Big Blue hat keine konkreten Plaene zur Unterstuetzung von Chicago OS/2-Anwender drohen der IBM mit der Migration zu MS-Windows

10.06.1994

SAN MATEO (IDG) - Von IBM im Regen stehengelassen fuehlen sich in den USA derzeit rund fuenf Millionen OS/2-User, da man in Armonk derzeit nicht bereit ist, das Betriebssystem so zu ueberarbeiten, dass auch der Betrieb von kuenftigen Chicago-Applikationen moeglich ist. Bisher konnte Big Blue Microsofts Windows-Code mitnutzen und so die Kompatibilitaet sicherstellen, bei Chicago waere fuer die Armonker jedoch eine komplette Neuentwicklung angesagt.

Verdruss bereitet vielen amerikanischen OS/2-Anwendern die derzeitige IBM-Haltung in Sachen Chicago. Big Blue hat, wie die CW-Schwesterpublikation "Infoworld" berichtet, derzeit keine konkreten Plaene in Sachen OS/2-Kompatiblitaet fuer Chicago- Anwendungen. Damit stehen zahlreiche User, die OS/2 vor allem als Multitasking-Plattform fuer Windows-Anwendungen gekauft haben, vor dem Dilemma, kuenftig entweder auf Chicago-Applikationen zu verzichten oder aber ihre bisherige OS/2-Installation aufgeben zu muessen.

Sollte dies Big Blues letztes Wort in Sachen Chicago-Unterstuetzung sein, so prophezeien OS/2-Anwender wie Jim Hauenstein, CIO beim Washoe Medical Center in Reno, den Armonkern bereits die Abwanderung vieler Anwender. Andere User wie David Slagle, Projektverantwortlicher bei der Kinney Shoe Corp. in Camp Hill, teilen Hauensteins Meinung und unterstreichen, dass man OS/2 nur deshalb gekauft habe, weil IBM den Support kuenftiger Windows- Versionen versprochen habe.

Bei allem Aerger scheint es fuer die OS/2-Fangemeinde doch einen kleinen Hoffnungsschimmer zu geben. Gegenueber der "Infoworld" erklaerte Lois Dimpfel, PSP-Director des Personal Operating Systems Programming Center bei IBM, dass Big Blue das Chicago-API unterstuetzen werde, wenn es dafuer zwingende Gruende gebe. Allerdings erteilte Dimpfel keine Auskunft ueber den moeglichen Zeitraum bis zu einer Implementation einer entsprechenden Schnittstelle. Zwar habe man bei IBM daran gearbeitet, sei dann aber aufgrund der unklaren Definition des Chicago-APIs nicht weiter vorangekommen.

Da IBM keine Rechte an Microsofts Sourcecode hat, muss die entsprechende API komplett neu entwickelt werden, ein Vorgang, der laut Dimpfel die Chicago-Kompatibilitaet weiter erschwert. Selbst fuer den FAll, dass sich IBM zu einer klaren Linie in Sachen Chicago bekennt, geben Insider zu bedenken, dass das Unternehmen zwei Jahre gebraucht habe, um die Kompatibilitaet zu Windows 3.1 herzustellen, aber OS/2 bis heute nicht mit Windows for Workgroups zusammenarbeite.

Microsoft hat dagegen mit Chicago bereits IMBs bestehende OS/2- Gemeinde als potentielle Kunden ins Visier genommen. "Wer Chicago- Funktionalitaet will, der muss zu Chicago migrieren", lautet die klare Aussage von Brad Silverberg, Vice-President der Personal Systems Group bei Microsoft. "Wir haben IBM die Lizenzierung des Codes fuer einen angemessenen Betrag angeboten", dies wurde jedoch abgelehnt.