Berufsbilder den neuen Arbeitsinhalten anpassen

04.11.1988

Herbert Rotthauwe, Leiter DV-Aus- und Fortbildung Veba Oel AG Gelsenkirchen

Die zunehmende Integration moderner Technologien in die Verwaltung und Produktion der Unternehmungen ist heute unbestritten und braucht nicht erst durch Statistiken oder Trend-Analysen bewiesen werden.

Dies gilt sicherlich auch für den Bedarf an Mitarbeitern, die neben dem Fachwissen das Know-how besitzen, um mit den neuen Technologien umgehen zu können. Die Veba Oel AG hat in den letzten Jahren in verstärktem Maße durch eine Intensivierung der DV-Aus- und Fortbildung dafür gesorgt, daß ihre Mitarbeiter - soweit sie sich bereits im Arbeitsprozeß befinden oder sich im Rahmen ihrer Ausbildung darauf vorbereiten - mit diesen neuen Technologien bekannt gemacht werden.

Andererseits wird es immer deutlicher, daß eine Reihe von Ausbildungsberufen wie zum Beispiel die Bürogehilfin oder auch der Industriekaufmann mit ihren Ausbildungsinhalten nicht mehr ganz den heutigen Erfordernissen des Berufsalltages gerecht werden. Mitarbeiter wie beispielsweise unsere Bürogehilfinnen werden es immer schwerer haben, "draußen" in der Wirtschaft einen adäquaten Arbeitsplatz in der Großindustrie zu finden, wenn man ihnen nicht während ihrer Ausbildung moderne Technologien nahebringt wie zum Beispiel Textverarbeitung oder grafische Datenverarbeitung am PC, die heute in zunehmendem Maße zu den Aufgaben der Sekretariate gehört.

Es erscheint mir sinnvoll, wenn entweder bestehende Berufsbilder den Erfordernissen neuer, moderner Arbeitsplätze angepaßt werden oder wenn neue Berufsbezeichnungen mit entsprechenden Ausbildungsinhalten definiert werden.

Nur offiziell anerkannte Berufsbilder, verbunden mit einer staatlich anerkannten Abschlußprüfung und einer allgemein bekannten und akzeptierten Berufsbezeichnung werden den Auszubildenden Chancen in der Großindustrie oder Verwaltung eröffnen.

Wir alle wissen, daß gerade aufgrund der bestehenden Situation - das heißt des Fehlbedarfs an fachlich gut ausgebildeten Mitarbeitern - viele Unternehmen auf dem Markt versuchen, durch entsprechende Ausbildungsangebote Umsätze zu machen. Dies - obwohl es sicherlich eine Reihe seriöser Unternehmen dabei gibt - führt für den Beteiligten, der sich ausbilden läßt, nicht immer zu den gewünschten Erfolgen. Denn diese Institute haben, soweit sie nicht einen ganz großen Namen haben wie die Hersteller selber, kaum über die Grenzen ihrer Schule hinaus den Ruf, den sie benötigten, um ihren Schülern eine reale Chance bei Großunternehmen einzuräumen.

Erst wenn es gelingen wird, im Bereich der neuen Technologien entsprechende einheitliche Berufsbilder festzulegen und entsprechende praktische Berufsausbildungen durchzuführen - erst dann glaube ich - haben solche Absolventen eine gute Chance bei Großunternehmen. Solange eine Vielzahl von Instituten Umschüler ohne Eingangsqualifikationsprüfungen aus allen Berufssparten umschulen zum Beispiel zu DV-Kaufleuten, kann ein Großunternehmen kaum auf solche Absolventen zurückgreifen, deren Qualifikation durch die nicht immer sehr praxisorientierte Ausbildung sehr zweifelhaft ist. Diese Absolventen, wenn sie überhaupt ihre Prüfung bestehen, haben doch höchstens eine Chance bei Kleinunternehmen, bei kleineren Softwarehäusern, die solchen Leuten eine Chance zu geben überhaupt in der Lage sind.

Großunternehmen erwarten eine fundierte Ausbildung in den Bereichen, die durch ihr Unternehmen wahrgenommen werden, zudem eine solide Ausbildung in dem Bereich moderner Technologie und nicht zuletzt auch eine gute schulische Vorbildung. Dies alles scheint mir nicht gegeben zu sein, wenn ohne vorhergehende Eingangsqualifikationsprüfung fast jedem die Möglichkeit eröffnet, aufgedrängt oder angeboten wird, doch dem Trend zu folgen, an einer DV-orientierten Berufsausbildung oder Umschulung teilzunehmen.

Ich glaube es ist langsam an der Zeit, daß wir entsprechend der Entwicklung der neuen Technologien bei den Berufen der Verwaltung als auch der Produktion diese Integration der Datenverarbeitung, der neuen Technologien, in welcher Form auch immer, zur Kenntnis nehmen, in die Berufsbilder umsetzen, sie erweitern, ändern, neue Schwerpunkte setzen oder neue Ausbildungsberufe festschreiben. Nur so geben wir den Absolventen derartiger Ausbildungsmöglichkeiten und den Umschülern eine reale Chance aufgrund ihrer Ausbildung auch die Qualifikation zu bekommen, die benötigt wird und die auch anerkannt wird und somit ihnen eine Chance bietet, tatsächlich eine Anstellung zu finden, die ihrer Ausbildung gerecht wird.

Es ist sicherlich langsam auch an der Zeit, in diesem Bereich nicht immer "hinterherzuhinken", sondern auch einmal für den Bedarf der Zukunft auszubilden. Damit wird auch der Wirtschaft, der Industrie und der Verwaltung ein Dienst erwiesen. Es ist doch eine altbekannte Tatsache, daß Produkte, die nicht mehr gebraucht werden, sich nicht verkaufen lassen. Dies - so meine ich - gilt auch für Berufsausbildungen.

Weiterbildung und Ausbildung muß zunehmend aus der Rolle des Reagierens und Reparierens herausgeführt und zu einem offensiven Instrument für die Bewältigung zukünftiger Erfordernisse der Arbeitswelt werden.