Bislang groesste Fusion im Client-Server-Bereich Sybase und Powersoft buendeln ihre Datenbank- und Tool-Kraefte

25.11.1994

MUENCHEN (qua) - Die Sybase Inc., Emeryville, Kalifornien, hat die Powersoft Corp., Burlington, Massachusetts, uebernommen. Nach Einschaetzung von Marktbeobachtern holt sich Powersoft damit finanzielle Rueckendeckung fuer den Wettbewerb mit Microsofts "Visual Basic", waehrend sich Sybase gegen eine Allianz von Oracle und Gupta wappnet.

Zeitgleich in Boston, San Franzisko und Las Vegas liessen der Datenbankanbieter und die Tools-Company die Bombe platzen. Mit mehr als 900 Millionen Dollar hat Sybase eine ganze Menge Geld fuer das kleine Software-Unternehmen gezahlt, das mit seinen "Powerbuilder"-Werkzeugen zwar einen grossen Teil des Markts fuer Client-Server-Tools besetzt, aber in letzter Zeit auch durch Qualitaetsmaengel ins Gerede gekommen ist. Der hohe Kaufpreis zeigt an, wie stark Sybase an den Powersoft-Produkten interessiert ist.

Im Gegensatz zum Erzrivalen Oracle hatten die Kalifornier bislang keine Tools anzubieten, die auf das eigene Datenbank-Management- System abgestimmt sind. Mit "Gain Momentum" erwarben sie zwar im Herbst 1992 ein hochspezialisiertes Multimedia-Werkzeug. Aber das Tool baut auf der objektorientierten Datenbank "Objectivity/DB" auf. Das Endanwenderwerkzeug "Build Momentum" hingegen hat immer noch zu viele Bugs, als dass es ausgeliefert werden koennte, waehrend das Repository-basierte "Enterprise Momentum" bislang nur Vapourware ist. "Wir muessen der Marktrealitaet ins Auge sehen", begruendete Sybase-CEO Marc Hofmann die wahrscheinliche Abkehr von einer eigenen Tool-Strategie. Build Momentum sei zwar mittlerweile "ready to go", koenne aber im kommenden Jahr allenfalls einen Umsatz von 20 Millionen Dollar einbringen. Dem gegenueber stuenden 200 Millionen Dollar, die Hofmann mit den Powersoft-Produkten zu generieren hofft.

Innerhalb der naechsten Monate will Sybase, so Hofmann, eroertern, ob und wie sich Build Momentum und Powerbuilder integrieren lassen. Marktbeobachter wie die Meta Group, Stamford, Connecticut, geben dem Sybase-Produkt jedoch recht wenig Ueberlebenschancen.

Ein aehnliches Schicksal droht moeglicherweise auch dem Datenbanksystem "Watcom SQL", das Powersoft Anfang dieses Jahres uebernommen hat. Es wurde bislang im Bundle mit der Single-User- Version von Powerbuilder vermarktet. Eigenen Angaben zufolge will Sybase das in Kanada entwickelte DB-Produkt nun auf Integrationsmoeglichkeiten mit dem Sybase SQL Server hin abklopfen.

Allerdings macht das Unternehmen auch kein Hehl daraus, dass es die Powersoft-Tools in erster Linie dazu nutzen wird, die eigene Datenbank zu einem Komplettangebot zu ergaenzen, um damit grosse Anwenderunternehmen zu adressieren. Die Powersoft-Anwender mit alternativen Datenbanksystemen werden jetzt sicher ein offenes Ohr fuer Gupta, Uniface und Co. haben.

Damoklesschwert ueber dem Sybase-Management

Gupta wurde im Fruehsommer dieses Jahres heiss von Oracle umworben, blieb aber bislang unabhaengig. Nach Angaben des deutschen Gupta- Geschaeftsfuehrers Helmut Wilke gibt es derzeit auch keine Uebernahmegespraeche mit Oracle.

Dennoch schwebt die Moeglichkeit dieser Verbindung seither wie ein Damoklesschwert ueber den Haeuptern der Sybase-Manager. Nach Bekanntgabe des Sybase-Powersoft-Deals ist Gupta, so Wilke, zwar immer noch nicht zu einer Fusion bereit, aber staerker denn je interessiert, mit Oracle zusammenzuarbeiten.

Noch jemand duerfte diesen Merger mit gemischen Gefuehlen betrachten. Die Rede ist von Philippe Kahn, Chairman und CEO der Borland International Inc., Scotts Valley, Kalifornien. Hat das von ihm gegruendete Unternehmen doch gerade erst einen Kooperationsvertrag mit Sybase geschlossen, um seine Entwicklungswerkzeuge an den SQL Server anzupassen. So klang der Kommentar des Borland-Chefs denn auch ein wenig wie Pfeifen im dunklen Keller: "Wir begruessen die Fusion von Sybase und Powersoft. Sybase hat hier ein hervorragendes Geschaeft gemacht."

Gemeinsam zur kritischen Masse

Schliesslich raeumte Kahn zwar ein, dass die Powersoft-Werkzeuge auf einigen Gebieten eine Konkurrenz zu den Borland-Tools sind. Aber seiner Ansicht zufolge wollen sich die Anwender keineswegs darauf festlegen, Datenbank- und Entwicklungssysteme vom selben Anbieter zu beziehen. Ausserdem, so bruestete sich der Hobby-Jazzer, koenne einem Unternehmen gar nichts Besseres passieren, als dass ein Mitbewerber mit einem anderen Unternehmen fusioniere und fuer geraume Zeit mit sich selbst beschaeftigt sei.

Sybase und Powersoft wollen nicht nur ihr Produktangebot gegenseitig ergaenzen. Wie Powersoft-CEO Mitchell Kertzman erlaeutert, tun sich die beiden Unternehmen auch deshalb zusammen, damit sie gemeinsam eine "kritische Masse" erreichen. Der Softwaremarkt wird von Unternehmen dominiert, die mehr als eine Milliarde Dollar Jahresumsatz verbuchen. Waehrend Sybase 1993 rund 426 Millionen einnahm, brachte es Powersoft im vergangenen Jahr nur auf 51 Millionen. Selbst mit vereinten Kraeften sind die beiden Unternehmen also noch ein gutes Stueck von der Milliarden-Marke entfernt - auch wenn Sybase den gemeinsamen Umsatz in diesem Jahr auf 730 Millionen Dollar veranschlagt.

Powersoft wird als unabhaengige Einheit innerhalb der Sybase Inc. weiterbestehen. Was mit den nationalen Gesellschaften geschieht, haengt laut Sybase vom jeweiligen Einzelfall ab. Die gerade erst ins Leben gerufene Powersoft Deutschland mit Sitz in Wiesbaden wird jedenfalls, so Geschaeftsfuehrer Hans Duwe, ihren Aufbau wie geplant vorantreiben.