User-Abhängigkeit von der IBM könnte sich in Wohlgefallen auflösen:

Big Blue leidet unter Unix-Migräne

22.03.1985

Zweifelsohne setzt die IBM auf ein starkes Engagement im Unix-Markt. Das neue IX/370-Announcement ist nur ein Schritt in der Unix-Politik des Marktführers, die eine zunehmende Kontinuität erreichen wird. Dazu ein aktueller Kommentar des CW-Schwesterunternehmens IDC aus Wiesbaden in ihrem EDP Deutschland Report.

Der Markt verlangt nach Unix, und Big Blue ist einfach nicht stark genug, sich diesem Trend zu entziehen - eine für die Armonker sicherlich schmerzhafte Erfahrung. Nun ist Unix für IBM aber eine Angelegenheit mit sehr vielen Facetten.

IBM hat in der Unix-Leistungsklasse kein eigenes Betriebssystem, das auch nur annähernd so zukunftsträchtig wäre wie Unix. Ein Kampf gegen Unix - womit? - wäre also sinnlos.

Sollte es in naher oder ferner Zukunft ein einheitliches Standard-Computerbetriebssystem geben, so kommt dies dem Hardwarehersteller am meisten zugute, der am billigsten produzieren sowie am besten vermarkten kann. Beide Attribute treffen aber auf Big Blue besser zu als auf jeden anderen Wettbewerber.

Somit könnte - überspitzt formuliert - der Effekt eintreten, daß AT&T Unix standardisiert und IBM Unix (in Form von Hardware) vermarktet. Bislang jedenfalls ist AT&Ts Marketing im Computergeschäft eher schlecht denn recht.

Um diese Dominanz im Unix-Markt zu erreichen, ist Big Blue mit Xenix sowie IX rechtzeitig in Unix eingestiegen. Sowohl Xenix als auch IX beruhen auf Unix System III (und nicht etwa zum Beispiel auf einer Berkeley-Version), wodurch jeder Upgrade zur "System V" Kompatibilität recht einfach ist und jetzt ja auch zum Zuge kommt.

Zudem kontrolliert IBM denjenigen Halbleiterhersteller, der eine Schlüsselrolle in der Unix-Architektur der Hardware spielen wird - Intel.

Nimmt man dies alles zusammen so scheint Unix der IBM im Grunde recht gut zu bekommen. Dennoch bestehen für Big Blue bei dieser Entwicklung enorme Risiken, die der Grund für die derzeitige Doppelzüngigkeit des Computerriesen sein dürften.

Eine Betriebssystemstandardisierung auf Unix-Basis käme einer Einladung an die Japaner gleich, die bereits in ihren Startlöchern stehen. Die japanischen Unternehmen in Kooperation aber bedeuten für Big Blue eine der potentiell größten Gefahren überhaupt.

Sollte sich Unix weitreichend durchsetzen, so wäre dies unleugbar ein beträchtlicher Prestigeverlust für IBM. Der Erfolg auch eines Unternehmens wie IBM wird aber nicht nur von nackten Zahlen, sondern auch von seinem Nimbus bestimmt.

Unix ist eine offene Architektur, die, wenn sie einmal zu Macht gelangt, alle Ebenen der DV einschließlich der größten Mainframes besetzen wird. Damit reduziert sich die Abhängigkeit der Anwender von IBM drastisch, und ein wesentliches Element der gesamten IBM-Politik wäre wirkungslos.