Eine einzig richtige Technik der Kommunikationsanalyse existiert nicht:

Bei hoher Analysetiefe ist Methodenmix angesagt

14.10.1988

Der gezielte Ausbau von Informations- und Kommunikations-systemen soll die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verbessern und erhält somit strategischen Charakter. Die empirische Basis für fundierte Anwendungskonzeptionen liefert aber nur umfassende Kommunikationsanalysen, meint Elmar Reindl* und beschreibt die Vorgehensweise.

In unserem Unternehmen reift zunehmend die Einsicht, daß die Qualität der betrieblichen Informationsverarbeitung ein bestimmender Faktor für die wirtschaftliche Abwicklung- aller administrativen Tätigkeiten darstellt. Eine leistungsfähige Informationsverarbeitung verbessert die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen an geänderte Wettbewerbs- und Marktbedingungen, ein Aspekt, der zunehmend von strategischer Bedeutung ist. Somit verlagert sich der Schwerpunkt des Interesses von der rein operativen Sachbearbeitungsebene auf die Unterstützung von Managementprozessen wie

* die Koordination von Maßnahmen,

* die Vorbereitung von Entscheidungen,

* die Kontrolle von Vorgängen und

* den schnellen Zugriff auf vielschichtige Informationen.

Erst Analyse der Informationsstruktur

Diese Überlegungen werden grundsätzlich durch die Leistungsfähigkeit und die Funktionsvielfalt der heutigen, intelligenten Systeme, sowie durch das realisierte beziehungsweise geplante Angebot an Übertragungsmöglichkeiten und Diensten im Bereich der privaten und öffentlichen Fernmeldenetze notwendig.

Bei einer Analyse und Bewertung dieser Entwicklung wird deutlich, daß sich in Zukunft nur solche Unternehmen am Markt erfolgreich behaupten können, die diese Entwicklung frühzeitig aufgreifen, indem sie - ein auf fundierten Erkenntnissen basierendes Konzept für den Ausbau ihres individuellen Informations- und Kommunikationssystems entwickeln, welches exakt auf die betrieblichen Notwendigkeiten und Potentiale abgestimmt ist und - in diesem konzeptionellen Rahmen durch Ausgestaltung und Einsatz moderner Technologien konkrete Lösungen erreichen.

Vor der Entscheidung für organisatorische, technische und/oder personelle Realisationsmöglichkeiten ist die Absicherung durch eine umfassende Analyse der derzeitigen Informationsstruktur und die Konzeption des zukünftigen Informations- und Kommunikationssystems dringend geboten.

DV gestützte Verfahren sind heute unabdingbar

Bevor hier nun die Erfahrungen mit der Durchführung von Kommunikationsanalysen (KA) dargestellt werden, eine kurze Stellungnahme zu den verfügbaren Verfahren und Vorgehensweisen:

- Eine ideale und einzig richtige Methode für KA existiert nicht. Aus diesem Grunde muß ein Mix aus verschiedenen Erhebungsmethoden wie Selbstaufschreibung, Interviews, Gruppengesprächen etc. eingesetzt werden.

- Bürokommunikation ist ein komplexes, vielschichtiges Problem; gründliche Untersuchungen führen zu einem hohen Datenvolumen, aus diesem Grunde sind DV-gestützte Auswertungsverfahren unabdingbar.

- Die Analyse muß auf einer repräsentativen Stichprobe aufsetzen, da eine Gesamtuntersuchung aus Kostengründen nicht durchführbar ist.

- Der einzelne Anwender (Proband) wird in hohem Maße bei der Analyse mit einbezogen. Nur so ist es möglich, die Realität sicher abzubilden.

Ansonsten unterscheiden sich die Verfahren für Kommunikationsanalysen grundsätzlich. Während einige Verfahren eine sehr hohe Analysetiefe (bis auf die einzelne Information) erreichen, sind andere Verfahren eher darauf ausgerichtet, Groberfassungen (quantitative Orientierung) durchzuführen. Außerdem gibt es noch Verfahren, die überwiegend qualitative Aspekte berücksichtigen.

Es soll hier nicht weiter diskutiert werden, welcher methodische Ansatz für die KA jeweils der richtige ist, vielmehr soll dargestellt werden, welche grundsätzlichen Unterschiede zwischen den verschiedenen am Markt befindlichen Verfahren für die KA vorhanden sind und welche Zusammenhänge zwischen Zielsetzung, Analyse-Methode und den Ergebnissen existieren.

Kommunikationsanalysen werden meist mit dem Ziel durchgeführt, sowohl Kommunikationskonzepte zu erarbeiten, als auch die Schwachstellen im betrieblichen Kommunikationssystem zu beseitigen. Dementsprechend müssen dann Verfahren eingesetzt werden, die die Erreichung beider Zielsetzungen sicherstellen und somit quantitativ und qualitativ den Analyse-Anforderungen genügen.

Das Problem der Repräsentativität

Entsprechend der festgelegten Zielsetzung wird das Untersuchungsdesign vorgenommen, das heißt das Untersuchungsfeld, die ausgewählte Methode und damit auch die vorgesehene Analysetiefe definiert. Das Untersuchungsfeld umfaßt in der Regel größere Unternehmensbereiche beziehungsweise die Gesamtunternehmung.

Bei der Auswahl der Probanden stellt sich das Problem der Repräsentativität. Da KAs auf Vollständigkeit ausgerichtet sind, muß das Untersuchungsfeld möglichst alle Kommunikationsvorgänge umfassen. Aus diesem Grunde müssen auch alle Kommunikationspartner in die Untersuchung einbezogen werden. Repräsentativ kann nur dort vorgegangen werden, wo die Funktionsstruktur im Untersuchungsfeld homogen ist. Ein typisches Beispiel dafür sind Banken und Versicherungen mit ihrer weitgehend homogenen Außenorganisation.

Sämtliche Vorgänge müssen erfaßt werden

Die Methodik zielt darauf ab, sämtliche Kommunikationsvorgänge, also die Informationen (Inhalte und deren Bedeutung für die Aufgabenerfüllung), Techniken, Häufigkeiten, Informationswege und -kanäle zu erfassen. Die Detailliertheit dieser Erfassung (Analysetiefe) - und damit auch die Analysemethode - hängt von der gewählten Zielsetzung ab. Bei den mehr auf Groberfassung ausgerichteten Projekten werden in der Regel Gruppen- beziehungsweise Expertengespräche oder einfache Selbstaufschreibungen ausreichen, bei KAs mit hoher Analysetiefe wird ein Methodenmix aus Selbstaufschreibung, Interview und/oder Gruppengespräch zum Einsatz kommen.

Ein weiterer, wesentlicher Aspekt bei der Planung von Kommunikationsanalysen ist die Bewertung der Informationen in bezug auf ihre Bedeutung für die jeweilige Aufgabenerfüllung. Hier kommen quasi-wertanalytische Ansätze zur Anwendung, anhand derer Entscheidungskriterien für den Einsatz von Technik oder die Durchführung organisatorischer Maßnahmen entwickelt werden können.

Neben der reinen Erfassung des "Ist-Zustandes" sollte innerhalb einer KA auch die Bedürfnisstruktur des Untersuchungsbereiches ermittelt werden. Die gewichteten und bewerteten Informationsbedürfnisse der Benutzer stellen ein wesentliches Potential für die Gestaltung von Kommunikationskonzepten dar.

Machen das Denken nicht überflüssig

Führt man sich diese Zusammenhänge oder Voraussetzungen vor Augen, so muß man zu der Erkenntnis kommen, daß es einerseits angeraten erscheint, eine duale Zielsetzung (Rationalisierung des betrieblichen Kommunikationssystems und Erarbeitung der konzeptionellen Basis) zu definieren. Auf der anderen Seite jedoch sollte man sich auch bewußt sein, daß mit steigendem Anspruchsniveau auch der Aufwand überproportional zunimmt. Auswertungsprogramme helfen, den Aufwand in Grenzen zu halten. Dennoch muß hier deutlich darauf hingewiesen werden, daß diese Systeme den Organisator nicht vom Denken befreien (Knopfdruck-Mentalität!). Konkrete Rationalisierungsmaßnahmen und konzeptionelle Überlegungen sind handfeste organisatorische Arbeiten, die aufgrund der ausgewerteten Analyse-Ergebnisse eine realistische Basis erhalten und insgesamt durch entsprechende Unterstützungsprogramme einfacher zu erarbeiten sind.

KAs sind Organisationsprojekte. Bei sauberer Projektzielsetzung und mit dem Einsatz von effizienten Verfahren sind Ergebnisse zu erwarten, die für den Unternehmer von strategischer Bedeutung sind. Die folgenden Argumente beleuchten noch einmal die Gründe, weshalb KAs durchgeführt werden sollten:

- Die Ergebnisse einer KA bilden die notwendige empirische Basis für die fundierte Entwicklung von Anwendungskonzeptionen. Nur so kann ein wirtschaftlicher Einsatz moderner Kommunikationstechnik (inklusive DV!) erreicht werden.

- Die modernen Methoden der KA sind für eine Vielzahl von Organisatoren ein neues Betätigungsfeld, in dem sie zusätzliche Erfahrungen sammeln können. Der auf eine Gesamtkonzeption ausgerichtete Einsatz qualitativer und quantitativer Verfahren unterscheidet sich deutlich von bisher angewandten Organisationsverfahren. Ihre Beherrschung jedoch bedeutet Kapital für die Zukunft.

- Durch die sorgfältige Durchführung einer KA werden noch viele bekannte oder latent vorhandene Probleme aufgedeckt oder transparent gemacht. Angewachsener "Speck", insbesondere in der Papierkommunikation, wird für alle sichtbar, und die vielfältigen Redundanzen in den (täglichen) Kommunikationsprozessen werden nachgewiesen. KAs machen sichtbar, was viele schon immer wußten, aber bisher noch nicht belegen oder beseitigen konnten.

- Der in vielen Verfahren der KA immanente Ansatz der Informationswertanalyse schafft Bewußtsein für die Bedeutung der Information im betrieblichen Geschehen. Alle Beteiligten haben die Möglichkeit, die sie betreffenden Kommunikationsprozesse zu bewerten und diese Bewertung in einem Kontrollverfahren zu verifizieren.

- KA müssen zu einer klaren Definition des Informationsbedarfs pro Funktion, Aufgabe oder Person führen. Ist dies der Fall, so läßt sich sehr leicht die entsprechende Technik (etwa Datenverarbeitung, Bürokommunikationstechnik, intelligentes Arbeitsplatzssystem etc.) bestimmen. Dies darf allerdings keine statische Betrachtung sein, der IST-Zustand ist vielmehr Ausgang fnr die Konzeption - ein Bürokommunikationskonzept muß fortgeschrieben werden. Mit der KA lassen sich auf der Basis des identifizierten Informationsbedarfs und seiner zukünftigen Ausrichtung Informationsbestände (Datenbestände!) definieren.

- Aus den Untersuchungsergebnissen lassen sich zumeist eine Vielzahl von organisatorischen, personellen und auch technischen Maßnahmen entwickeln, die sich zum Teil unmittelbar umsetzen lassen. Dies führt zu einer besseren und reibungsloseren Informationsversorgung, zu einem Abbau von Redundanzen und zu einer Reduktion der Papierflut. Wie die Erfahrung gezeigt hat, kann dies auch zu erheblichen Rationalisierungserfolgen im gesamten betrieblichen Kommunikationswesen führen.

Neuland muß betreten werden

Natürlich bedeutet die Durchführung einer KA für viele Unternehmen, Neuland zu betreten. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, daß diejenigen, die schon die Textverarbeitung gut organisiert hatten, sich relativ leicht mit dem Thema Bürokommunikation taten. Die Unternehmen, die ihre Bürokommunikation, im Sinne einer organisatorischen, technischen und personellen Gestaltungsaufgabe bewältigt haben, können sich leichter künftigen Problemfeldern wie etwa Expertensystemen in Verwaltungsbereichen widmen. Der Weg von der Textverarbeitung über die Bürokommunikation zu integrierten Gesamtsystemen ist im Verwaltungsbereich ein geradliniger Weg, der in sauberen Konzeptionen vorgezeichnet sein sollte.