein wenig bei unserer Aktion, weil sie dabei nicht viel verdienen können."

Die Lotus Corp. traut Borland nicht zu, die Aktion lange durchstehen zu können: "Die Frage ist doch langfristig, ob sie das Geschäft zum Preis von 99 Dollar durchhalten können", zweifelt Frank Igari, Chef der Spreadsheet-Division von Lotus. Außerdem: Lotus plane, im dritten Quartal ein 1-2-3-Upgrade herauszubringen, das "tödlich für Borland" sein soll.

Kahn besteht dagegen darauf, daß Borland mit Quattro Pro Gewinn erziele; der Aufwand pro Kopie liege nur bei zehn Dollar. Sein deutscher Statthalter Wolfgang Kobek von der Borland GmbH in München hält darum die Preise für Standardsoftware wie Quattro Pro oder 1-2-3 schon lange nicht mehr für gerechtfertigt und prognostiziert einen Preisverfall. Das Spreadsheet-Produkt seines Unternehmens werde, wenn das Einführungsangebot ausgelaufen ist, 1482 Mark kosten.

Bei der Lotus Development GmbH hat man seit der Markteinführung von Quattro Pro, daß Lotus-Geschäftsführer Willi Söhngen im übrigen für ein "ganz ordentliches Produkt" hält, keinen Rückgang des 1-2-3-Verkaufs festgestellt. Die beiden Produkte, so Söhngen, seien in bezug auf ihre Zielgruppe auch kaum miteinander vergleichbar. Gleichwohl hält er das Spreadsheet-Dumping des Konkurrenten für eine zweifelhafte Marketingmaßnahme.