Integrierte Kommunikation sicher Marktpositionen:

Betriebsübergreifender Datenaustausch

03.03.1989

Die Erweiterung von Informationssystemen auf verbundene Unternehmen erfordert eine frühzeitige und genaue Festlegung von Ablaufketten, Schnittstellen und Verantwortlichkeiten. Aufgrund der hohen Komplexität dieser betriebsübergreifenden Systeme ist das Engagement der Unternehmensleitung sowie ein straffes Projektmanagement unerläßlich. An einigen Beispielen wird gezeigt, wie wichtig heute diese Systeme für die Unternehmensstrategie sind.

EDV-orientierte Informationssysteme unterstützen nicht nur das Informationsgeschehen eines einzelnen Unternehmens, sondern beinhalten zunehmend auch betriebsübergreifende Funktionen. Sie tragen damit der Tatsache Rechnung, daß ein vielseitiger Informationsaustausch zwischen den Unternehmen existiert. Eine Folge der heutigen Arbeitsteilung ist, daß die eigene Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr alleine durch eine effiziente Führung des eigenen Betriebes sichergestellt werden kann, sondern nur durch vollständige Kenntnis und Einbeziehung aller Informationsbeziehungen.

Informationsbeziehungen, die mehrere Betriebe mit einbeziehen, heißen betriebsübergreifende Systeme, im Gegensatz zu den betrieblichen Informationssystemen.

Die Planungsphase darf nicht überschätzt werden

Datenfernverarbeitung, die elektronische Übermittlung von Daten, war eine wesentliche Voraussetzung für betriebsübergreifende Informationssysteme. Erste Implementierungen waren ab Anfang der 70 er Jahre möglich. Heute sind diese Verfahren weitestgehend standardisiert und ermöglichen es jedem Betrieb, auf einfache Weise diesen Datenaustausch mit anderen Betrieben zu automatisieren. Beispiele hierfür sind Standards wie SNA (System Network Architecture), OSI (Open System Interconnection) sowie Btx.

Datenfernverarbeitung allein macht jedoch noch kein betriebsübergreifendes Informationssystem aus. Hinzu kommen muß die Integration von Daten und Anwendungen mehrerer Betriebe. Hierbei lassen sich drei Formen unterscheiden:

1.1 Funktionale Integration

Die Tatsache, daß die Produktion und der Vertrieb eines Produktes mehrere Betriebe umfassen, ist heute wohl eher die Regel als die Ausnahme. Unternehmen der Automobilindustrie sind ein typische Beispiel der funktionalen Arbeitsteilung. Wesentliche Bauteile werden von anderen Betrieben hergestellt und zur Fertigstellung des kompletten Fahrzeugs an das Automobilunternehmen geliefert. Vertrieb und Service werden wiederum von anderen Betrieben übernommen. Das umfassende Informationssystem hat den gesamten Prozeß von der Konstruktion bis hin zu Vertieb und Service zu uterstützen und somit alle Beteiligten zu integrieren.

Dr. Wolfram Ischebeck ist Generalbevollmächtigter der IBM Deutschland GmbH. Dieser Artikel ist aus Informations Management 1/89 entnommen.

Der Individualität der einzelnen betrieblichen Systeme sind enge Grenzen gesetzt.

Einheitliche Daten, Anwendungen und Kommunikation sind wesentliche Voraussetzungen für das Zustandekommen dieser Arbeitsteilung. So werden beispielsweise Konstruktionsaufgaben im allgemeinen mittels zentraler CAD-Systeme durchgeführt. Geschäftspartner haben Zugriff zu der Konstruktionsdatenbank und der daraus abgeleiteten Datenbank der Stücklisten. Arbeits- und Zeitpläne jedoch werden in Abstimmung mit dem zentralen Informationssystem auf die einzelnen betrieblichen Systeme delegiert.

Eine ähnliche Aufteilung erfolgt für die Auftragsverwaltung, Auslieferung und Service. Auftragserfassung und Service werden durch den einzelnen Partner vorgenommen. Terminierung, Auslieferung und Ersatzteildisposition sind jedoch Aufgabe des zentralen Systems des Automobilunternehmens.

1.2 Kooperative Integration

Kennzeichen kooperativer Systeme ist die gemeinsame Nutzung von Informationssystemen durch mehrere Betriebe mit gleichartigen Aufgaben. Diese Systeme findet man als gemeinschaftliche Systeme zum Beispiel im Kreditwesen sowie im komunalen Bereich. Charakteristisch für diese Kooperation ist, daß die Betriebe wesentliche Teile ihres Informationssystems gemeinsam und einheitlich entwickeln sowie betreiben. Ein wesentlicher Vorteil dieser Systeme liegt in der höheren Produktivität des gemeinsamen Systems gegenüber der Summe einzelner Systeme. Nur das gemeinsame Vielfache der Anwendungen aller Betriebe qualifitiert sich jedoch für diese Kooperation. Individuelle Aufgaben müssen basierend auf dem überbetrieblichen System, im jeden Betrieb einzeln durch angeschlossene Informationssystem gelöst werden.

1.3 Verticale Integration

Eine dritte Form betriebsübergreifender Systeme ist die Integration betrieblicher Systeme durch übergeordnete gemeinsame Systeme. Im folgenden soll hierzu das computergestützte Informations- und Vertriebssystem AMADEUS vorgestellt werden. Zielsetzung von AMADEUS ist es, den waschenden Anforderungen der Reisenden, der Fluglinien und anderer Anbieter touristischer Leistungen gerecht zu werden, indem es wertneutrale Informationen anbietet. Wie in Abbildung 1 dargestellt, bietet die Direct-Access-Technik nicht nur Zugriff zu den wichtigsten Fluggesellschaften, sondern auch zu Hotels, Autovermietern und Reiseveranstaltern. Dabei können aktuelle Verfügbarkeitsanzeigen und sonstige aktuelle Informationen direkt aus den Systemen der Anbieter abgefragt werden.

Complete Access ist die Methode, mit der eine Computer-zu-Computer-Verbindung zwischen AMADEUS und dem amerikanischen Partner SYSTEM ONE hergestellt wird. AMADEUS Access bietet einen für den Anwender transparenten Zugriff auf die Systeme der AMADEUS-Fluggesellschaften. Dieser Zugriffsmechanismus ermöglicht eine verfügbarkeitsanzeige, die die Anzahl der echt zur Verfügung stehenden Sitze für einen bestimmten Flug direkt aus dem Airline-Inventory-System anzeigt. Außerdem verschafft es den Vorteil, den letzten verfügbaren Sitzplatz verkaufen zu können.

Zur Unterstützung und Ergänzung der zentralen Leistungen von AMADEUS steht das dezentrale Informations- und Vertriebssystem TAMS (Travel Agency Management System) für das einzelne Reisebüro zur Verfügung. Hierfür finden moderne Personal Computer als Teminals Verwendung, welche sogenannte "Komfort-Functionen" bereithalten. Diese unterstützen sowohl die Online-Verfahren des Reservierungs- und Verkaufsvorganges (Front-Office-System/FOS) als auch - mit individuell einsetzbarer, reisebürospezifischer Software - die Verwaltungsarbeiten des Reisebüros (Back-Office-System/BOS). Die FOS umfassen insbesondere Kundenprofile und Auftragsdatenerfassung mit benützerfreundlichen Eingabeformaten. Unter BOS-Funktionen fallen das Rechnungswesen eines Reisebüros, Management- und Informationssysteme zur Erfassung und Überwachung von Budgets, die Durchführung von Mailing-Aktionen, das Erstellen von Finanzstatistiken sowie die Erstellung von Marketing-Statistiken.

Mit Hilfe des Travel Expense Management Systems (TEMS) kann schließlich jedes Reisebüro für seine Kunden Reisekosten-Abrechnungen, Vorschußkontrollen, Budgetkontrollen von Reisekosten sowie die Erfassung und Auswertung der Reisehaupt- und reisenebenkosten durchführen. Abbildung 2 zeigt in vereinfachter Form die Systemarchitektur und das eigene Netzwerk der an AMADEUS angeschlossenen Luftverkehersgesellschaften.

Das Reisevertriebssystem AMADEUS geht auf die gemeinsame Initiative von vier starken und traditionell konkurrierenden Fluggesellschaften (Air France, Iberia, Lufthansa und Scandinavian Airline System) zurück.

Nach Pressemitteilungen erfordern derartige Projekte erhebliche Investitionen (mehrere 100 Millionen Mark in den kommenden zwei bis drei Jahren) sowie ein spezielles Projektmanagement, auf das im folgenden näher eingegangen wird.

Betriebsübergreifende Informationssysteme erfordern in allen Phasen der Projektentwicklung ein konsequentes Projektmanagement. Bereits in der ersten Projektphase, der Grobkonzeption dieser Systeme, muß festgelegt werden, welche Aufgaben innerhalb des Gesamtsystems überbetrieblich oder betrieblich abgedeckt werden sollen und die Einbeziehung vorhandener Systeme gewährleistet werden kann. Deshalb ist mehr noch als bei betrieblichen Systemen diese Konzeptionsphase von ausschlaggebender Bedeutung für den späteren Erfolg. Aus diesem Grund sollte sie auch das Design von Datenbanken und Kommunikationsprotokollen enthalten.

Besondere Bedeutung haben hier Fragen der Daten- und Ablaufsicherheit. Jeder der beteiligten Betriebe wird mit Recht verlangen, daß "seine" Daten gesichert sind und der Datenzugriff durch andere Betriebe kontrolliert und dokumentiert wird. Entscheidungen über alle wesentlichen Elemente des Gesamtsystems erfordern die frühzeitige Einbeziehung und Zustimmung aller beteiligten Betriebe. Erst während des Integrationstests zeigt sich, inwieweit tatsächlich die einzelnen Elemente des Gesamtsystems ineinandergreifen. Erfahrungsgemäß muß deshalb deutlich mehr Zeit vorgeplant werden als bei einem Integrationstest eines betrieblichen Systems.

Bei funktionalen Systemen sind mehrere Betriebe an dem Fertigungs- und Vertriebsprozeß eines Produktes beteiligt. Ein Unternehmen jedoch ist federführend. Es hat die Gesamtverantwortung für die Konzeption und somit für die Festlegung der Systemarchitektur.

Im Gegensatz zu den betrieblichen Systemen, wo die Entscheidung für solche Systeme allein bei der Unternehmensleitung liegt, kann die Einführung betriebsübergreifender Systeme bei Geschäftspartnern nicht so einfach angeordnet werden. Grundsätzlich ist jeder Betrieb frei in seiner Entscheidung. Un diesen Entscheidungsprozeß zu beschleunigen und um sicherzustellen, daß die Interessen aller beteiligten Betriebe Berücksichtigung findet, wird in der Praxis häufig ein sogenannter "Projektausschuß" aus Vertretern aller Betriebe gebildet. Dieses Gremium ist nicht nur aktiv durch Festlegung der Projektziele an der Konzeption beteiligt, sondern auch an der Freigabe jeder folgenden Phase der Systementwicklung. Nur durch diese frühe und aktive Einbeziehung läßt sich später bei der Einführung eine breite Akzeptanz erreichen.

Insbesondere aus Kostengründenwurden früher auch für übergreifende Systeme eine gemeinsame Datenbank und ein zentrales Computersystem genutzt. Angeschlossene Betriebe hatten Zugriff via Terminals.

Durch das zunehmend attraktivere Preis/Leistungs-Verhältnis von Mini- und Personalcomputern zeichnet sich jedoch eine Verlagerung ab. Heute werden Computer dort installiert, wo die erforderlichen Daten verfügbar sind und die Anwendungen benötigt werden. Das führt letztlich zu einer Daten- und Anwendungskoordination mit dezentraler Verarbeitung. Übergreifende Informationssysteme umfassen demnach mehrere Computersysteme entsprechend den einzelnen Anforderungen jedes beteiligten Betriebes mit einem gemeinsamen Kommunikationsnetz. Aufgabe des oben genannten Ausschusses ist es, die optimale Struktur für zentrale und dezentrale Systeme zu finden.

Schnelle Reaktion auf Veränderungen

Kooperative Systeme sind in starkem Maße zentral aufgebaut. Die gemeinsame Nutzung von Anwendungen steht im Vordergrund. Aber auch hier werden in zunehmendem Maße Computer innerhalb der einzelnen Betriebe eingesetzt. Dadurch kann der Betrieb seine spezifischen Aufgaben, die nicht Bestandteil des gemeinsamen Systems sind, realisieren.

Diese erhöhte Flexibilität ist heute ein wesentliches Kriterium der Wettbewerbsfähigkeit. Durch ein integriertes Informationssystem, das alle Geschäftspartner umfaßt, können kundenspezifische Besonderheiten in größerem Umfang bei gleichzeitig kürzeren Lieferterminen realisiert werden. Dies ist letztlich einer der Gründe, warum Unternehmen der Automobilindustrie übergreifende Informationssysteme implementieren. Ähnliches gilt für das vorher dargestellte Reservierungssystem. Sie werden das Angebot kompletter Reisearrangements sowie den kurzfristigen Ausgleich von Kapazitäten ermöglichen. Dies wiederum sichert langfristig Marktpositionen und Wettbewerbsfähigkeit.

In ähnlicher Weise gilt dies auch für die kooperativen Systeme. Jeder der beteiligten Betriebe kann so Anwendungslösugen anbieten, die er - alleine auf sich gestellt - in dieser Form nicht hätte realisieren können. Dies gilt beispielsweise für gemeinsame Systeme von Kreditinstituten, die auch dadurch in der Lage sind, die vielfältigen neuen Angebote in dieser Branche in relativ kurzer Zeit ihren Kunden zur Verfügung zu stellen (zum Beispiel Electronic Banking). Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Erweiterung des Angebotsspektrums. So bieten zum Beispiel Kreditinstitute in zunehmendem Maße ihren Geschäftskunden PC-Anwendungsprogramme für deren Finanzanwendungen an , verbunden mit der Möglichkeit, Zahlungsvorgänge direkt mit dem System des Kreditinstituts abzuwickeln. Automobilfirmen ermöglichen mittels ähnlicher Einrichtungen ihren Vertriebspartnern das Angebot von Finanzierungs- und Terminalternativen. Betriebsübergreifende Informationssysteme unterstützen auch die langfristige Zusammenarbeit der beteiligten Unternehmen. Bemühungen um Anwendungsstandards wie EDI (Electronic Data Interchange) haben das Ziel, Anwendungen verschiedener Systeme zu normen und damit die Transparenz zu erhöhen.

Keine Zukunftschance ohne umfassende Vernetzung

Betriebsübergreifende Systeme setzen sich weiter durch. Dabei werden die Betriebe sich auf eine Integration in mehrere Richtungen einstellen müssen, zum Beispiel den Beschaffungssystemen von Lieferanten oder von Vertriebssystemen mit Kunden. Neue Anwendungen werden dadurch möglich, wie zum Beispiel Corporate Banking oder intergrierte Productions- und Terminplanung. Aufgrund der langfristigen Bindung und der Bedeutung dieser Systeme für die zukünftige Position des eigenen Unternehmens ist eine vorrangige Aufgabe der gesamten Unternehmensleitung, hierfür rechtzeitig eine Strategie zu erarbeiten. Dies gilt um so mehr, wenn der Erfolg des eingenen Unternehmens mehr und mehr von dieser engen Kooperation mit anderen Unternehmen abhängig ist