Bildschirmtext: Mit Bangen auf den Startschuß warten

26.11.1982

Bildschirmtext hat das Interesse der DV-Manager endgültig geweckt. Zu verlockend scheint die Aussicht, mit dem neuen Medium eine noch nicht zu ahnende Anzahl von Endbenutzern erreichen zu können. Doch auch hier haben die Götter vor die Nutzung den Leidensweg der Konzeption gestellt. Mit Bangen sehen die Datenverarbeiter der Integration von Bildschirmtext in die gesamte Kommunikationsstrategie ihres Unternehmens entgegen. Ebenfalls nicht unproblematisch scheint, den eigenen Mitarbeitern klarzumachen, welche Möglichkeiten die neue Technik bietet. Einig ist man sich allerdings darin, daß die Alternative, sich nicht um Btx zu kümmern, keine ist.

Wolfgang Eckert

Leiter Org./DV, Jungheinrich Unternehmensverwaltung KG, Hamburg

Die ersten Informationen und Gehversuche von Bildschirmtext haben wir aus der Sicht eines Investionsgüterunternehmens (Jungheinrich ist Hersteller von Flurförderfahrzeugen und Lagerregalsystemen) zugegebenermaßen oftmals leicht abgetan als ein schönes Medium für die Konsumgüterindustrie.

Dabei haben wir, denkt man beispielsweise an die Ersatzteilversorgung der Kunden die Serviceunterstützung, Sonderaktionen, Firmenmitteilungen und ähnliches, vielleicht zunächst übersehen, daß auch Investitionsgüterhersteller auch durchaus mit Produkten im Konsumgüterbereich auseinanderzusetzen haben.

Die Entwicklung der Btx-Teilnehmer zeigt außer den sogenannten privaten Anwendern einen deutlichen Trend zum gewerblichen Nutzer.

Betrachtet man darüber hinaus einige Prognosen über die Portoentwicklung des Brief- und Paketdienstes und stellt dagegen die Möglichkeiten und Gebührenordnungen der Datex-Dienste, so erhält man einen weiteren Fingerzeig auf die Notwendigkeit, sich mit dem Thema Btx auseinanderzusetzen.

Verlockend für den Datenverarbeiter ist ohnedies die Tatsache, mit dem neuen Medium eine kaum geahnte Anzahl von Endbenutzern erreichen zu können.

Können wir heute mit DFÜ-Netzen und TP-Verarbeitung einige hundert Partner erreichen, so sind letztlich über Btx alle Mitarbeiter, Marktpartner, Interessenten oder andere erreichbar, die eine Kombination von Telefon und Fernseher verfügbar haben. Die erwartete Anzahl von einer Million Btx-Endgeräteinstallationen bis Ende 1985 spricht für sich.

Wie bekannt, haben jedoch auch hier die Götter vor die Nutzung den Leidensweg der Konzeption gestellt, und dieser Weg erscheint nur zunächst noch unbepflastert und nur mühsam begehbar.

Eines der Kernprobleme ist sicherlich die Einordnung von Btx in die gesamte Kommunikationsstrategie eines Unternehmens. Werden durch Btx beispielsweise einige DFÜ-Netze zum Teil oder ganz abgelöst? Gibt es Überschneidungen mit vorhandenen und geplanten Textverarbeitungsanwendungen? Welche Rolle spielt Teletex in diesem Zusammenhang? Wie ist die gesamte Gedankenwelt der lokalen Netzwerke beeinflußt? Welche Aufgaben müßten Vermittlungssysteme lösen?

Diese aufgeführten Fragen, erschöpfend und genau zu durchleuchten und letztlich zu beantworten, dürfte eines der Kernprobleme sein.

Ob ein Unternehmen aus eigener Kraft mit vorhandenen Mitteln die Antworten geben kann und die Konzeptionen bereitzustellen in der Lage ist, hängt sehr stark von der Größenordnung und der internen Priorität für Btx ab.

Sicher ist, daß die Alternative, sich nicht darum zu kümmern, keine ist.

Günther Fischer DV & Org - Leiter,

Laudenbach

Vom allgemeinen Interesse am Bildschirmtext angesteckt, haben wir vor einiger Zeit damit begonnen, die Möglichkeiten der neuen Technik für unser Unternehmen, das Direct Marketing betreibt, auszuloten. Dabei wurden zunächst weitreichende Hoffnungen geweckt.

Insbesondere unsere Marketingleute fanden Gefallen an den lockenden Vorteilen durch aktuelle Angebotsgestaltung und direkte Kommunikation mit dem Kunden in seiner Privatsphäre zu jeder Tages- und Nachtzeit. Informationsaustausch und Nachrichtenübermittlung könnten zudem automatisiert und damit ohne Personalprobleme ablaufen. Zwar ist durch die Restriktion, dem Teilnehmer nur Textbotschaften anbieten zu können, den Werbeleuten eine spezifische Grenze gesetzt, man ist jedoch zuversichtlich, diesen Nachteil mit besonderem Gestaltungsaufwand und angepaßter Direct Mail ausgleichen zu können. An einen Einsatz der erprobten Direktwerbung auf dem Postwege durch das neue Medium, darin sind sich alle Verantwortlichen einig, ist jedoch nicht zu denken.

Den Optimismus der Marketingseite konnten die EDV-Leute allerdings lange Zeit nicht teilen. Sie vermissten in den zugeschickten Informationen und Angeboten detaillierte und zuverlässige technische Spezifikationen, ohne die sie bindende Aussagen nicht machen wollten. Für sie, die das technische Wunder ja implementieren müssen und die dazu solide Grundlageninformationen brauchen, bewegten sich die angebotenen Informationen zu sehr auf der Ebene von Glanzpapierprospekten und Absichtserklärungen. Auch wenn sich diese Lücke nun schließt, bleibt für den Datenschutzbeauftragten das ungute Gefühl, den eigenen Rechner dem Zugriff fremder Systeme öffnen zu müssen, wenn alle Möglichkeiten des Btx genutzt werden sollen. Bei aller Skepsis und Zurückhaltung bedeutet Btx für unsere Datenverarbeitung aber eine Herausforderung, die sie aus Interesse am Neuen aufgegriffen hat, indem sie Pilotprojekte zusammen mit befreundeten Branchenkollegen in Angriff genommen hat.

Sicherlich werden alle noch anstehenden technischen Probleme, die offenen Marketing- und Datenschutzfragen gelöst werden. Dabei werden wir auch nicht auf den Einschaltung externer Spezialisten mit speziellem Know how verzichten. Jedoch werden die Kaufleute ihre endgültige Zustimmung zu den doch bedeutenden Investitionen nur geben, wenn auch die Technik und Kosten für den Teilnehmer, den Endbenutzer, feststehen und damit Aussagen über die zu erwartende Durchdringung unserer Zielgruppen mit Btx möglich werden.

Denn erst wenn ein bestimmter Mindestteil unserer Kunden über das neue Medium erreicht werden kann, ist der technische Aufwand und die Integration des Btx in das Gesamtmarketingkonzept wirtschaftlich zu rechtfertigen. So ist die Einführung von Btx zwar auf das aktive Engagement der Datenverarbeitung angewiesen, im wesentlichen jedoch einer Entscheidungsfindung, die die gesamtunternehmerischen Rahmenbedingungen berücksichtigt, unterworfen.

Klaus Franke,

Leiter der Anwendungsentwicklung, Kaufring eG, Düsseldorf

Wir haben uns relativ frühzeitig mit dem Medium oder mit der neuen Kommunikationstechnik Bildschirmtext beschäftigt und sind auch hier an dem Feldversuch in Düsseldorf seit Anfang an beteiligt. Die Ausrichtung unsererseits geht aber erst mal in die Richtung, daß wir sagen, Bildschirmtext wird für den Kaufring mehr oder weniger interessant sein als Medium für die Kommunikation innerhalb der Zentrale oder der Kaufringhäuser, also als geschlossene Benutzergruppe und weniger extern.

Sicherlich kann ich mir vorstellen, daß auch die Kaufringhäuser oder wir zentral das Medium Bildschirmtext als Werbemittel benutzen werden. Derzeit ist Bildschirmtext schwerpunktmäßig erst einmal als internes Kommunikationsmittel für den Einkaufsverband zu sehen. Wir hatten für drei oder vier Monate ein Editiersystem, mit dem wir unsere Seiten in den Bildschirmtextrechner Düsseldorf hineingestellt haben und uns mit der Technik selber beschäftigten. Im Augenblick sind nur wir die Benutzer.

Andere haben auf die Seiten im Rechner keinen Zugriff. Es wurde nun begonnen, den Bildschirmtext in unserem Verbund, das heißt im Haus und bei den Kaufringhäusern publik zu machen. Bei den Musterungen, die im Hause veranstaltet werden, waren Informationsstände aufgebaut worden, auf denen ein Fernsehapparat stand.

Wir waren mit der Bildschirmtextzentrale Düsseldorf verbunden und haben den Inhabern der Kaufringhäuser gezeigt, was heute schon alles gespeichert ist. Darüber hinaus wurden auch unsere internen Seiten präsentiert und erläutert, was damit alles machbar ist. Beispielsweise können aktuelle Angebote, die heute per Post verschickt werden, via Bildschirmtext an den Mann gebracht und allgemeine sowie individuelle Mitteilungen reingestellt werden. Eine andere Möglichkeit wäre, den Rechnerverbund direkt zu realisieren, so daß disponiert werden kann. Damit sind nicht die Massendispositionen gemeint, sondern die speziellen Dispositionen, wie zum Beispiel für die Rundschreiben, die wir über die aktuellen Angebote hinausgeben. Damit sind einige Punkte erklärt, wie wir uns die Arbeit mit Bildschirmtext vorstellen.

Es wurden sechs Informationsveranstaltungen im Hause durchgeführt, und zwar für die Mitarbeiter des Hauses, also Zentraleinkäufer, Einkäufer und Sachbearbeiter. Ihnen sollte dadurch die Thematik Bildschirmtext näher gebracht werden. Die Veranstaltungen wurden intern von Mitarbeitern unseres Arbeitskreises Bildschirmtext organisiert. Für das nächste Jahr ist geplant, eine Studie zu erstellen, in der auch die Kosten eine Rolle spielen werden. Dafür muß ein Konzept entwickelt werden, in dem genau steht, was man mit BTX machen kann und welche Vorteile es bringt. Ich sehe Bildschirmtext als genau dieselbe Aufgabe an wie beispielsweise die Einführung dezentraler Datenverarbeitung. Dafür ist nicht unbedingt ein Außenstehender nötig, sondern die Aufgabe kann im Hause plaziert werden.

Ob die Datenverarbeitung oder die allgemeine Organisation verantwortlich ist, spielt erst mal keine Rolle. Daß Btx bei uns im Haus eingeführt wird, ist als realistisch anzusehen. Es ist nur die Frage wann. Bis die Deutsche Bundespost ihr Netz aufgebaut hat, wird es bestimmt 1985 sein. Wenn der Rechnerverbund realisiert wird, daß heißt wir direkte Auftragseingabe machen können, und zwar von draußen zu unserem Rechner hin, durchschalten über die Bildschirmzentrale in Düsseldorf zu unserer Datenverarbeitungsanlage hier, wird dies wahrscheinlich nicht mehr selbst verwirklicht werden können. Es ist anzunehmen, daß wir uns eines fachlichen Softwareproduktes bedienen, von denen es heute schon eine ganze Reihe gibt. Bildschirmtext ist ein Thema bei uns im Haus, aber es muß noch viel Boden beackert werden, um überhaupt publik zu machen, was damit alles möglich ist.