Eingleisige und interaktive Bildschirmkommunikation um Paris im Test:

Billigterminal bringt Computerdienste unters VoIk

14.08.1981

MÜNCHEN- Seine erste Bewährungsprobe hat das von Matra mitentwikkelte Billigterminal bestanden. 400 000 Stück wurden kürzlich in die USA geliefert Ob sich die Verbraucher in Frankreich mit dem Gerät und den Diensten der französischen Post anfreunden werden, muß sich noch zeigen.

Louis Mexandeau, Staatssekretär im Telekommunikationssektor der französischen Post, eröffnete Anfang Juli dieses Jahres den "Teletel 3V" -Test feierlich. Er versprach, die gesellschaftlichen Veränderungen, die Bildschirmkommunikation mit sich bringen, nicht aus den Augen zu verlieren.

Während in Frankreich die Versuche mit dem "automatischen Telefonbuch" genannten Terminal noch im Gange sind, verzeichnen die Terminalhersteller schon ihre ersten Exporterfolge. Die vom Rüstungskonzern Matra, Telique, TRT und Thompson im Auftrag der französischen Post entwickelten Billig-Datenendgeräte mit Bildschirm bestanden ihren Test auf dem Markt, der für die Europäer immer noch der entscheidende ist, wenn es um Innovationen in Sachen Computer geht. Bis heute verkauften die beiden Hersteller rund 400 000 der Terminals in die USA, die in Frankreich im Rahmen eines Versuches, genannt automatisches Telefonbuch" . getestet wurden. Fernsprechteilnehmern in Saint Malo und Velizy wurde ein Terminal zur Verfügung gestellt; über das sie - in der Testphase noch kostenlos - die Nummer eines gewünschten Teilnehmers samt Anschrift abfragen konnten. Der Postrechner ersetzt das "Fräulein" von der Auskunft.

Integriert in den Apparat ist eine volle alphanumerische Tastatur. Damit hat der französische Teilnehmer mehr Möglichkeiten als der deutsche dem nur die Ziffern 0 bis 9 und Stern wie Raute zur Verfügung stehen. Das Gerät, das bei Massenfertigung um die 200 Dollar kosten soll, läßt sich an einen entsprechend ausgestatteten Fernseher anschließen. Es eignet sich für die "eingleisige" und die interaktive Kommunikation mit einem Post-oder Hostrechner. Die breite Anwendung von Bildschirmtext in Frankreich kann beginnen. Doch vorerst begann der Test mit insgesamt 2500 Telefonteilnehmern in Velizy, Versaille und Vallee de Bievre - was die drei V im Texttitel Teletel 3V erklärt.

Wer mit dem bundesdeutschen Bildschirmtext vertraut ist, dem bietet Teletel, wie es die Franzosen getauft haben, kaum etwas Neues. Die Informationen werden über die üblichen Telefonleitungen transportiert. Damit die Kabel nicht überlastet sind, begann die französische Post früh, auf Glasfaser umzustellen. Der Testteilnehmer kommuniziert mit einem lokalen Postrechner. In Frankreich stammen die zentralen Postrechner von CII-HB. Alle sieben "Mini 6" schalten, verbinden, halten Buch, speichern die Datenbanken, erstellen Statistiken und erledigen, was sonst noch an Aufgaben für einen Rechner beim Bildschirmtext anfällt. Die Software stammt von Steria und Cap Sogeti. Die beiden Hardwarelieferanten CII-HB und Matra, beide auf der Verstaatlichungsliste der französischen Regierung, brachten ihr Wissen in die Herstellung der Software ein. Dem Einkauf per Bildschirm steht nichts mehr entgegen.

Das "Telefonbuchterminal" scheint die französischen Textanbieter optimistisch zu stimmen. Gegenwärtig beteiligen sich 170 Unternehmen, Verwaltungen und öffentliche Institutionen am Versuch als Bildschirmtext-Anbieter. Auf den Abfrager am Terminal warten abrufbereit rund 60 000 vorgefertigte Seiten. Einige hunderttausend können nacht seinen Wünschen erstellt werden. Geliefert wird fast alles: von den Fahrplänen der französischen Eisenbahn SNCF über den Veranstaltungs-Kalender, Zeitungen, Telespielen, Lohnsteuerhilfe und Versicherungsrechnungen für jedermann bis zur Geschichte von Velizy,

die dortige Kommune zur Verfügung stellt. Das System nimmt Platzreservierungen an und berät Jungendliche bei ihrer Berufswahl. Über die Kosten und Gebühren, die auf die Testteilnehmer bei der Nutzung der neuen Dienste zukommen" macht die Generaldirektion für Telekommunikation bei der französischen Post kaum Angaben.

Noch im Versuchsstadium ist die Preisbildung für die verschiedenen Dienstleistungen. Doch ist anzunehmen, daß eine über den elektronischen Briefkasten von Terminal zu

Terminal versendete Mitteilung kaum teuerer sein wird als die sonst übliche Briefmarke. In Frankreich konkurrieren immerhin die beiden Postsektionen miteinander.

Versuchsweise nahmen die Franzosen auch die Bildschirmzeitung in Angriff. Sie sind stolz auf das, was sie bisher in der interaktiven Kommunikation geleistet haben. So stolz, wie Louis Mexandeau sagt, daß sie es gerne exportieren, als ein ausgeklügeltes Produkt, das leicht zu bedienen ist. Frankreich sieht sich damit als weltweit konkurrenzfähiger Anbieter von Turnkey-Netzen: vom integrierten Schaltkreis bis zur Datenbanksoftware.

Die sozialistische Regierung Frankreichs versprach, sich nicht einfach so über eine neue Technik in eine neue Gesellschaft drängen zu lassen. Die Diskussion um die Folgen der technisch bedingten Entscheidungen (...)len ins Parlament und die breite Öffentlichkeit getragen werden. Die begonnenen Projekte seien dadurch jedoch nicht gefährdet, führt Mexandeau aus. Bei diesen teuren Avantgarde-Technologien falle es schwer, die Grenze zu ziehen zwischen entwicklungsbedingter Dynamik und autoritären Aktionen, die den Anwendern ein System aufzwingen, weil es einmal vorhanden ist. Der Stand der Diskussion müsse alljährlich entscheiden, welche weiteren Versuche mit Teletel durchzuführen seien.