Sowohl dumme als auch intelligente Bildschirmterminals haben ihre Berechtigung:

Benutzerlast bestimmt Intelligenz vor Ort

22.07.1983

MÜNCHEN - Pauschalaussagen, ab wann es sich für einen Anwender lohnt, für intelligente Bildschirmsterminals tiefer in die Tasche zu greifen, gibt es nicht. Grundsätzlich aber wird man sie immer dort antreffen, wo der Host entlastet werden soll. Jeder Benutzer hat sich sicherlich schon über Antwortzeiten geärgert, die nicht mehr akzeptabel sind. Allerdings kollidieren hier oft Anwenderwünsche mit Kostenlimits und DV-Spezialistentum.

Die Diskussion um die verteilte Datenverarbeitung ist sicher so schnell nicht ausgestanden. Herbert Burrak, für SEL im Bereich Text- und Datensysteme zuständig, glaubt jedoch, daß "die Zeit, in der sich der Host wie eine Riesen-Amme um jedes Bit und Byte kümmern mußte, vorbei ist". Im Idealfall sollte er sich nur noch auf die eigentliche Weiterverarbeitung konzentrieren können.

In der Praxis sieht es aber immer noch anders aus: Meist leiden nämlich DV- und Fachabteilung nach wie vor unter einem Anwendungsstau. Allerdings scheint mit dem zunehmend verbesserten Mikrocomputer-Angebot sich eine Wende abzuzeichnen. Diese Geräte erlauben es dem Anwender, einmal im Dialog mit der Zentrale zu arbeiten und zum anderen, ohne CPU-Leistung in Anspruch nehmen zu müssen, vor Ort autonom seine Daten zu verarbeiten.

Letztendlich entscheidend für den Kauf von "dummen" oder "intelligenten" Terminals wird auf jeden Fall eine Berechnung der Kosten sein, betont DEC-Produktmarketing-Manager Klaus Kemmler: Ob es nämlich günstiger ist, die CPU beispielsweise um den Faktor drei zu vergrößern, um gewünschte Response-Zeiten zu gewährleisten, oder aber als Alternative den Fachabteilungen intelligente Terminals zur Verfügung zu stellen, die dann seltener auf den Host zugreifen.

Grundsätzlich unterscheidet Kemmler bei den Konfigurationsmöglichkeiten drei Stufen: In einer ersten stehen in der Zentrale ein großer Rechner und in den Fachabteilungen dumme Terminals, die alle direkt am Host hängen. Als zweite Lösung biete sich an, in den Abteilungen Minirechenzentren mit abhängigen Terminals zu installieren und diese Einheiten als Stern um die CPU zu gruppieren. Schließlich - wenn es die Kosten erlauben - finde man dann nicht einmal mehr in der untersten Peripherie herkömmliche Terminals, sondern nur noch intelligente, also Arbeitsplatzcomputer.

Der Trend scheint jedenfalls in Richtung DV-Verlagerung nach außen zu gehen. Dennoch kann der Host, laut Burrak, sicherlich nicht kleiner werden. Da aber zusätzliche CPU-Leistung ebenfalls nicht ganz billig ist, sei es durchaus interessant, ihr Wachstum zu bremsen. Über mehr Host-Kapazität oder mehr dezentrale Intelligenz müsse letztendlich ein Gremium entscheiden, das sich zusammensetzt einmal aus der Fachabteilung, die genau wisse, welche Aufgaben in welchem Zeitraum und mit welcher Qualität erledigt werden müssen. Gedanken, wie man diese Wünsche am besten erfüllen kann, sollten sich dann die DV-Organisatoren machen. Gebremst werden die zwei Parteien in der Regel durch die Controller.

Bei diesen Überlegungen treten die Geräte als solche in den Hintergrund. Die Lösung selbst muß Burrak zufolge fast herstellerneutral erarbeitet werden. Den Ausschlag werde oft auch die Dienstleistung des jeweiligen Anliefers geben. Denn technischer Service sowie Systemberatung vor Ort seien Kriterien die zunehmend wichtiger würden, als ein eventueller Preisvorteil. Denn gerade im Mirocomputer-Geschäft lassen sich die Spezialisten ihr Know-how in bezug auf Netzwerkentwurf, Kenntnisse in der Host-Welt und in Richtung Bundespost teuer bezahlen.

Netzwerkspezialisten sind rar

Bestätigt wird diese Aussage durch Werner Hüngsberg vom Rechenzentrum des Münchener Max-Planck-Instituts, der lieber auf Nummer sicher geht: "Auch wenn ein, No-Name, oft besser ist oder preisgünstiger, werden wir in der Regel doch auf IBM zurückgreifen, weil dann das Netz zusammenpaßt." Sinnvoll sei es aber in jedem Fall, für einfache Aufgaben wie Editieren oder im alphanumerischen Bereich einen herkömmlichen Terminaltyp einzusetzen. Aufwendigere Geräte würden erst dann notwendig, wenn grafische Verarbeitung, Textverarbeitung oder kombinierte Verarbeitung notwendig ist.

In allen Bereichen aber, wo offline Funktionen gebraucht werden, komme man nicht umhin, mehr Geld auszugeben und sich einen Mikro anzuschaffen. Dies ist vor allem, so zählt Tandberg-Mitarbeiter Gerhard Bülow auf, bei Banken, öffentlichen Verwaltungen, Apotheken, Kirchen und Reisebüros der Fall, generell also bei Organisationen, die in den einzelnen Nebenstellen Intelligenz benötigen. So arbeitet beispielsweise die kirchliche Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft für EDV mbH, KIGST-KIBEG, in kleineren Pfarrdienststellen mit Mikros, die bei höherem Datenvolumen an den Zentralrechner angeschlossen sind. Im anderen Fall stelle sich bislang der Diskettenversand noch günstiger als die Modemgebühren. Bei den nächstgrößeren Dienststellen sei es dagegen günstiger gewesen, einen Minicomputer mit abhängigen Terminals anzuschaffen. Diese Einheit steht wiederum mit dem Host in Verbindung.

Organisationen aber, die heute noch ganz gut mit der Standarddatenerfassung über Locher und Belegleser auskommen, werden Bülow zufolge künftig Schwierigkeiten bekommen. Denn die Kommunikation über Netze wird zunehmend günstiger, so daß die relativ teuren Belegleser mit ihren Formularen die herkömmliche Datenverarbeitung ineffektiv machen. Darum sollte sich der Anwender heute schon Gedanken machen, was er in Zukunft braucht.