Dem Problem der Anwendungsaltlasten auf der Spur:

BEI widmet sich dem Thema Re-Engineering

16.06.1989

AACHEN (qua) - Den Benutzerforderungen nach Neustrukturierung bestehender Anwendungen will die Aachener GEI künftig entgegenkommen. Erste Schritte in diese Richtung markieren zwei Produkte, die voraussichtlich In ein bis zwei Wochen in den Betatest gehen.

"Wenn wir mit unseren Kunden über die Erstellung neuer Systeme sprechen, reden wir häufig an deren Bedürfnissen vorbei", konstatiert Josef Aichele, Marketingleiter für den Case-Bereich der AEG-Tochter. "Das ist so ähnlich, als würden wir einem todkranken Patienten erzählen, er habe Haarausfall."

Den Weg zu einem tatsächlichen Reverse-Engineering bestehender Anwendungen weisen zwei Erweiterungen der Software-Engineering-Umgebung "Promod", die intern als "Prosource" und "Resource" bezeichnet werden. "Prosource", so Aichele, wandelt Diagramme oder Pseudocode in Quellcode um; Resource" hingegen könne aus bestehendem Code heraus alle früheren Phasen des Lifecycle unterstützen, also Pseudocode, Diagramme und die Dokumentation generieren. Beide Produkte stehen Herstellerangaben zufolge kurz vor der Marktreife.

Auch bei der Entwicklung kommerzieller Anwendungen will die Aachener GEI demnächst ein Wort mitreden. Wird "Promod" bislang vorwiegend für technische Applikationen genutzt, so soll die für den Herbst geplante Kopplung mit dem 4GL- und DBMS-Produkt "Uniface" neue Käuferschichten erschließen.

Profitieren können die Aachener von einem deutlichen Trend zur Anwendungsentwicklung auf PCs und Workstations. Allerdings beklagt Aichele, daß in den großen IBM-Shops nach wie vor die Software am Mainframe gestrickt werde. Der Grund: "Die dort arbeitenden Leute neigen - zum einen wegen ihrer Mentalität, zum anderen aufgrund der Komplexität ihrer Aufgabe - dazu, ihre Systeme auf dem Originalsystem zu entwickeln."

Das hänge nicht zuletzt mit der Marketingpolitik des Herstellers zusammen. Lasse sich bei Digital Equipment in letzter Zeit eine Förderung des Workstation-Absatzes beobachten, so habe der Großrechnerlieferant andere Interessen: "Die IBM versucht natürlich, ihre Gemeinde bei den Mainframes zu halten, und sieht den Erfolg der Workstations mit einem lachenden und einem weinenden Auge."

Dennoch hegt die GEI eigenen Angaben zufolge keine Absicht, "Promod" auf ein IBM-Großrechnersystem zu portieren, "Der MVS-Markt ist immer noch attraktiv", räumt Aichele ein, "aber ich habe selten Leute getroffen, die eine solche Portierung geschafft haben." Der Aufwand stünde in keinem Verhältnis zum Ergebnis; beispielsweise sei die Trigger-Steuerung im IBM-Blockmode nicht möglich.

Vielmehr will die GEI sich künftig verstärkt dem Betriebssystem Unix in seinen verschiedenen Ausformungen widmen. Für Ende des Jahres soll "Promod" unter Ultrix freigegeben werden, gefolgt von einer Version für das Sun-eigene Unix-Derivat Sunos. "Das ist für uns der Anfang der Unix-Schiene", erläutert Aichele.

Welche der verschiedenen Unix-Oberflächen die GEI unterstützen wird, hängt nach Auskunft des Marketingleiters davon ab, ob sich bis zum Freigabetermin ein Standard herauskristallisiert haben wird. Ansonsten werde Open Look bevorzugt behandelt, was mit der Entscheidung für Sunos zusammenhänge, Aichele hält den Streit um die einzig wahre Benutzerschnittstelle ohnehin für müßig: "Wesentliche Teile jeder Oberfläche sind bereits in X. 11 definiert; deshalb ist der Übergang von einer zur anderen Version nicht allzu schwierig."

Im übrigen bleibe "Promod" vorläufig noch innerhalb der DEC-Proprietary-Welt. In Kürze will die GEI eine Ausführung der Entwicklungsumgebung unter Decwindows für den Betatest freigeben.