Sparkasse orderte alles aus einer Hand und in einem Zug

Beispiel eines Büro-Konzepts für integrierte Sachbearbeitung

07.09.1990

Die Leonberger Bausparkasse AG hat eine Systemumgebung aufgebaut, die die Sachbearbeiter bei der Bearbeitung sämtlicher Vorfälle auf allen Stufen unterstützt. Technische Grundlage für die integrierte Abwicklung sind Basissysteme. Immer wiederkehrende Elementarfunktionen werden unabhängig von konkreten Anwendungen durch einfache Einbindung in ein Vorfallsnetz zur Verfügung gestellt.

Damit ist die Basis sowohl für eine schnelle und flexible Anwendungsentwicklung als auch für ein universell adaptierbares Sachbearbeiterbüro geschaffen.

Als die Leonberger Bausparkasse AG beschloß, mit einem neuartigen Tarifsystem auf den Markt zu kommen, sollte zugleich die Datenverarbeitung neu konzipiert werden. Es war also nicht die Aufgabe, hinzukommende fachliche Funktionen zu realisieren, sondern eine neue Sachbearbeiter-Infrastruktur aufzubauen.

Komplexe Aufgabe durch Integration

Zum einen ging es darum, die Produktivität und Flexibilität der Anwendungsentwicklung dadurch zu steigern, daß sich die Entwickler nicht mehr mit immer wiederkehrenden Funktionen auseinandersetzen mußten und sich deshalb ganz auf die fachliche Problemlösung konzentrieren konnten. Zum anderen sollte der Sachbearbeiter den Kunden in allen seinen vertraglichen Belangen umfassend und schnell betreuen können. Eine sehr komplexe Aufgabe, da im Laufe der letzten drei Jahre die vormals getrennten Bereiche "Sparen" und "Darlehen" integriert wurden.

Im Rahmen einer vorfallsgestützten Sachbearbeitung sollte dieser Schritt jetzt auch maschinell unterstützt werden. Das Ziel war es, die unnötige Aufsplitterung eines Vorfalls auf verschiedene Sachbearbeiter zu vermeiden und statt dessen nach dem Prinzip zu verfahren: "Alles aus einer Hand und in einem Zug."

Menü und Dialogsteuerung einheitlich

Aus Sicht des Sachbearbeiters bietet das System heute ein vollständiges, einheitlich gestaltetes Büro, um jeden zur Bearbeitung anstehenden Vorfall online ausführen zu können. "Vorfall" meint dabei eine in sich geschlossene Arbeitseinheit, die in der Regel mit der Anforderung des Kunden beginnt und mit dem Antwortschreiben an ihn endet. Die einheitliche Umgebung ergibt sich für den Sachbearbeiter im wesentlichen aus der einheitlichen Dialogsteuerung, Menüführung und Benutzeroberfläche sowie aus der standardisierten PF-Tasten-Belegung. Zu keinem Zeitpunkt der Vorfallsbearbeitung ist er genötigt, in eine andere Anwendungsumgebung zu springen oder das Medium zu wechseln.

Der Arbeitsablauf beginnt damit, daß das System die Berechtigung des Sachbearbeiters zur Vorfallsbearbeitung überprüft. Hat er die Genehmigung, wird der Akt in seine persönliche Arbeitsreferenz gestellt. Zugleich erhält er die zur Bearbeitung relevanten Informationen. In der Folge führt ihn das System durch alle abzuarbeitenden Vorgänge eines Vorfalls entsprechend den sachlogischen Anforderungen. Während der Vorfallsbearbeitung hat der Sachbearbeiter die Möglichkeit, unterschiedliche Akten aufzurufen, die Bearbeitung abzubrechen oder zu unterbrechen, etwa um einem Kunden Auskunft zu geben. Der Vorfall kann jederzeit wieder an der Stelle der Unterbrechung aufgenommen werden.

Elementarfunktionen zentral vorhalten

Die einheitliche Büroumgebung hätte nicht aufgebaut werden können, wenn nicht zugleich ganz klar zwischen dem Vorfall und den einzelnen Vorgängen mit Elementarfunktionen unterschieden worden wäre. Bei der Entwicklung wurde streng darauf geachtet, anwendungsunabhängige Elementarfunktionen nur einmal zentral zu realisieren. Dies ist auch Voraussetzung dafür, daß flexibel und schnell Anwendungslösungen für neue fachliche Anforderungen entwickelt und eingebunden werden können.

Die Anwendungsentwicklung wird so unterstützt, daß diese Standard-Elementarfunktionen und ein einmal codierter Steuerungsrahmen einheitlich und zentral zur Verfügung gestellt werden. Die einzelnen Vorfälle bestehen nun nicht aus einer starren Abfolge oder Kette von Funktionen, sondern aus einem Netz von Funktionen, die sequentiell, bedingt oder wiederholt ablaufen können.

Der Anwendungsentwickler beschreibt nun den Vorfall, indem er mit Hilfe einer Matrixstruktur, welche in der Vertikalen die Elementarfunktionen und in der Horizontalen eine Returncode-Steuerung hat, ein Vorfallsnetz definiert. Er muß lediglich durch den Eintrag entsprechender Kennziffern bestimmen, aufgrund welcher Bedingungen welche Funktionen aufgerufen werden sollen. Auf diese Weise lassen sich ohne langwierige Programmänderungen neue Funktionen einbinden oder die bisherige Vorfallsbearbeitung neu steuern.

Von dieser Grundidee ausgehend, wurden die im folgenden einzeln beschriebenen Basissysteme entwickelt.

- Dialogsteuerung: Die Dialogsteuerung erfolgt ereignisorientiert. Mögliche DialogabIäufe sind vom Anwendungsentwickler in einem Netzwerk hinterlegt Die Entwicklung von Anwendungen geschieht mit Hilfe eines Rahmenobjekts, das um die Bearbeitungsfunktion

ergänzt wird. Die Dialogsteuerung stellt die Standardfunktionen zur Verfügung, sie lassen sich über Online-Pflegefunktionen bei der Festlegung des Netzwerks, speziell für den gesamten Dialogablauf oder einzelne Anwendungen, aktivieren. Durch den Einsatz dieser Funktionen und Rahmenobjekte erhält die Sachbearbeitung eine einheitIiche Benutzeroberfläche und -führung.

- Menüsystem: Das dynamische Menüsystem kann über Online-Pflegefunktionen eingerichtet und gewartet werden. In ihm läßt sich jede Ablauf- und Aufbaustruktur abbilden, da keine Einschränkung bei der Anlage und Verknüpfung von Menüs besteht.

- Arbeitsreferenz: Sie ist der persönliche Arbeitsvorrat des Sachbearbeiters. Jeder Sachbearbeiter kann, ausgehend von seiner Eingangspost oder maschinell eingestellten Vorfällen, seine Arbeit planen.

Vorfalls-Status der Bearbeitung sichtbar

Aus der Arbeitsreferenz kann die Vorfallsbearbeitung aufgenommen, ein Arbeitsreferenzeintrag verschickt oder gelöscht werden. Während der Bearbeitung eines Vorfalls spiegelt sich in der Arbeitsreferenz der Vorfalls-Status der Bearbeitung wider.

- Mitarbeiter-Datenbank: Sie enthält Berechtigungs- und Kompetenzprüfungen sowie die Ermittlung der Bearbeitungszuordnung zu Mitarbeitern und stellt die Ergebnisse den fachlichen Anwendungen über standardisierte Schnittstellen zur Verfügung.

- Tabellenorganisation und Management: Dieses System hält alle in Tabellenform abbildbaren Daten zentral, redundanzfrei und unabhängig von den Anwendungen. Es wird zwischen Schlüssel-, Kompetenz- und Konditionentabellen unterschieden.

- Freigabe: Ihre wesentliche Funktion ist der Abschluß der Vorfallsbearbeitung durch den Sachbearbeiter und die Übertragung der Daten aus der Zwischenablage auf den operationalen Bestand.

- Zwischenablage: Sie ist die Arbeitsdatei der Anwendungen. Alle Bildschirmeingaben, die der Sachbearbeiter während einer Vorfallsbearbeitung tätigt, werden in der Zwischenablage gesammelt. Erst am Ende der Vorfallsbearbeitung, wenn der Vorfall freigegeben wurde, werden die Benutzereingaben in den operationalen Bestand überführt.

Der Dialogablauf ist nicht mehr starr

Da während der Bearbeitung eines Vorfalls keine Änderungen im operationalen Bestand durchgeführt werden, ist der Sachbearbeiter nicht mehr an einen starren Dialogablauf gebunden.

Er kann den Vorfall wiederholen, unvollendet abbrechen, unterbrechen und zu einem anderen Zeitpunkt beenden oder an einen anderen Sachbearbeiter weiterreichen. Die Zwischenablage sorgt dafür, daß nur aktuelle Informationen in den operationalen Datenbestand gelangen und dieser somit konsistent bleibt.

- Textsystem: Es steht als "Allgemeine Briefschreibung" zur Verfügung und ist außerdem in die vorfallsbezogene Sachbearbeitung integriert. Daten, die im Laufe einer Bearbeitung anfallen oder bereits im Datenbestand enthalten sind, werden automatisch an die Briefschreibung weitergereicht und müssen nicht nochmals eingegeben werden.

Die Briefe generiert das System vorfallsbezogen automatisch, sie kann der Sachbearbeiter mit weiteren Textbausteinen und freier Texteingabe ergänzen und jederzeit formatiert ansehen. Selbst die Durchschriftenerstellung und die Anlagenzuführung für den maschinellen Direktversand ist möglich.

- Archiv- und Historienführung: Die Einträge der Arbeitsreferenz sind die Voraussetzung für die Archivierung der Vorfallsbearbeitungen. Sie enthält Angaben darüber, wer wann welchen Vorfall bearbeitet hat, was die Bearbeitung ausgelöst hat (Posteingang, Telefonat) und sie hält das Ergebnis dieser Bearbeitung (Postausgang, Bestandsveränderungen) fest. Die Historienführung dient der Protokollierung von Datenveränderungen im operationalen System.

Durchschnittliche Antwortzeit eine halbe Sekunde

Zusammengenommen bilden die hier kurz beschriebenen Basissysteme die Grundausstattung einer anwendungs- und branchenunabhängigen Lösung für das Büro des Sachbearbeiters.

Sie wurden mit Adabas, Natural und Con-Nect aufgebaut und bieten - insbesondere im Blick auf den Endbenutzer ist das wichtig - auch eine gute Performance: Bei etwa 150 000 Natural-Transaktionen pro Tag liegt die durchschnittliche Antwortzeit bei 0,5 Sekunden.