Bewerbung: Wenn der rote Faden fehlt

30.08.2012
Wer in seiner Selbstdarstellung nur auf Fakten und allgemeine Lebenslaufdaten setzt, wird von Unternehmen leicht falsch eingeschätzt.

Martin P. hatte alles richtig gemacht: Studium der internationalen Betriebswirtschaftslehre mit Auslandssemester und einigen Praktika, unter anderem in einer Beratungsfirma. Als er sich aber um seinen ersten Job bewarb, ließ der erhoffte Berufseinstieg zunächst auf sich warten.

Bescheidenheit irritiert

P. wollte als Human-Resources-Referent starten und bewarb sich folgerichtig auf meist operativ ausgerichtete Einstiegspositionen für Absolventen. Nachdem er sich im ersten Halbjahr nur Absagen holte, wandte er sich an die Karriereberaterin Birgit Zimmer-Wagner, die sich seit über zehn Jahren mit ihrem Mann auf die Betreuung von Jobsuchenden spezialisiert hat und auch Unternehmen bei der Kandidatensuche unterstützt.

Bei genauerer Analyse der vom Bewerber erstellten Dokumentation und seiner offenen und kommunikativen Persönlichkeit trat das Problem laut Zimmer-Wagner deutlich zutage: Die Arbeitgeber wunderten sich, weshalb der Bewerber sich für operatives Abarbeiten "allgemeiner Vorgänge, die auch ein Industriekaufmann erledigen kann, überhaupt beworben hat. Traut er sich nichts zu, obwohl er im Ausland als Berater tätig war, oder will er möglichst wenig arbeiten?", hat es ein Personaler auf Nachfrage zusammengefasst.

Martin P. war in die Bescheidenheitsfalle getappt, er traute sich weniger zu, als die einstellenden Unternehmen aus seinem Profil herauslasen. Die Fakten und allgemeinen Lebenslaufdaten allein hatten nicht gereicht, um den künftigen Arbeitgeber von seiner Eignung für die ausgeschriebene Position zu überzeugen, analysiert die Expertin. Ein durchgehendes Grundmotiv oder ein leitender Gedanke sei ein wichtiger Baustein jeder Bewerbung, die es dem Personaler ermögliche, Motivationen zu erkennen.

Erwartungen formulieren

Jeder Bewerber habe Stärken und Fachkenntnisse, die sein eigenes Bild ausmachen, ist Zimmer-Wagner überzeugt. Anders formuliert: Kann der Bewerber seine Motivation und Eignung für eine Position dokumentieren und begründen, steht einer Karriereentwicklung nichts im Wege. Es gehe aber nicht nur um die fachliche Rolle, den roten Faden, sondern auch um Stärken und Erwartungen des Bewerbers.

Ende gut, alles gut

Am Ende der Beratung resümierte Martin P.: "Ich habe diesen roten Faden zunächst nicht erkannt." Nach drei Monaten mit weiteren Bewerbungen meldete der Kandidat Vollzug: "Der Job entspricht genau dem, was ich mir vorgestellt habe, es ist ein adäquater Karriereeinstieg, was sich auch im Gehalt widerspiegelt."

Die Bewerberberaterin berichtet von einem weiteren Fall: Eine Managerin, die etliche Stationen in internationalen Unternehmen vorzuweisen hatte, war ratlos, warum ihre Bewerbungen auf Toppositionen nicht erfolgreich waren. Der rote Faden war vorhanden: Er ergab sich aus den Projekten und den unterschiedlichen Karriere-stationen. Die Managerin war "immer die Getriebene, die nicht abwartete, sondern stattdessen lieber die Firma wechselte", wie sie selbst im zweiten Beratungsgespräch erkannte.

Für eine Position im Topmanagement suchten viele Arbeitgeber aber eine Kandidatin, die auch einmal einen internen Aufstieg bewältigt hatte, Zähigkeit mitbrachte, auch gegen interne Widerstände heikle Themen durchsetzen konnte. Das traute man ihr nicht zu.

Also musste die Managerin ihren speziellen Karriereweg den skeptischen Arbeitgebern erklären: Für sie sei es wichtiger, viele unterschiedliche Sichtweisen kennengelernt und erfolgreich gemeistert zu haben, als alles stoisch abzuarbeiten. Zimmer-Wagner: "Fachlich konnte sie glänzen, persönlich lernte sie, ihren roten Faden als Stärke zu sehen."

Zunächst Absagen

Umsetzen konnte sie die Vorteile dann in den Vorstellungsgesprächen, so die Personalexpertin weiter: Die Managerin habe die potenziellen Arbeitgeber vor die Frage gestellt, ob sie eine Führungskraft wollten, die alles aussitzt und am Ende nach einer hohen Abfindung schielt, oder ob es um sachliche Ergebnisse gehe und man sich nach einigen Jahren auch fair trennen könne, wenn man feststellen sollte, dass "die Chemie nicht mehr stimmt". Sie erhielt nach diesem eher provokanten Selbst-Marketing Absagen, aber auch lukrative Angebote. (kf)