Der Markt konsolidiert sich - aber wie?

Beratung im E-Business ist ein riskantes Geschäft

24.11.2000
MÜNCHEN (CW) - Die Anforderungen an Unternehmensberatung für das E-Business wachsen. Den Kunden, die sich auf die Internet-Ära einstellen wollen, läuft die Zeit davon. Gleichzeitig steigen ihre Anforderungen. Das Internet-Marktforschungsunternehmen Forit hat den einschlägigen Beratermarkt unter die Lupe genommen.

"E-Consulting ist heute noch im Wesentlichen ein Anbietermarkt", erklärt Forit-Analyst Jörg Nußbaumer, "die Beratungen können sich ihre Kunden aussuchen." Doch sobald sich die erste Internet-Euphorie gelegt hat und Kunden aufgrund eigener Erfahrungen im E-Commerce ihre Aufträge mit kritischerem Blick auf die Rentabilität vergeben, wird sich seiner Ansicht nach das Blatt wenden. In einer jüngst veröffentlichten Untersuchung prognostiziert das Internet-Marktforschungsunternehmen eine deutliche Konzentration im derzeit unübersichtlichen Beratungsmarkt. Demnach werden lediglich eine Handvoll Integratoren, eine Reihe großer Spezialisten sowie viele hochspezialisierte Nischenanbieter übrig bleiben. Letztere werden ihre Leistungen im Wesentlichen an die großen Beratungshäuser verkaufen und als deren Subunternehmer zum Kunden kommen.

"Beratungen, die sich nicht klar positionieren können, werden vom Markt nicht honoriert werden", heißt es in der Studie weiter.

Dabei mangelt es dem Markt nicht an Größe. Weltweit wird die Consulting-Branche bis 2005 auf ein Volumen von rund 160 Milliarden Dollar wachsen, so die Schätzungen. Für den deutschsprachigen Raum geht Forit davon aus, dass das Umsatzvolumen mit zweistelligen Prozentraten wachsen und von heute 2,3 Milliarden Euro auf über zehn Milliarden Euro im Jahr 2005 steigen wird. Dabei dürfte sich der relative Anteil der E-Commerce-Beratung am Gesamtmarkt für Beratungsdienstleistungen in den nächsten Jahren von derzeit wenig über 20 Prozent auf etwa 40 Prozent verdoppeln. Einer der wichtigsten Treiber, so die Erkenntnis, ist die Tatsache, dass Unternehmen aus Branchen wie der Industrie, die bisher noch kaum im Internet vertreten sind, einen hohen Nachholbedarf haben und dafür auf professionelle Hilfe angewiesen sind. Raum genug für viele Player gibt es also.

Doch das Blatt kann sich schnell wenden, denn die Ansprüche der Unternehmen steigen und mittelfristig, so Forit, dürfte die Marktsituation kippen. Erste Anzeichen sind die zuletzt enttäuschenden Zahlen namhafter Internet-Agenturen in den USA und Skandinavien. Die Zeiten, wo sich Anbieter ihre Kunden auswählen und einen Großteil der an sie gerichteten Anfragen erst gar nicht weiterverfolgen mussten, gehen langsam aber sicher ihrem Ende entgegen.

Gefragt ist längst nicht mehr nur die reine Strategie- beziehungsweise Management-Beratung sondern auch technisches Know-how sowie Kompetenzen in der Umsetzung. Wichtig wird auch eine klare Zielvorgabe sein, das heißt, die Unternehmen wollen nicht mehr nur einfach ins Internet, sondern sie erwarten auch Beratung darüber, welche konkreten Auswirkungen das E-Business auf das gesamte Geschäft haben wird.

Know-how in puncto Management-Strategien plus Spezialwissen über die einzelnen Branchen, aber auch technisches Know-how zu Internet und IT dürften künftig die Maßstäbe sein, an denen die Anbieter gemessen werden. Entsprechend verlängert sich die Wertschöpfungskette der Beratungshäuser. Neben dem Bereich Strategie und Prozesse tauchen Aufgabenfelder wie Implementierung und technische Dienste, aber auch Design und Marketing auf. Zumindest in der Theorie. Denn wie die Forit-Spezialisten herausfanden, konnte "bisher keiner der Anbieter glaubhaft versichern, eine integrierte Beratungsleistung rund um das Thema E-Commerce anbieten zu können". Zwar bezeichneten sich viele Beratungsgesellschaften als Full-Service-Dienstleister, doch die entsprechende Kompetenz und Integrationsleistung werde bislang von keinem erfüllt.

Deshalb sehen sich die Kunden heute noch gezwungen - wollen sie nicht die Katze im Sack kaufen - Anbieter für jede Beratungsleistung einzeln zusammenzusuchen.

Doch die Aktivitäten am Markt deuten bereits auf wesentliche Umstrukturierungen innerhalb der Branche hin. Management-Beratungen vom alten Schlag wie McKinsey, Boston Consulting oder Booz Allen Hamilton können sich nicht mehr auf ihren traditionellen Kontakten zur Vorstandsebene ausruhen und sich allein auf die Strategieberatung konzentrieren. Zwar werden diese Häuser weiterhin mit den obersten Entscheidungsgremien zusammenarbeiten, doch das Internet und die damit verbundenen Techniken werden als strategische Faktoren für den Geschäftserfolg zunehmend in den Vorstandsetagen beachtet. Mancherorts hat sich der Begriff "E-Management" etabliert.

Auf der anderen Seite wird von einer E-Business-Beratung auch praktische Kompetenz verlangt. Systeme müssen implementiert, Lösungen installiert und Mitarbeiter geschult werden. In diesem Segment positionieren sich derzeit klassische IT-Dienstleister wie Debis oder IBM, aber auch neu gegründete Unternehmen. Letztere konnten in den vergangenen Jahren zunehmend Marktanteile gewinnen, nicht zuletzt, weil die etablierten IT-Serviceanbieter die Internet-Entwicklung verschlafen haben. Die erste Phase des Internets, in der Unternehmen ihre Marketing- und Vertriebsaktivität auf Online-Maßstäbe trimmten, wurde von klassischen Beratungshäusern wenig unterstützt. Diese Arroganz quittierten viele Kunden damit, dass sie Vertretern der New Economy hier ein größeres Vertrauen entgegenbrachten.

Doch ob es den Youngstern der Beratungsszene auch gelingen wird, sich weiterhin über Wasser zu halten, ist fraglich. Zwar haben sie es geschafft, einige etablierte Kunden für Referenzprojekte an Land zu ziehen, doch von einem tatsächlichen Durchbruch zu sprechen, wäre verfrüht. Trotz einiger weniger Ausnahmen setzt sich ihre Kundschaft zum Großteil aus Startups und Dotcoms zusammen, die derzeit mit erheblichen Existenzproblemen zu kämpfen haben.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Kunden mehr auf Rentabilität achten. Die Berater müssen sich die Frage gefallen lassen, welchen Nutzen sie den Unternehmen tatsächlich bringen. Zudem zeichnet sich das große Geschäft erst jetzt ab. Denn nicht nur die großen Beratungshäuser, sondern auch ein Großteil der deutschen Industrie vollzieht den Wandel zur E-Company erst jetzt und profitiert von den Erfahrungen der Frühstarter.

Die Analysten von Forit erwarten deshalb, dass sich bereits in einigen Jahren nur noch eine Handvoll Beratungsfirmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette positionieren können. Dies könnten die großen IT-Integratoren wie Andersen Consulting (ab 2001 Accenture), KPMG oder Siemens Business Services sowie einige neue, eher technologielastige Unternehmen aus dem Agenturbereich wie March First oder GFT Technologies sein.

Auf der anderen Seite werden, so die Prognose, Firmen dominieren, die in einem spezifischen Segment aufgrund der erreichten Größe eine führende Rolle einnehmen und dort weiter wachsen. Last, but not least dürften sich auf einer weiteren Stufe kleine Agenturen behaupten, die mit wenigen Leuten herausragende Nischenkompetenzen anbieten können. Eines scheint auf jeden Fall sicher: Gemischtwarenläden sind nicht gefragt. Forit nennt zwei erfolgversprechende Optionen für Beratungshäuser: die gezielte Kombination von E-Business-Wissen mit tiefem Verständnis für eine Branche oder die Spezialisierung auf funktionale Kernkompetenzen, um dort zu den Topanbietern zu gehören. Wer sich lediglich "in der Breite und ohne die nötige Tiefe aufstellt, wird die Jahre der Konsolidierung nicht überleben".

Liste ausgewählter Expansionen im Jahr 2000

Käufer

Target| Land| Branche| Investition

GFT Technologies

ATRIA| F| Bisher: Vertriebspartner| KaufAspect Telecommunications| D| CRM| Kooperation

Razorfish

Medialab AG| D| Design, Backend-Technologien| KaufLimage Dangereuse| NL| Design| Kauf

Kabel New Media

Digivision| CH| Full-Service-Agentur| KaufIqena| D| IT (Backoffice-Systeme)| KaufLexor| SE| IT-Consulting| KaufW//center GmbH| D| IT-Consulting| KaufScope| A| IT-Consulting| KaufForge Partnerships| USA| Strategische PartnerschaftTeam4 GmbH| D| CRM| KaufDebis Systemhaus| D| Verknüpfung interaktive Kom munikation mit ERP-Systemen| Kooperation

Pixelpark

K-web- ltd| UK| Web-Design| KaufTurkport AS| Türkei| JV (75 Prozent)K2| F| IT-Services (Oracle Partner)| KaufZLU Zentrum Logistik und Unternehmensplanung| D| Logistik, SCM| KaufEast-europe.com| A| CE Europe| Kauf (75 Prozent)Grizzly Farm AG Ventureparkcom | D| Incubator/VC| Kauf (66 Prozent)

Namics AG

MMD Multimedia Development AG | CH| Consulting| MergerDelta Consulting| CH

SinnerSchrader

Netmatic Internet/Intranet Solutions GmbH | D/USA| Software Engineering| Kauf

Concept AG

NMT New Market Technologies | UK| Kauf (100 Prozent)Art+com| D| 3D Visualisierung| Kauf (51 Prozent)R&P Consult| D| Kauf

Adcore

Berens/Partner | D| Consulting| MergerConnecta| SEInformation Highway| SEFacing Facts (44MA)| NL| Kauf

MarchFirst

USWeb/CKS| USA| Design| MergerWhittman-Hart| USA| IT

Cisco

KPMG Consulting| Global| Strategische Partnerschaft

Cap Gemini E&Y

Cap Gemini| Global| IT| MergerErnst & Young| Global| Accounting-ITGemini Consulting| Global| Strategische Beratung

Die zahlreichen aktivitäten der Beratungsbranche in den vergangenen Monaten erhöhen zusätzlich die Intransparenz und Unsicherheit am Markt. Heutige Anbieter können bereits morgen zu den Übernahmekandidaten gehören.

Abb: Neben dem klassischen Strategie-Consulting durch Management-Beratungen muss die Palette der Beratungsdienstleistungen künftig ein wesentlich breiteres Angebot beinhalten. Quelle: Forit