Bewerbung: IT-Profis müssen noch üben

06.12.2004
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.
Die Chancen gestandener IT-Experten für eine berufliche Veränderung sind nicht schlecht. Viele Kandidaten allerdings finden keinen Job, weil sie sich als Bewerber ungeschickt präsentieren.

Was dem Headhunter in den virtuellen Briefkasten flatterte, las sich viel versprechend: Informatikdiplom, attraktive Berufsstationen ohne Lücken - selbst mit rund 70000 Euro Jahresgehalt schien der knapp 40-jährige SAP-Spezialist nicht zu teuer. Schnell griff der Personalberater zum Telefon und arrangierte ein Treffen. Doch der erfahrene IT-Experte enttäuschte: Gesenkten Blickes wich er Fragen aus und äußerte sich abfällig über seine früheren Arbeitgeber. "Fachlich top, aber ein schwieriger Kauz", war dem Personalberater binnen Sekunden klar: "Den kann ich keinem Unternehmen anbieten."

Kein Einzelfall, wie Marktbeobachter bestätigen. Denn auf dem Personalmarkt tummeln sich nicht nur Bewerber, die überzeugende Referenzen vorweisen oder sich durch professionelles Networking auszeichnen. Auch Kandidaten, die weder wie "aus dem Ei gepellt" in Erscheinung treten noch durch Eloquenz bestechen, wollen einen neuen Job. Besonders berufserfahrene IT-Fach- und Führungskräfte tun sich schwer auf dem glatten Bewerbungsparkett. "Ihr Problem ist die Vermarktung der eigenen Person und Skills", urteilt Hermann Fuss, Partner der Personalberatung Allocate GmbH in München.

Dabei sind die Chancen gar nicht übel. Laut dem Branchenverband Bitkom will jedes zweite Software- und Dienstleistungsunternehmen neue Mitarbeiter einstellen. Gestandene IT-Experten mit guten Kontakten und weitem Horizont sind durchaus gefragt. Dass solche Bewerber sich manchmal etwas unbeholfen präsentieren, diesen Eindruck teilen auch Verantwortliche der einstellenden Unternehmen wie Michael Louis, Geschäftsführer von Mindjet International GmbH, Alzenau. Er registriert gewisse Schwierigkeiten, sich auf neue Aufgaben und Kollegen einzustellen, "wenn jemand jahrelang nur in einer Firma gearbeitet hat". Doch auch eine vielseitige Berufserfahrung schützt vor unvorteilhafter Selbstdarstellung nicht, erläutert Uwe Kloos, Personalleiter der BMW-Tochter Softlab in München. So gebe es immer wieder Bewerber, die im Verlauf ihrer bisherigen Karriere zwar viele Rollen eingenommen hätten, ihren persönlichen Beitrag zum Erfolg aber "nicht auf den Punkt bringen können".

Ein "zu geringes Stärkenbewusstsein" der Kandidaten beobachtet der Düsseldorfer Outplacement-Berater Eberhard von Rundstedt. Personaler seien unzufrieden, wenn sich Profis nicht als "Problemlöser" zu erkennen gäben. Denn genau das erwarten Firmen von erfahrenen IT-Experten. "Zu engstirnig" seien viele Bewerber, kritisiert der Münchner Personalberater Jürgen Herget. Seine Diagnose, warum Selbsteinschätzung der sich neu orientierenden IT-Experten und Erwartungen auf Arbeitgeberseite nicht zusammenpassen: Viele Bewerber stellten ihre fachliche Kompetenz gwissermaßen isoliert dar, ohne die "speziellen Bedürfnisse des Unternehmens" zu berücksichtigen.

Aus Sicht der Personaler ist das Verhalten nicht weniger Jobsuchender ein Mix aus Schlampigkeit, Ignoranz und Arroganz. Louis ist regelmäßig mit Bewerbern konfrontiert, die "nur unzureichend über Mindjet und seine Produkte informiert sind" oder darauf verzichten, "aktives Interesse an der Position zu zeigen, für die sie sich beworben haben." Softlab-Personalchef Kloos hat kein Verständnis dafür, wenn Bewerber lediglich ihren Marktwert testen und mehr Geld verdienen wollen. Davon können auch Personalberater ein Lied singen. Beispielsweise will ein Unternehmen den präsentierten Kandidaten einstellen, aber der macht plötzlich einen Rückzieher, "weil er das Jobangebot bei seinem aktuellen Arbeitgeber als Druckmittel einsetzt, um bessere Konditionen auszuhandeln", berichtet Dagmar Schimansky-Geier, Geschäftsführerin der Personalberatung 1a Zukunft GmbH in Köln.

Doch wo liegen die Gründe dafür, dass manche IT-Leute nicht von ihrem hohen Ross herunterkommen wollen? Weshalb ignorieren sie beharrlich, dass für Unternehmen "die soziale Kompetenz wichtiger ist als die fachliche", wie Mindjet-Chef Louis betont? Haben sie die "veränderte Rolle der IT" noch nicht erfasst und scheitern insofern an ihrer Sozialisation, wie Berater Fuss argumentiert? Manche Bewerber könnten nicht vermitteln, dass sie IT als "Wertschöpfungsbeitrag" betrachteten und machten einen zu technikverliebten Eindruck, meint der Personalberater.

Welche Hilfe können IT-Experten mittleren Alters in Anspruch nehmen, um sich auf Jobsuche besser darzustellen? Sich vom Headhunter coachen zu lassen, empfiehlt etwa Beraterin Schimansky-Geier, die ihre Aufgabe darin sieht, die Bewerbung des Kandidaten "auf die Kultur des Unternehmens abzustimmen." Intensiv bereitet die Personalberaterin ihre Kandidaten auf die Gespräche vor und übt im Anschluss Manöverkritik.

Allocate-Partner Fuss hat für berufserfahrene IT-Fachkräfte einen Karriere-Workshop ent-wickelt, der auch im Alumni-Netzwerk der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) in Vallendar angeboten wird und Bestandteil des MBA-Curriculums in St. Gallen ist. In den ein- und zwei-tägigen Seminaren erarbeiten die Teilnehmer zunächst ihr persönliches "Markenprofil". Abseits der Routine des beruflichen Alltags rekapituliert jeder Teilnehmer, auf welchen Stärken seine bisherige Karriere aufbaut und welche persönlichen Erfolge den Werdegang auszeichnen - was für viele neu ist. "Das Markenprofil macht den Bewerber unterscheidbar und einzigartig", sagt Fuss, "allein darauf kommt es an."

Gelungene Selbstdarstellung

Im zweiten Schritt definieren die Teilnehmer ihre Karriereziele, wobei ihnen die Berater helfen, den Markt gemäß individuellen Präferenzen zu sondieren. Mit anderen Worten: Wer bisher Verwaltungsprojekte gestemmt hat, orientiert sich nicht in die Vertriebsunterstützung und ist auch nicht prädestiniert für internationale Aufgaben. Und ein erfahrener Data-Warehouse-Manager sattelt eher ins Customer-Relationship-Management um als in die kommunale Datenverarbeitung.

Abgerundet wird der Workshop mit Rollenspielen, in denen sich die Teilnehmer in Gesprächsführung und Gehaltsverhandlung erproben können, sowie durch Ratschläge, wie sich das persönliche Markenprofil überzeugend im Bewerbungsschreiben und dem Lebenslauf zur Geltung bringen lässt. Hier würden die größten Fehler gemacht. "Die meisten Lebensläufe sind kaum voneinander zu unterscheiden", kritisiert Personalberater Fuss. Technische Skills und "Job Descriptions" stünden im Vordergrund und nicht - wie von den Unternehmen gewünscht - was den Kandidaten besonders auszeichne, welche Erfolge er vorweisen und welchen Vorteil er für das Unternehmen bringen könne.

Kurze, überzeugende Story

Wichtig: Berater wie Personaler interessiert lediglich, was in den letzten Berufsjahren passiert ist. Anders als beim Berufseinsteiger, der mit Noten, Studienschwerpunkten, Praktika und persönlichen Interessen Hoffnungen wecken soll, muss der Profi eine überzeugende Story erzählen - aber nicht in epischer Breite. Alles was nicht mit der aktuellen sowie der vorherigen Berufsstation zu tun hat, ist für die Entscheidung bedeutungslos.

Personaler wollen "einen roten Faden" in den Bewerbungen sehen, wie Fuss es ausdrückt. Die berufliche Entwicklung müsse einer gewissen Logik folgen. Gut verpackte Inhalte seien "der springende Punkt", so Fuss. Wie sehr sich der Kandidat fürs Unternehmen eigne, sollte auch attraktiv mitgeteilt werden, etwa durch kurze Sätze und zahlreiche Verben. "Wer sich in Fachchinesisch ergeht oder Worthülsen wie ,dynamisch` oder ,teamorientiert` verwendet, ohne sie zu belegen, hat keine Chance."

Formale Kriterien, urteilen Berater und Personalverantwortliche übereinstimmend, seien nicht das Problem. Nur selten unterlaufen demnach Bewerbern Anfängerfehler bei der Fotoauswahl oder der Strukturierung von Anschreiben und Lebenslauf. Die Bewerber sind auch flexibler, als manchmal behauptet wird. "Die meisten Kandidaten weichen der Belastung nicht aus", berichtet die Kölner Personalberaterin Schimansky-Geier. "Sie würden durchaus zwischen Köln und Karlsruhe pendeln."