Bericht zur Jahr-2000-Lage der Nation

Bericht zur Jahr-2000-Lage der Nation Vernichtendes Zeugnis für deutsche Firmen

02.04.1999
MÜNCHEN (CW) - Eine Umfrage der Hermes Kreditversicherungs AG zur Jahr-2000-Umstellung brachte Bedenkliches an den Tag: Ein Drittel der Befragten hat sich erst vergangenes Jahr oder noch gar nicht informiert, rund 60 Prozent noch kein Projekt gestartet.

Die Assekuranz kontaktierte in rund 2260 Telefoninterviews Firmen aus 25 Branchen. Die Ergebnisse wurden gewichtet und anhand von Daten des Statistischen Bundesamtes zur Unternehmensstruktur hochgerechnet.

Die Autoren schreiben, daß nur knapp 40 Prozent der befragten Firmen dem Jahr-2000-Thema einen großen oder sehr großen Stellenwert beimessen. Dies sei um so erstaunlicher, als die Problematik bereits seit mindestens zwei Jahren öffentlich diskutiert werde.

Auch die Umstellungsaktivitäten werden in der Erhebung als unzureichend bezeichnet. Mehr als 50 Prozent aller nun laufenden Projekte wurden erst 1998 begonnen. Von den Unternehmen, die noch nicht in der Testphase waren, hatte mehr als die Hälfte keine Maßnahmen-, Kosten- oder Zeitpläne aufgestellt.

Kein Zeitpuffer für Problemlösung

Die meisten Firmen, die noch vor der Testphase standen, begannen erst Ende 1998 oder Anfang 1999 mit Prüfläufen.

Ein Drittel der Umfrageteilnehmer, die sich zwischen Analyse- und Implementierungsphase befinden, erwartet den Abschluß dieser Arbeiten erst für das dritte oder vierte Quartal 1999. Diese Firmen haben also keine zeitlichen Pufferzonen für den Fall, daß Schwierigkeiten im Umstellungszeitraum auftreten. Weitere 13 Prozent, so die Hermes-Rechercheure, wußten nicht einmal, wann ihre Systeme Jahr-2000-fit sein werden.

Jedes vierte der untersuchten Unternehmen, so eine weitere Erkenntnis, hat bereits heute arge Kopfschmerzen wegen der nur noch geringen verbleibenden Zeit von neun Monaten bis zum großen Countdown.

Produktion steht nach kurzer Zeit still

Noch ernüchternder stellt sich die Unternehmensbilanz dar, bezieht man die Abhängigkeit der befragten Firmen zu Dritten, etwa Lieferanten oder Zulieferern, mit ein. Die Kenntnisse über den Status quo bei Partnern sei erschreckend schlecht, obwohl bei vielen Betrieben die Produktion bei Ausfall eines Hauptlieferanten bereits "nach sehr kurzer Zeit stillsteht".

Mehr als jedes fünfte deutsche Unternehmen (21 Prozent) kann den Ausfall eines Hauptlieferanten nicht länger als eine Woche verkraften. Weitere 16 Prozent könnten höchstens einen Monat weiterproduzieren.

Erschreckend auch die Ahnungslosigkeit vieler Firmen, geht es um ihre Geschäftsprozesse: 27 Prozent wissen noch nicht einmal, wie lange sie bei einem Ausfall ihres Hauptlieferanten weiter fertigen können. Analog haben nur 18 Prozent Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, daß ihre Partner Jahr-2000-fit sind.

Noch trauriger sieht das Hermes-Resümee aus, geht es um die Abnehmer von Produkten der befragten Unternehmen. Nur sechs Prozent der Firmen ließen sich die Jahr-2000-Fitneß ihrer Kunden testieren, nur fünf von hundert planen dies wenigstens. Bei Großunternehmen, also solchen mit über 100 Millionen Mark Umsatz pro Jahr, sind es zumindest elf Prozent.

Auch scheint es um eine realistische Wahrnehmung eher schlecht bestellt zu sein. Die Umfrage legt nahe, daß die Diskrepanz zwischen tatsächlicher und vermeintlicher Sicherheit bezüglich der Jahr-2000-Problematik erheblich ist. Nur jedes zehnte Unternehmen ist sich "nicht ganz sicher" oder "unsicher", ob seine Systeme den Sprung über die Jahreszahl 2000 auch problemlos schaffen. "Nicht ganz sicher", "unsicher" oder sogar "sehr unsicher", ob denn bei ihren Lieferanten die Datumsumstellung reibungslos vonstatten geht, sind sich ironischerweise aber immerhin 43 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Firmen. 33 Prozent überkommt wegen der Jahr-2000-Fitneß ihrer eigenen Abnehmer ein schwummriges Gefühl.

Die Analyse von Hermes mündet in einen Katalog von Maßnahmen für die restlichen neun Monate bis zum Big Bang. Dessen wichtigste lautet: Das Jahr-2000-Problem muß in deutschen Firmen sofort zur Chefsache erklärt werden. Appelle dieser Art gab es schon von diversen Instanzen - offenbar immer ohne Erfolg.