Bei vernetzter Datenverarbeitung kommt der Zentralrechner wieder zu Ehren:

Big Blue arbeitet auf Mainframe-Comeback hin

21.04.1989

FALLS CHURCH - Die Akzeptanz von PCs ist bei traditionellen Datenverarbeitungs-Managern immer noch gering. Diese Manager von Großrechnern und anderen zentralen DV-Ressourcen stellen oft ernste Fragen über Software-Standards, Daten-lntegrität, Sicherheit und Kommunikation und sie sind zutiefst mißtrauisch, wenn sich Endanwender dem Computer nähern.

Die Mainframe-Mentalität hat in einer frühen Phase sicherlich IBMs Unternehmensphilosophie im PC-Bereich beeinflußt. Frage: Warum gibt es IBM-PC-Clones und keine des Macintosh von Apple?

Die Antwort: Apple hat von Anfang an sein Produkt geglaubt. Die Firma baute rechtliche Hürden um ihr Produkt, um von vornherein zu verhindern, daß irgend jemand ohne Erlaubnis Clones herstellt. Jedes Unternehmen, dessen Produkt auch nur entfernt dem Mac ähnelt, kann sich darauf gefaßt machen, von Apples Anwälten zu hören.

Genau das hat IBM auch mit seiner neuen PS/2-Reihe gemacht, ganz im Gegensatz zum Original-PC. Anfang der 80er Jahre konnte sich Big Blue nämlich nicht dazu durchringen, den PC als schützenswert zu betrachten. Also wurden serienmäßig produzierte Standard-Bauteile und eine offene Architektur verwendet, die jeder nachbauen konnte.

Der PS/2 und die Mikrokanal-Architektur sind dagegen durch Patente und Handelsgeheimnisse verschlossen - und die Schlüssel dazu liegen bei den IBM-Anwälten. Aber der PS/2 kam zu spät, um IBMs Vormachtstellung im Microcomputerbereich wieder herzustellen. Unternehmen wie Apple oder Compaq haben den Ball abgefangen und stürmen vorwärts. Was also soll IBM tun?

Nach einem neuen Bericht der International Technology Group (ITG) in Los Altos, Kalifornien, hat sich IBM für eine drakonische Lösung entschieden: der Vorrangstellung des PC den Hahn abzudrehen und den Mainframe wieder als Mittelpunkt der DV-Welt zu installieren.

"Der IBM PS/2 ist eine auf vier Jahre ausgelegte Produktreihe"-, sagte ITG-Geschäftsführer Brian Jeffrey. "Die Jahre 1987 bis 1991 sind eine Übergangsphase vom PC zur verteilten Verarbeitung mit dem Mainframe. Es handelt sich um eine Produktreihe, die zwar wie ein PC aussieht, aber sich nach und nach als Workstation mit verteilter Prozessor-Kapazität entpuppt. Alle Aktivitäten von IBM sind darauf ausgerichtet, die Verarbeitung wieder auf die Mainframe-Ebene zu bringen."

"Im IBM-Ansatz der verteilten Verarbeitung gehen die eigentliche Verarbeitung und Speicherkapazität von der Workstation auf den Mainframe über.", meinte Jeffrey. "Sie arbeiten tatsächlich mit intelligenten Terminals, in denen die Prozessorleistung des PC mehr zur Mainframe-Anbindung als für unabhängige Verarbeitung genutzt wird."

"Wenn Sie Dinge wie OS/2 Extended Edition ansehen, werden Sie feststellen, daß es sich um sehr hohe Software-Anforderungen handelt. Und das soll auch so sein. Das ist auch IBMs Taktik, nämlich durch anspruchsvolle Software einen Hardware-Bedarf zu generieren. Zur Zeit haben Sie keine leistungsfähige Software, die sowohl auf dem Mainframe wie auch auf dem PC läuft."

Der finanzielle Aspekt ist IBMs Hauptgrund "Wenn Sie sich IBMs Umsatzzahlen ansehen, dann werden Sie feststellen, daß mehr als 60 Prozent des Umsatzes aus dem Mainframe-Bereich stammen", sagte Jeffrey, "die Brutto-Gewinnspannen für Mainframe-Hardware liegen bei 90 Prozent, bei Mainframe-Software bei 85 Prozent. Wenn Sie sich jetzt die Entwicklung der PC-Leistung anschauen und mit den Gewinnspannen im Mainframe-Bereich vergleichen, dann sehen Sie riesige finanzielle Unterschiede."

IBM sagt, daß die Unternehmensziele die Ziele des Marktes sind. "Wir beabsichtigen keineswegs, den PC-Markt zu verlassen. Gleichzeitig stehen wir zu unserer Mikrokanal-Architektur und werden mit der Zeit mehr und mehr die Preise senken, "sagte ein Sprecher.

IBM kann auf Unterstützung von traditionellen Mainframe-Anwendern zählen. "Im MIS-Bereich gibt es eine große Gruppe von Leuten, die der PC-Welt gegenüber negativ eingestellt sind, und diese Leute werden sich bald IBM anschließen", sagte Jeffrey. "Der Widerstand wird vor allem von PC-Anwendern und -Managern kommen."

Es ist wahrscheinlich, daß DV-Anwender und -Zentren, die bislang schon exklusiv mit IBM zusammenarbeiten, sich in Richtung verteilte Verarbeitung orientieren werden während der Rest der DV-Welt weiter auf dem chaotischen Weg des offenen Marktes bleibt.

Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Vielleicht werden es die Mainframe-Adepten sein.

*Der Beitrag ist der Federal Computer Week entnommen.