Vorläufig gibt es noch mehr Kritik als Lob:

Bildschirmtext auf den zweiten Blick unklar

16.10.1981

WIEN (eks) - Seit sechs Monaten läuft Österreichs Pilotversuch zum Bildschirmtext. Technisch gibt es keine Schwierigkeiten, und Postgeneral Übleis kündigte bereits Erweiterungen an. Mit dem organisatorischen Drumherum jedoch zeigten sich die Anwender nicht sonderlich zufrieden. Resultat sind auch Bemühungen zur Gründung von Arbeitskreisen und Interessengemeinschaften.

Ein von Diebold und der Tageszeitung "Die Presse" veranstaltetes Seminar war Anlaß zahlreicher kritischer Anmerkungen zum Stand des Pilotversuches.

A. Gatnar von dem Unternehmen Telebild bemängelte den fehlenden Kontakt zwischen Informationsanbietern einerseits und Post andererseits. Dies vor allem vor Beginn des Versuches im März 1981, worunter BTX nach Meinung Gatnars heute noch leidet.

Im Gegensatz zur BRD, wo drei Jahre vor Versuchsbeginn eine Testanlage zur Verfügung stand, mit der potentielle Anwender Erfahrung bei Gestaltung, Einspeicherung und Abrufsammeln konnten, startete Österreichs Postfuchs aus dem Stand und beschränkte seine Ratschläge auf technische Fragen. Sicher hat auch die sommerliche Urlaubszeit dazu beigetragen, daß von den 50 000 zur Verfügung stehenden Seiten nur 20 000 vergeben und nicht einmal 10 000 auch tatsächlich verwendet sind.

Eine im Sommer gegründete Arbeitsgemeinschaft der BTX-Anbieter will "mit allem Nachdruck den Versuch unternehmen, mit der Post auch über andere als technische Fragen zu sprechen". Dieses mutige Vorhaben wurde allerdings kurze Zeit später stark relativiert. Der Geschäftsführer des BTX-Anbieter-Clubs Berlin Adalbert Rohloff stellte nämlich fest, eine umfassende Dachorganisation könne es gar nicht geben, da die Interessen beispielsweise der Medienunternehmen einerseits und der Handelsunternehmen andererseits zu stark divergieren. Wahrscheinlich ist es daher besser, die gemeinsamen BTX-Interessen in Branchenorganisationen zu konzentrieren, wie es derzeit der Handelsverband für seine Mitglieder versucht.

Beklagt wurde auch die weitgehende Werbeabstinenz der Post. Allein aus diesem Grund ist das sicher nicht üppige Kontingent von 300 Teilnehmern noch immer nicht erreicht. Von den derzeit etwa 170 Teilnehmern sind knapp die Hälfte Anbieter, so daß Rückschlüsse auf zukünftiges Teilnehmerverhaltem wenig chancenreich scheinen.

Während die Posttechniker als flexibel und kooperativ gelobt werden, feiert bei den Anschlußgenehmigungen St. Bürokratius fröhliche Urständ. Amtlich sind auch die Einschaltzeiten bemessen. Erst um 8 Uhr 30 reibt sich die BTX-Zentrale den Sand aus den Augen (montags macht sie gleich bis 9 Uhr 30 blau). Gerade die Zeit des Bürobeginns könnte für einen kurzen informativen Blick ins BTX-System genützt werden.

Wer spät anfängt, wird klarerweise auch bald müde. Es vergehen daher keine Woche und kaum einmal zwei, drei Tage, ohne daß BTX aus technischen oder administrativen Gründen (zum Beispiel Gebührenablesung) abgeschaltet ist. Diese Unzuverläßigkeit wird wohl kaum die Lust der Teilnehmer wecken, das neue Informationsangebot in zukünftige Formen der Informationsverarbeitung einzuplanen.

Gelobt de die Steigerung der Abrufzahlen durch die Installation der ersten öffentlichen BTX-Terminals in Graz durch das Universitätsinstitut von Prof. Maurer. Dieses Vorpreschen weckte allerdings den Argwohn der Verfassungshüter im Bundeskanzleramt. Im Zweifel, ob BTX nun dem Rundfunk- oder dem Postmonopol zu unterwerfen sei, hatten sie die Entscheidung zunächst einmal auf geschoben. Durch die Begrenzung auf 300 namentlich bekannte Teilnehmer sei BTX jedenfalls nicht Rundfunk, der ja a priori an eine unbekannte Zahl unbekannter Empfänger ausgestrahlt wird. Daher durfte die Post den Pilotversuch starten. Mit den öffentlichen Terminals kann allerdings jetzt jeder BTX-beliebige in die Seiten gucken. Die Voraussetzen für die Genehmigung könnte weggefallen sein.

Ebenfalls positiv vermerkt wurde, daß sich Zweifel an der Leitungsqualität, wie sie auch postseitig geäußert wurden (CW 7/81), nicht bestätigt haben. Abgesehen von den lästigen Ausfallzeiten sei auch die Erreichbarkeit des Rechners ausreichend.

Was sind die bisherigen Investitionen 1983 wert?

Nicht gerade beflügelnd auf den Wunsch, BTX-Teilnehmer zu sein, dürfte sich der ab 1983 einzuführende neue Standard für BTX-Grafik auswirken. Bilddarstellungen werden zwar detaillierter und lästige Einschränkungen (zum Beispiel bei Farbwechsel innerhalb einer Zeile) fallen. Die jetzt installierten Decoder und einfacheren Eingabegeräte müssen aber Passen. Die Microcomputer zur Eingabeunterstützung werden zumindest neue Software brauchen.

Post-Generaldirektor Dr. Heinrich Übleis versprach die Erweiterung des Teilnehmerkontingents auf 600. Acht externe Rechner von Informationsanbietern sollen nächstes Jahr angeschlossen werden und damit auch den echten Dialog erlauben.

Darüber hinaus versprach Übleis die Zulassung weiterer Anbieter über die beiden derzeit mitwirkenden Firmen ITT und Philips. Es soll dann auch Decoder allein geben, so daß praktisch alle TV-Geräte BTX-tauglich werden.