Bürokommunikation bekommt allmählich einen hohen Stellenwert

BK-Marktstudie reflektiert den heutigen Stand der Dinge

07.09.1990

Was bedeutet Bürokommunikation (BK) im Unternehmensalltag - jenseits von Hochglanzprospekten der Hersteller und den Wunschvorstellungen der Anwender? Eine vom Münchner Institut für Organisationsforschung und Technologieanwendung (IOT) veröffentlichte Studie** kann einige Antworten auf diese Fragen geben.

Die Frage nach der Bedeutung der BK hat für die Mehrheit der Befragten ergeben, daß BK in ihrer Organisation einen hohen Stellenwert einnimmt und man sich bereits mit der Umsetzung befaßt. Für einen weit geringeren Prozentsatz spielt BK im Moment noch eine untergeordnete Rolle, man werde sich aber in naher Zukunft damit auseinandersetzen. Nur zehn Prozent der Unternehmen antworteten, sich noch nicht mit BK-Komponenten befaßt zu haben.

Die allgemein durchaus kontroverse Diskussion über die Extension des Themas BK wird bestätigt. Eine stringente Abgrenzung definitiver Funktionsfelder vom BK-Thema wird immer nur von Teilen der Expertengemeinde mitgetragen, lediglich bezüglich einiger weniger Kernfelder besteht nahezu lückenlose Einigkeit:

Abbildung 1 zeigt, daß Textverarbeitung und Electronic Mail von fast allen Befragten als die BK-Kernthemen bezeichnet werden. Kaum im Hintertreffen sind auch die folgenden Funktionalitäten: integrierte Dokumentenverarbeitung und Archivierung/Retrieval. In diesem Resultat sehen wir ein klares Votum der Praxis für die dringende und unmittelbar bevorstehende Reform entscheidender Aktionsfelder im Büro: Parallel zur sog. reinen Textverarbeitung wird die (Mixmode) Dokumentenverarbeitung zunehmend an Bedeutung gewinnen. Außerdem muß nun einem Grundübel in der Effizienzbilanz des Büros der Verwaltung von Dokumenten und ihrer Wiedergewinnung unwiderruflich zu Leibe gerückt werden.

Ein wichtiges Anliegen der durchgeführten Marktstudie war es, mehr Transparenz hinsichtlich der vergangenen, gegenwärtigen und der zukünftigen Investitionsbereitschaft in BK-Technologien (Hard-, Soft- und Orgware) zu erlangen. Als Beobachtungszeiträume wurden daher unter anderem die getätigten Investitionen bis 1989 und die insgesamt geplanten Investitionen bis 1992 vorgegeben.

Abbildung 2 gibt die Ergebnisse bezüglich der bisherigen Investition in die Hardware-Systemkomponenten wieder. Es ist zunächst einmal erkennbar, daß zirka 30 Prozent der befragten Unternehmen zu den genannten HW-Systemkomponenten keine Investitionen getätigt haben beziehungsweise keine eindeutige Vorstellung über die jeweilige Investitionshöhe vorliegt, so daß keine Angaben gemacht werden konnten. Für die Vergangenheit ergibt sich ein eindeutiger Investitionsschwerpunkt für die Zentralsysteme (Rechner, Datenbanken oder Applikationen, die für das gesamte Unternehmen zur Verfügung stehen, zum Beispiel Host-Rechner). Mehr als 40 Prozent aller Befragten, die Investitionen in Zentralsysteme dokumentiert haben, ist der Gruppe der Viel-Investierer (Investitionen von > 500 Tsd.) zuzurechnen. Vom Investitionsvolumen nehmen die Hintergrundsysteme (vor die zentralen Systeme gelagerten Rechner oder Datenbanken, zum Beispiel Abteilungsrechner, Server) den zweiten Rangplatz ein. Das "Schlußlicht" Vernetzungssysteme spiegelt die Tatsache wider, daß der Vernetzungsgedanke im BK- und DV-Sektor als vergleichsweise neu angesehen werden muß und daher die bisherigen Investitionen in diesem Sektor verständlicherweise vom Volumen her nicht so ins Gewicht fallen. Die durchschnittliche Investitionssumme für Arbeitsplatzsysteme liegt bei 10 670 Mark.

Die Ergebnisse zu den bis 1992 geplanten Investitionsbudgets sind in Abbildung 3 wiedergegeben.

Vergleicht man die Werte mit den bisherigen Investitionen, so können folgende Tendenzen festgehalten werden:

- Bei den Zentralsystemen verringert sich das Gesamtinvestitionsvolumen; erkennbar daran, daß der Anteil der Viel-Investierer" (500 Tsd.) nennenswert zurückgeht.

- Bei den Hintergrundsystemen ist insgesamt gesehen ein nahezu gleichbleibendes Investitionsverhalten festzustellen. Bei den Vernetzungssystemen ist ein geringfügiges Anwachsen der Investitionsmittel zu vermerken.

- Am sichersten sind sich die Unternehmen bezüglich der Investition in Arbeitsplatzsysteme (insgesamt haben 77 Prozent der Unternehmen Mittel hierfür eingeplant). Jedes fünfte Unternehmen hat hier Beträge von weit mehr als 500 Tsd. vorgesehen .

Eine durchgeführte "Bewegungsanalyse" läßt folgende zusätzliche Aussagen zu:

Für die Hintergrund- und Vernetzungssysteme wollen die bisherigen "Wenig- und Mittel-lnvestierer" (bis 1989) zukünftig mehr Gelder bereitstellen. Für die Arbeitsplatzsysteme ist eine generelle Bereitschaft vorhanden, mehr zu investieren, dies gilt in besonderem Maße für Banken und Versicherungen. Trotz des bereits relativ weitverbreiteten Einsatzes von Arbeitsplatzsystemen hält die Investitionsneigung an, wobei hierunter auch der Austausch alter "dummer" Terminals durch komfortablere, benutzerfreundlichere Systeme fällt.

Bei den Software-Anwendungen gehört von den Steigerungsraten her gesehen vor allem der Kommunikation und der Informationsspeicherung und -gewinnung die Zukunft. Allgemeine Anwendungen (wie zum Beispiel Text, Grafik und andere mehr) werden von der Gesamthöhe der Investition weiterhin die erste Stelle einnehmen, da in diesem Bereich vor allem für kleinere Unternehmen ein immenser Nachholbedarf vorliegt, während die Großunternehmen bereits in komfortable Ersatzlösungen (zum Beispiel integrierte Anwendungen) investieren.

Planung und Einführung lassen zu wünschen übrig

Die Zusammensetzung der gesamten Investitionen in BK bezüglich Hardware, Software und Orgware wird zunehmend durch die Orgware-Anteile bestimmt. Die Marktstudie bestätigt eindeutig den Trend, daß in wenigen Jahren der Anteil der Hardware-Kosten geringer als der der Software- und Orgware-Kosten sein wird.

Hauptmanko bei der Planung und Einführung ist eine angemessene organisatorische Einbindung/Integration der Systeme.

Obwohl die Ausgaben für den Bereich Orgware steigen, ist die Bereitschaft der Anwender, auch tiefgreifende Veränderungen ihrer ablauf- und aufbauorganisatorischen Gegebenheiten vorzunehmen, nach wie vor unzureichend. Inzwischen ist die Aussage "Bürokommunikation darf nicht die Elektrifizierung der Ist-Situation sein" zwar in aller Munde, eine ernsthafte Umsetzung wird in der Praxis häufig unterlassen.

Aufgrund der Tatsache, daß in vielen Unternehmen sowohl das organisatorisch-analytische Know-how als auch die qualifikatorischen Voraussetzungen für die neuen innovativen BK-Anwendungen fehlen, werden die Hersteller von BK-Lösungen gezwungen sein, nicht nur reine Techniklieferanten zu bleiben, sondern vielmehr ihre Kapazitäten (qualitativ und quantitativ) auf ein verbessertes Dienstleistungsangebot auszurichten (Schulungen, Beratung, Analyse, Betreuung, Service etc.).

Die Frage nach den gewählten Einführungstrategien hat gezeigt, daß sich zwei von einander grundverschiedene "Modelle" finden lassen: Neben der Planung der BK von oben mit einer strategischen Zielsetzung werden häufig auch BK-Komponenten als direkte Reaktion auf spezifische Anwenderbedarfe realisiert, ohne daß dafür ein umfassendes Rahmenkonzept für die ganze Organisation zugrundegelegt wird. Folge des zweiten Modells ist nicht selten, daß der Überblick über die vorhandene Technik verlorengeht und der sprichwörtliche "Technikzoo" entsteht.

Ein gravierendes Problem stellen die Qualifikationsdefizite der Anwender dar, und zwar sowohl auf der individuellen Ebene als auch auf Unternehmensebene. Wie überhaupt der Komplex "Schulung" an unterschiedlichen Stellen von den Befragten immer wieder als Problembereich aufgegriffen wird.

Durch die BK-Anwendungen stehen die Unternehmen bezüglich ihres Mitarbeiterpotentials vor einem "qualifikatorischen Quantensprung". Eine rasche Behebung der Defizite ist unbedingt notwendig, wenn man nicht schmerzhafte (und teure) Rückschläge erleben will.

Ein weiteres Problem ergibt sich aus den von den Anwendern als mangelhaft beklagten Services und Beratungsleistungen der Hersteller. Durch die nicht eingehaltenen Versprechungen fühlen sich die Anwender oft verschaukelt. Die Verärgerung auf seiten zahlreicher Anwender scheint uns gerechtfertigt. Wohl wissend, daß die Erwartungen und formulierten Anforderungen mancher Anwender überzogen sind, wäre es für die BK-Hersteller unter Einbehalt insgesamt gesehen besser, wenn sie zu manchen Wünschen häufiger sagen würden, "nein, das geht nicht."