Beteiligung auf 75 Prozent erhöht, US-Akquisition geplant

BMW macht Softlab zur Basis eines eigenen Software-Bereichs

14.02.1992

MÜNCHEN (qua) - Die Bayerische Motoren Werke AG (BMW) hat ihre Beteiligung an der Münchner Softlab GmbH von 40 auf 75 Prozent erhöht und wird den "Maestro"-Entwicklern - voraussichtlich noch in diesem Jahr - eine US-Software-Company zur Seite stellen. Koordiniert wird der neue Diversifikationsbereich von einem Gremium mit Holding-Funktion, dem unter anderen der amtierende Sprecher der Softlab-Geschäftsführung, Klaus Neugebauer, angehört.

Bares war bei diesem Deal offenbar nicht das vorrangige Motiv: Da BMW die neuen Anteile von den Softlab-Gründern Klaus Neugebauer und Gerhard Heldmann erwarb, blieb die Kapitalseite des Münchner Software-Unternehmens davon unberührt.

Allerdings räumt Neugebauer ein, daß das Software-Unternehmen auf längere Sicht gezwungen sein werde, sich weitere Kapitalmittel zu beschaffen. So sei beispielsweise auch der Gang an die Börse weiterhin Gegenstand der Diskussion.

Die jüngste Softlab-Bilanz sieht nicht allzu glanzvoll ans: Auch im vergangenen Jahr mußte das Unternehmen für Forschung und Entwicklung (FuE) mehr ausgeben, als Neugebauer für sinnvoll hält; statt maßvoller 15 bis 20 Prozent des Umsatzes steckten die Münchner im Geschäftsjahr 1990/91 fast ein Viertel ihrer Einnahmen (24,5 Prozent) in den FuE-Bereich. Als Begründung nannte Neugebauer - wie bereits im Jahr zuvor (siehe CW Nr. 6 vom 8. Februar 1991, Seite 6) - vor allem die verspätete Fertigstellung der Anwendungsentwicklungs-Umgebung "Maestro II". Mittlerweile ist das Produkt jedoch lieferbar und bereits bei 45 Unternehmen installiert.

Nicht zuletzt wegen der hohen FuE-Investitionen fiel der Profit für den Berichtszeitraum vom 1. Oktober 1990 bis zum 30. September 1991 noch magerer aus als der schon recht schmale Vorjahresgewinn. Mit 4,6 Millionen Mark verdiente Softlab rund ein Viertel weniger als im Geschäftsjahr 1989/90.

Lag der aktuelle Jahresumsatz mit 146,2 Millionen Mark deutlich (12,46 Prozent) über dem des Vorjahres (130 Millionen Mark), so sank doch die Produktivität: Im jahresdurchschnitt beschäftigte das Münchner Software-Unternehmen 1990/91 rund 650 Mitarbeiter (Stand 30. September: 710), von denen - rein rechnerisch - jeder 224000 Mark umsetzte; analog dazu hatte der Pro-Kopf-Umsatz im Jahr zuvor 240000 Mark betragen.

Enttäuschend entwickelte sich das Auslandsgeschäft: Im vergangenen Jahr trugen die ausländischen Softlab-Niederlassungen nur 36 Prozent zum Umsatz bei, während dieser Anteil 1989/90 noch bei 43 Prozent gelegen hatte. Neugebauer begründet diese rückläufige Entwicklung damit, daß die externen Tochtergesellschaften aufgrund des knappen Angebots an qualifiziertem Personal nicht schnell genug ausgebaut werden konnten.

Recht unscheinbar nimmt sich insbesondere der US-Umsatz der bayerischen Softwareschmiede aus: Auf das Konto der Softlab Inc. mit Sitz in San Francisco gingen 1990/91 lediglich 3,5 Millionen Mark beziehungsweise 2,4 Prozent der Gesamteinnahmen.

Gerade vom US-Markt erhoffen sich die Münchner jedoch die für ihr spezifisches Angebot besten Absatzchanchen. In den Vereinigen Staaten entwickeln, so Neugebauer, bereits 20 bis 30 Prozent der Unternehmen ihre Anwendungen mit Hilfe von CASE-Technologie - im Gegensatz zu Deutschland, wo dieser Anteil nur 15 Prozent betrage, sowie Japan, das bei einem CASE-Einsatz von lediglich drei bis fünf Prozent in Sachen Softwareproduktion geradezu als Entwicklungsland erscheint.

Den nordamerikanischen Markt innerhalb eines akzeptablen Zeitrahmens aufzurollen, dürfte Softlab aus eigener Kraft kaum schaffen.

Deshalb hat sich BMW-Finanzvorstand Volker Doppelfeld bereits auf die Suche nach einem geeigneten Übernahme. Kandidaten gemacht. Dabei will er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Der designierte Partner soll den Münchner Softwerkern nicht nur den US-Markt öffnen, sondern ihnen auch noch dabei helfen, ihre Produktionstiefe zu verringern.

Wie Neugebauer erläutert, interessiert sich BMW dabei nur für "solche Unternehmen, die zum Kerngeschäft passen". Obschon Softlab immer noch mehr als die Hälfte des Umsatzes aus dem Projektgeschäft generiert, zielt die Diversifikationsstrategie der BMW AG vor allem auf den CASE-Bereich. Der Wunschpartner sollte demnach die Integrationsplattform "Maestro" um Werkzeuge in den Bereichen Upper CASE (Analyse und Design) sowie Lower CASE (Code-Generierung) ergänzen.

Namen wollte Neugebauer noch nicht nennen "um den Preis nicht in die Höhe zu treiben". Diese Formulierung grenzt den Kreis der in Frage kommenden Unternehmen zumindest auf diejenigen ein, die an der US-Börse notiert sind. Laut Neugebauer führt Doppelfeld derzeit Gespräche mit "zehn bis 15" potentiellen Partnern.

In der Notwendigkeit einer US-Akquisition ist wohl auch der Grund dafür zu suchen, warum die Softlab-Gründer ihr finanzielles Engagement zugunsten von BMW reduziert haben und, wie Neugebauer andeutet, auch gegen eine vollständige Übernahme nichts einzuwenden hätten.

Softlab allein wäre nicht in der Lage, so der Firmensprecher, ein Unternehmen von der eigenen Größenordnung zu übernehmen.

Wenn alles nach Plan verläuft, wird Softlab zur Keimzelle einer BMW-Software-Division. Die Koordination zwischen Softlab und dem künftigen US-Partner übernimmt dann ein Gremium, das faktisch - wenn auch nicht juristisch - die Funktion einer Holding ausübt.

Neben Neugebauer sollen diesem Koordinations-Team die Softlab-Geschäftsführer Rainer Frölich und Duncan Moore sowie der (Ex-)BMW-Manager Christoph Knott angehören; Knott übernimmt Anfang März das Softlab-Ressort Finanzen und Controlling, da Neugebauer sich aus dem Tagesgeschäft zurückziehen, will. Ebenfalls neu in der Softlab-Geschäftsführung ist Arnold Stein, der seit dem 1. Februar die Verantwortung für das Produktgeschäft trägt.

Offene Fragen

Daß Fertigungsbetriebe in den "weichen" Markt einsteigen, ist bereits ein alter Hut. Auch dafür, daß ein branchenfremdes Unternehmen einen großen deutschen Software-Anbieter übernimmt, gibt es bereits ein Beispiel: Im September 1987 baute die Daimler-Tochter AEG ihren 50-Prozent-Anteil an der Gesellschaft für Elektronische Informationsverarbeitung mbH (GEI) zu einer satten Dreiviertelmehrheit aus, um sich wenig später auch den Rest einzuverleiben.

Von dem AEG-GEI-Deal unterscheidet sich das BMW-Engagement bei Softlab vor allem in einer Hinsicht: Softlab ist - Produktgeschäft hin, Projektgeschäft her - ein relativ homogenes Unternehmen mit einer auf den ersten Blick erkennbaren Entwicklungsrichtung, während die GEI-Aktivitäten zum Zeitpunkt der Übernahme ausgesprochen weit gestreut waren.

BMW verfolgt offenbar eine langfristig angelegte Diversifikationsstrategie, wie sie bei anderen Software-Quereinsteigern - Daimler eingeschlossen - nicht unmittelbar auszumachen ist. Der allmähliche Einstieg in die Softlab GmbH - vom ersten schüchternen Zehn-Prozent-Antrag 1987 über das 40-Prozent-Engagement 1990 bis jüngsten 75-Prozent-Commitment spricht für sich: Wenn der blauweiße Automobilhersteller etwas nicht will, dann ist es, sich Hals über Kopf in ein Abenteuer zu stürzen - nur, um endlich auch eine Software-Company zu sein.

So hat das BMW-Management denn auch schon festgefügte Pläne, wie es sein zweites Diversifikations-Standbein kräftigen will. Offenbar sieht der bayerische Daimler-Konkurrent sein Heil in der Beschränkung: Anstatt ein Bröckchen hier, einen fetten Happen dort zu naschen, erlegt er seinen Software-Aktivitäten eine CASE-Diät auf.

Soweit die Theorie. Inwieweit sich diese ehrgeizigen Pläne verwirklich lassen, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Vor allem zwei Fragen bleiben offen. Zum einen: Wo ist das Software-Unternehmen, das sowohl auf dem Sektor Upper CASE als auch im Bereich Lower CASE gleich gute Produkte zu bieten hätte? Zum anderen: Welcher kerngesunde Software-Anbieter - und nur ein solcher kommt für BMW in Frage - läßt sich für einen akzeptablen Preis an der US-Börse erwerben? Da werden die Münchner lange suchen müssen, wenn sie keine Kompromisse eingehen wollen! qua