CW-Diskussion auf der Systems 2003 zum IT-Arbeitsmarkt

Bewerbern wird mehr abverlangt

31.10.2003
MÜNCHEN (iw) - Auf dem IT-Arbeitsmarkt gibt es nur schwache Signale einer Entspannung. Unternehmen stellen weiterhin zurückhaltend ein, fordern viel von den Bewerbern und zahlen weniger. In einer Diskussionsrunde auf der Systems in München präsentierten sich die Arbeitgeber selbstbewusst.

"Ich sehe die Situation heute positiver als zur CeBIT", erklärte Corinna Diederichs, Personalchefin des Softwarehauses 3Soft in Erlangen. Momentan beschäftigt das Unternehmen 180 Mitarbeiter, bis Jahresende sollen es 200 sein. "Es geht mit großen Schritten nach vorn, die Aufträge kommen so langsam aus der Schublade", begründet Diederichs ihren Optimismus.

Euphorie mochte sich bei den anderen Diskussionsteilnehmern des Karriereforums nicht so recht einstellen. Uwe Holländer, Personal-Manager vom Pharma- und Chemiekonzern Bayer, sucht zwar neue IT-Mitarbeiter, aber die bescheidene konjunkturelle Entwicklung hierzulande und der Skandal um das Arzneimittel Lipobay wirken nach. Bayer habe in der Vergangenheit nie über Bedarf eingestellt und bleibe laut Holländer auch bei dieser zurückhaltenden Personalpolitik. Der Chemie- und Pharmariese bevorzugt für seine IT-Abteilung Naturwissenschaftler mit einer IT-Qualifikation. Ausbildung und Noten spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Auch der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) erwartet im kommenden Jahr kaum Impulse für den IT-Arbeitsmarkt. "Wir gehen davon aus, dass sich die Zahl der Beschäftigten stabilisiert und kein weiterer Abbau stattfindet", prognostizierte Bernhard Rohleder, Vorsitzender der Geschäftsführung des Bitkom. Allerdings herrsche in einigen Bereichen, etwa in der Sparte IT-Sicherheit, noch immer Fachkräftemangel.

Was erwarten die Unternehmen von den Bewerbern? Frank Mang, Chef des Münchner Accenture-Büros, sucht neben Beratern vor allem Softwareentwickler. "Wir haben Beratung schon immer technisch verstanden. Zwei Drittel unserer Leute arbeitet in der Entwicklung", schildert Mang. Das Unternehmen plane, in nächster Zeit 700 neue Mitarbeiter einzustellen. Technisches Wissen stehe dabei im Vordergrund.

Ob für Berater, Softwareentwickler oder Vertriebsmitarbeiter - die Anforderungen steigen, die Messlatte für die Bewerber liegt höher. In den Boomzeiten waren Unternehmen noch bereit, neue Mitarbeiter einzustellen, die nicht hundertprozentig dem geforderten Profil entsprachen. Heute können Personalchefs genau die Leute auswählen, die die gewünschten Qualifikationen mitbringen. "Studenten mit mäßigen Noten haben schlechte Chancen", erklärt 3-Soft-Frau Diederichs. Das mittelfränkische Softwarehaus nimmt die Bewerber genau unter die Lupe. Dort durchläuft jeder Interessent Tests, seine fachliche Qualifikation wird genau überprüft.

Ein abgeschlossenes Studium erwarten dagegen längst nicht alle Arbeitgeber. Manche setzen auch weiterhin auf flexible Generalisten, die ihre Fähigkeiten anhand von Berufs- und Projekterfahrung in der Bewerbung plausibel darstellen müssen.

Die strengere Personalauswahl kann auch Jürgen Herget bestätigen. "Die formalen Kriterien müssen passen. Wir erhalten auf eine ausgeschriebene IT-Stelle schon mal zwischen 250 und 530 Bewerbungen", erzählte der Personalberater von der JBH Personal- und Management-Beratung in München, der im Auftrag von Unternehmen Mitarbeiter sucht. Anschreiben mit Fehlern oder nachlässig formulierte Bewerbungen werden zurückgesandt. Firmen definieren präzise, welche Qualifikationen die neuen Kollegen haben sollen, und schicken die geeigneten Bewerber zusätzlich ins Assessment-Center. "Alle Bewerber für einen Topjob durchlaufen dieses Auswahlverfahren", ergänzte Herget aus seiner Recruiting-Erfahrung.

Die Gehälter sinken

Aber auch die Jobsuchenden setzen heute andere Prioritäten. Dazu zählt beispielsweise ein stärkeres Sicherheitsdenken. "Wie sicher ist mein Job in Ihrem Unternehmen?", fragen Bewerber heute häufiger im Vorstellungsgespräch. Ihre Bereitschaft, ein Risiko einzugehen, sei heute geringer, so auch die Erfahrung von Accenture-Manager Mang. "Berater haben ein schlechtes Image. Alle schlechten Eigenschaften werden ihnen zugeschrieben", so sein Eindruck.

Personaler kritisierten auf der Systems, dass sich die schlechteren Bedingungen am Arbeitsmarkt bei vielen Bewerbern noch nicht herumgesprochen hätten. Einige suchten weiterhin nur bei Großunternehmen wie Siemens oder SAP nach neuen Jobs und ignorierten dabei die von kleineren und mittelständischen Firmen gebotenen Chancen. Anderen Arbeitssuchenden fehle die nötige Mobilität und Flexibilität. Bewerber sollten darüber nachdenken, für einen attraktiven Arbeitsplatz auch in ländliche Regionen umzuziehen und beim Gehalt Abstriche in Kauf zu nehmen.

Einige Unternehmen entwickeln bereits neue Vergütungsmodelle, in denen beispielsweise größere Teile der Vergütung variabel und erfolgsabhängig sind. Einstiegsgehälter von Hochschulabsolventen und Berufsanfängern sind heute niedriger als noch vor zwei oder drei Jahren. "Die Bewerber sind noch nicht flexibel genug", bringt es Herget auf den Punkt. "Wir haben heute eine andere Epoche. Die Gehälter liegen teilweise 20 bis 25 Prozent niedriger."

Das Klima auf dem Arbeitsmarkt ist rauer geworden, viele Illusionen sind verschwunden. Die Gehälter sind gesunken, die Karriereperspektiven unsicherer geworden, und die Arbeitsbedingungen leiden unter dem - konjunkturell bedingt - schwierigen Betriebsklima.

Der Personalexperte Volker Reichenbach von der Msg Systems AG setzt dagegen auf eine langfristige Personalpolitik und Mitarbeiterbindung. "Wir hatten in Boomzeiten eine Fluktuation von weniger als drei Prozent", erzählt er stolz. Weiterbildung, Sozialprogramme und eine Unterstützung bei der Rentenversicherung gehören zu den angebotenen Zusatzleistungen, die die Mitarbeiter anscheinend honorieren. Von einer Hire-and-Fire-Politik hält er wenig. "Die Menschen sind nicht so dumm, wie gemeinhin angenommen wird. Mitarbeiter vergessen nicht so leicht, wenn Unternehmen sie schlecht behandeln."