Finanzsoftware-Spezialist krempelt Strategie und Produktportfolio um

Börsenneuling NSE blieb bei Umsatz und Gewinn vieles schuldig

25.02.2000
von Andrea Goder* München (CW) - Eine nur verhaltene Geschäftsentwicklung, Verzögerungen bei der Produktentwicklung, verärgerte Kunden, Management-Querelen - für die Münchner NSE Software AG war 1999 kein einfaches Jahr. Umstrukturierungsmaßnahmen sollen den Softwareanbieter für die Finanzbranche jetzt wieder auf Vordermann bringen.

Das letzte Geschäftsjahr stand für den Börsenneuling NSE nicht unbedingt unter einem günstigen Stern. "Wir haben die gewünschte Performance nicht erreicht", lautete das Fazit von Finanzvorstand Peter Päselt auf der Bilanzpressekonferenz in München. Lange Gesichter gab es vor allem auf Investorenseite, denn die Aktie des seit April 1999 am Neuen Markt notierten Unternehmens liegt mit rund 40 Prozent unter Emissionspreis eindeutig im Minus.

Das nicht ohne Grund. Mit 65,3 Millionen Mark betrug der Umsatz 1999 deutlich weniger als die ursprünglich erwarteten 81 (Vorjahr: 58,3) Millionen Mark. Hauptumsatzträger war mit 60 Prozent der Bereich Customizing. 28 Prozent der Einnahmen entfielen auf Softwarelizenzen, zwölf Prozent auf Wartungsaufträge. Auch das Ergebnis vor Steuern blieb mit 5,7 (6,3) Millionen Mark hinter den Prognosen zurück.

Für die schleppende Geschäftsentwicklung waren laut Vorstandschef Friedrich Nerb, der erst im Dezember seinem Bruder Manfred Nerb auf den Chefsessel folgte, mehrere Gründe ausschlaggebend. Ins Schlingern geriet das Münchner Softwarehaus vor allem durch Verzögerungen bei der Produktentwicklung. Wiederholt musste die Auslieferung der Web-basierten CRM-Lösung "Finas Enterprise", eine für Banken und Versicherungen konzipierte Standardsoftware für den Point of Sale, verschoben werden. Die aufgetretenen Softwareprobleme trieben nicht nur die Entwicklungskosten in die Höhe, auch diverse Aufträge mussten in der Folge verschoben werden. In einem Fall kam es sogar zur Vertragsauflösung mit dem Kunden. Die damit verbundene außerordentliche Ergebnisbelastung belief sich den Angaben zufolge auf 4,8 Millionen Mark.

Um die Schwierigkeiten auf Produktseite in den Griff zu bekommen, wurden in den letzten Monaten Kapazitäten aus dem Projektgeschäft abgezogen und in der Entwicklung eingesetzt.

Fehler räumte der Vorstandschef auch bei der Zusammenar-beit mit Partnern ein, wo Synergien nicht genutzt wurden. Die auslaufende Produktgeneration "Finas Classic" machte außerdem höhere Kulanzleistungen erforderlich. Zu sehr habe man sich auch auf die Vermarktung der Back-Office-Lösung "Finas Enterprise" konzentriert und damit den Vertrieb von existierenden Komponenten, etwa im Call-Center-Bereich, vernachlässigt. Gravierender dürfte allerdings die Tatsache sein, dass das Management die über Monate andauernde Pannenserie nicht in den Griff bekam. Querelen auf Vorstandsebene blieben zuletzt nicht aus. Mit der Folge, dass bis auf Finanzvorstand Päselt die gesamte Vorstands-Crew ausgewechselt wurde.

Mit einer, so Nerb, "schlüssigeren Strategie" soll das Unternehmen jetzt wieder auf Trab gebracht werden. Konzentrieren wollen sich die Münchner dabei vor allem auf ihre Kernkompetenzen. Strategische Beratung und Softwareentwicklung lassen sich nach den Worten Nerbs nur schwer unter einem Dach vereinen. Consulting-Aufgaben werden deshalb in Zukunft Partnern übertragen. Zudem sollen künftig die Bereiche Vertrieb und Projektgeschäft klar getrennt werden.

Die eingeleiteten strukturellen Veränderungen sind vor allem angesichts der sich verschärfenden Wettbewerbssituation dringend notwendig. Neben deutschen Mitbewerbern wie CPU, Genesis, COR oder Heyde (und mit Einschränkungen auch Brokat und Datadesign) entdecken immer mehr auch globale Anbieter den Markt für Finanzsoftware-Lösungen - darunter Oracle, Peoplesoft/Vantive, SAP und Siebel. Um langfristig gegen diese Player bestehen zu können, planen die Münchner auf Produktseite strategische Allianzen mit dem Schwerpunkt E-Business. Eine Erweiterung des Produktportfolios erscheint vor allem in Bereichen wie WAP, One-to-One-Marketing, vertikale Portale und Virtual Communities zwingend.

Ziel der Münchner ist es, sich durch Kooperationen und Akquisitionen langfristig einen Platz als europäischer Anbieter zu sichern. Die laufende Umstrukturierung soll sich bereits in diesem Jahr auch in positiveren Zahlen niederschlagen. 102 Millionen Mark Umsatz sind für das Geschäftsjahr 2000 geplant (plus 60 Prozent) - ein Wert, der sich bis 2002 auf 200 Millionen Mark verdoppeln soll.

*Andrea Goder ist freie Journalistin in München.