Green-Card-Inhaber ohne Job haben schlechte Karten

Bei Arbeitslosigkeit droht Ausweisung

27.07.2001
Das enorme Stellenangebot in der IT-Branche bewirkte, dass sich die Tür zum deutschen Arbeitsmarkt für ausländische Bewerber einen Spalt breit öffnete. Einige der Green-Card-Inhaber stehen jedoch schon wieder auf der Straße, und für viele beginnt damit ein neues Problem: Denn mit Ablauf der Arbeitserlaubnis endet meistens auch die Aufenthaltsberechtigung. Von Kathi Seefeld*

Trotz Dotcom-Pleiten und Konjunkturflaute scheint der Bedarf an IT-Fachkräften ungebrochen. Noch immer erhält die Zentrale Arbeitsvermittlung (ZAV) in Bonn von Unternehmen der Computerbranche Anfragen zu ausländischen Spezialisten. Anfang Juli wurden dort 390 Stellen für Green-Card-Bewerber ausgeschrieben, das sind vergleichsweise nur etwa zehn Prozent weniger als im Januar dieses Jahres.

Doch so viel Chancen es mittlerweile für ausländische Arbeitnehmer gibt, so viel Hindernisse enstehen auch, wenn im Zuge von Strukturmaßnahmen der Arbeitsplatz gestrichen wird oder die Firma in Konkurs geht. Von den Ängsten und Sorgen der nach Deutschland geholten Fachkräfte, die sich zusätzlich zu den gängigen Integrationshürden plötzlich mit den Problemen einer Kündigung konfrontiert sehen, dringt allerdings nur wenig nach außen.

Heimkehr nach Teheran drohteSo schien für den jungen Iraner**, der zu E-Cycle kam, "regelrecht eine Welt zusammengebrochen", als die Firma Konkurs anmeldete, kaum dass er sechs Monate dort beschäftigt war. "Mein Bruder", erzählt seine Schwester, "hatte sich ohnehin nur für Deutschland entschieden, da ich bereits seit einiger Zeit hier lebe. Viel lieber wäre er als Softwareentwickler nach Kanada oder Amerika gegangen." Der IT-Experte fand zwar in weniger als einem Monat nach seiner Entlassung einen neuen Job bei einem ehemaligen Kooperationspartner von E-Cycle. "Die Wochen dazwischen waren für ihn jedoch eine Zeit großer Ungewissheit." Seine Aufenthaltserlaubnis war unmittelbar mit dem Job in der IT-Firma verbunden; als dieser wegfiel, drohte die Heimkehr nach Teheran.

"Als mein Bruder dann die neue Arbeit gefunden hatte, vergingen noch zwei Wochen, ehe das zuständige Arbeitsamt grünes Licht gab." Ausführlich sei geprüft worden, ob der Bruder in seinem neuen Job nicht sehr viel mehr verdiente als bei E-Cycle. "Damit sollte, wie uns begründet wurde, der Verdacht ausgeräumt werden, er habe die Kündigung selbst angestrebt, um sich finanziell zu verbessern." Für den jungen Iraner, der kein Deutsch spricht, war der Behördenmarathon eine Qual. Seit Mai ist er wieder in Besitz von Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis. "Jetzt möchte er eigentlich nur noch eins", resümiert seine Schwester, "nämlich ungestört seinem Job nachgehen."

Wie viele ausländische IT-Experten in den vergangenen Wochen auf Grund von Firmenpleiten oder Kündigungen mit solchen oder ähnlichen Problemen deutschlandweit konfrontiert waren, darüber lässt sich nur spekulieren. Auffallend sei jedoch, berichtet Oliver Kuhn, Geschäftsführer der Münchner Personalvermittlung Globojob, dass immer mehr kleinere Unternehmen davor zurückschreckten, Green-Card-Spezialisten einzustellen. "Wir haben in der jüngsten Zeit einige Fälle erlebt, bei denen Firmen feste Abschlüsse mit ausländischen IT-Fachkräften doch noch zurückzogen." Kuhn nennt als eine der Ursachen, dass nach den ersten Firmenpleiten auch wieder deutsche Arbeitskräfte auf dem Markt zu finden seien. "Bei gleicher Qualifikation entscheiden sich die meisten Unternehmen doch lieber für Einheimische", ist er sicher. Natürlich sei in der IT-Branche zunehmend Englisch Unternehmenssprache. "Im alltäglichen Miteinander ist aber doch vor allem Deutsch gefragt."

"Zu viel Betreuungsaufwand"So geriet auch kürzlich die Canto Software AG in die Schlagzeilen, weil sie zwei via Green-Card-Ticket nach Berlin gekommene Mitarbeiter nach dem Probehalbjahr feuerte. "Zu viel Betreuungsaufwand", meinte Canto-Chefin Jennifer Neumann und räumte ein, dass es in einem kleineren Unternehmen wie dem ihren "doppelt wichtig" sei, "selbständig arbeitende Mitarbeiter" zu beschäftigen. Die beiden IT-Fachkräfte aus der Ukraine und aus Niger hätten, wie Human-Resources-Manager Stephan Kolbe erklärte, "die Erwartungen schlichtweg nicht erfüllt". Haiko Kraatz, Softwareentwickler bei Canto und Betreuer der ausländischen Experten, spricht von fachlichen Defiziten, die sich erst nach einiger Zeit offenbart und "trotz guter persönlicher Kontakte" eine "Weiterbeschäftigung faktisch unmöglich" gemacht hätten. Für Neumann war der Fall klar: Zwei Fachkräfte wie die angeworbenen konnte sich ihr gut 50 Mitarbeiter zählendes Unternehmen auf Dauer nicht leisten.

Danach galt es für die entlassenen Green-Card-Inhaber der Canto AG in den zurückliegenden Wochen, einige Steine aus dem Weg zu räumen. "Als schier unüberwindliche Hürde erwiesen sich die Krankenkassen", erzählt der Personal-Manager Stephan Kolbe. Alle hätten sich geweigert, die ausländischen IT-Profis zwischen der Entlassung bei Canto bis zum Beginn ihres neuen Arbeitsverhältnisses freiwillig weiterzuversichern. "Es ging um zwei Monate, aber alle stellten sich stur." Die jungen Männer blieben unversichert und - glücklicherweise, so Kolbe - unfallfrei.

Viele Unternehmen überlassen daher nicht nur die Auswahl, sondern auch die längerfristige Betreuung der Fachkräfte aus dem Ausland Personalagenturen wie Globojob. Diese kümmern sich um grundlegende Dinge wie das Eröffnen eines Kontos oder die Wohnungssuche und organisieren - wie bei Globojob - selbst das freizeitliche Miteinander möglichst vieler Green-Card-Spezialisten in München. Es gibt vierzehntägige Treffen. Mit gut 30 Teilnehmern ging es Anfang Juni fünf Tage auf Segeltour nach Kroatien. "Neun Nationalitäten in einem Boot", so Oliver Kuhn, "das ist schon eine besondere Erfahrung." Das Engagement zahlt sich aus: Von den gut 40 ausländischen Experten, die Globojob betreut, ist seit dem In-Kraft-Treten der Green-Card-Regelung nicht einer entlassen worden. Umgekehrt gilt dasselbe - bislang hat keiner der von der Personalagentur vermittelten Experten sein Unternehmen verlassen.

*Kathi Seefeld ist freie Journalistin in Berlin.

**(Name ist der Redaktion bekannt)