Deutscher IuK-Markt soll ab 2004 wieder Fahrt aufnehmen

Bitkom-Chef Berchtold gibt Entwarnung

03.10.2003
BERLIN (CW) - Mit einer vergleichsweise optimistischen Einschätzung der Lage hat der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) das Ende der Krise in der deutschen IuK-Industrie ausgerufen. Im kommenden Jahr soll die Branche wieder zulegen, 2005 sogar deutlich. Die großen Wachstumssprünge der Vergangenheit sind jedoch passé.

Pointierte Aussagen - dafür ist Willi Berchtold (Foto) bekanntermaßen immer zu haben. Der seit Juli amtierende neue Bitkom-Präsident und Geschäftsführer des Münchner Banknoten- und Chipkarten-Herstellers Giesecke & Devrient blieb denn auch bei seinem ersten Auftritt als Chef des deutschen IuK-Dachverbandes vor der Presse in Berlin nichts schuldig. Quasi mit einem Federstrich erklärte Berchtold die beiden vergangen Jahre, die der hiesigen IuK-Industrie einen bis dato nie da gewesenen Einbruch beschert hatten, zur Episode. Selbst im Krisenjahr 2002 lagen die Umsätze gut zehn Prozent höher als im Boomjahr 1999, führte er aus. "Es ist also ganz und gar nicht so, als sei die Branche abgeschmiert oder als habe sie an Bedeutung verloren. Die Wachstumserwartungen wurden nicht realisiert. Darum geht es - nicht mehr und nicht weniger, bei aller Dramatik im Einzelfall!"

Es sei, so der oberste Bitkom-Repräsentant weiter, wie beim Wetter, wo es eine "objektive und eine gefühlte Temperatur" gebe. Man habe die konjunkturelle Überhitzung Ende der 90er mit der Normaltemperatur verwechselt, ohne zu merken, dass man Fieber hatte. Der gleiche Fehler wurde anschließend wieder gemacht, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Heute bewege sich die IuK-Industrie aber nicht mehr "nahe dem Gefrierpunkt", sondern in einer Zone "mit gemäßigtem Klima". Das sei gesund, und dort könne man "wachsen". "Die Flaute ist nun zu Ende."

Berchtold untermauerte dieses Statement mit den neuesten Prognosen zur Marktentwicklung. Demnach rechnet der Bitkom für das laufende Jahr - wie schon auf der CeBIT angekündigt - mit einer schwarzen Null. Die Umsätze der hiesigen IuK-Branche sollen wie 2002 bei insgesamt 131 Milliarden Euro liegen. Für das kommende Jahr ist ein Wachstum um zwei Prozent auf voraussichtlich 134 Milliarden Euro zu erwarten. Im März hatte der Verband hier noch ein Plus von bis zu drei Prozent in Aussicht gestellt. Am erkennbaren Aufschwung sei aber, so Berchtold sinngemäß, trotzdem nicht mehr zu zweifeln. Laut jüngsten Umfragen unter den Bitkom-Mitgliedsfirmen rechne die Hälfte aller Unternehmen bereits 2003 wieder mit steigenden Umsätzen, jede fünfte Company plane sogar mit einem Plus von mehr als fünf Prozent. Insgesamt sei die Branche "gereift". Zwar bewege man sich weiterhin in einem hoch volatilen Markt, doch würden die Ausschläge nach oben oder unten in Zukunft abflachen.

In den einzelnen Segmenten wirkt sich der nun wieder eingeschlagene Wachstumskurs unterschiedlich aus. So wird der deutsche TK-Markt nach Einschätzung der Bitkom-Experten bis Ende 2003 ein Umsatzplus von zwei Prozent auf 65 Milliarden Euro verzeichnen können, und für 2004 wird ein dreiprozentiges Wachstum auf rund 68 Milliarden Euro prognostiziert. Erstmals dürfte dann die Mobilkommunikation mit rund 22 Milliarden Euro umsatzmäßig knapp vor der Festnetztelefonie liegen - ein regelrechter Paradigmenwechsel in diesem Markt, wie Berchtold betonte. Zugleich dokumentiere dieser Bereich den Wandel der Industrie zur Dienstleistungsbranche am nachhaltigsten. Während die Einnahmen der TK-Ausrüster mit Endgeräten und Netzinfrastruktur 2003 bereits im dritten Jahr in Folge rückläufig sein werden, schlagen Internet-Dienste mit einem Umsatzzuwachs von 16 Prozent in diesem und vermutlich 13 Prozent im kommenden Jahr erneut positiv zu Buche.

IT-Markt 2003 nochmals rückläufig

Weniger erfreulich ist derzeit noch die Situation im deutschen IT-Markt, wo das Umsatzvolumen laut Bitkom 2003 gegenüber dem Vorjahr, das ein Minus von 5,7 Prozent gebracht hatte, um weitere zwei Prozent auf 66 Milliarden Euro zurückgehen wird. Allerdings sei auch hier im kommenden Jahr mit der Trendwende, nämlich mit einem leichten Wachstum von rund einem Prozent, zu rechnen. Hauptsorgenkind bleibt das reine Hardwaregeschäft, das 2003 um weitere fünf Prozent abnehmen wird, während sich der Software- und IT-Servicesektor im laufenden Jahr stabil zeigen und für 2004 wieder eine leichte Aufwärtstendenz erkennen ließen, hieß es.

2005 ein Plus von fünf Prozent?

Im Jahr 2005 könne die deutsche IuK-Branche insgesamt sogar ein Plus von fünf Prozent schaffen, zeigte sich Berchtold überzeugt. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die Bundesregierung die Agenda 2010 zügig und ohne Abstriche umsetze sowie weitere Reformmaßnahmen treffe. Hierzu legte der Bitkom in Berlin ein aktualisiertes Zehn-Punkte-Programm vor, dass die schon bekannten Forderungen des Verbands im Hinblick auf eine geänderte Wachstums-, Beschäftigungs- und Bildungspolitik zusammenfasst und um weitere Punkte ergänzt. Neu ist vor allem das Thema Innovation, das nach Ansicht des Bitkom-Präsidenten bisher aus den Reformdebatten weitgehend ausgeklammert wurde und beispielsweise im Textentwurf der Agenda 2010 als Begriff kein einziges Mal auftauche. Berchtold forderte die Politik auf, das Thema mit Hilfe der IuK-Industrie in das Zentrum aller Reformbemühungen zu stellen und unter anderem eine Vorreiterrolle beim Einsatz neuer IuK-Lösungen zu übernehmen. Dadurch ließen sich viele öffentliche Dienste, unter anderem das Bildungs- und Gesundheitswesen, effizienter gestalten sowie Kosten in Milliardenhöhe einsparen. "Unsere Vision lautet: Deutschland ist im Jahr 2010 der innovativste Standort weltweit", gab der Bitkom-Frontmann als Devise aus.

E-Government stimuliert den Markt

Inwieweit die deutsche IuK-Industrie 2005 tatsächlich vom Aufschwung getrieben zu neuen Höhenflügen ansetzen wird, bleibt abzuwarten. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder hielt jedenfalls im Gespräch mit der CW die "Zielmarke" von dann fünf Prozent Wachstum für "realistisch". Die Situation sei aufgrund vieler Marktparameter vergleichbar mit den Jahren 1992/93/94, wo die Branche ein "organisches Wachstum" in derselben Größenordnung erzielt habe. Zudem sei der Bitkom optimistisch, dass im kommenden Jahr weitere Maßnahmen im Zuge der Agenda 2010, ein erkennbarer "Schub" im E-Government-Bereich sowie der Start des UMTS-Mobilfunks für eine entsprechende "Marktstimulanz" sorgen werden. (gh)

Abb: IuK-Markt Deutschland 2003

Wandel zur Dienstleistungsbranche: 62 Prozent von insgesamt 131 Milliarden Euro Umsatz werden 2003 bereits mit Services erzielt. Quelle: Bitkom