Bundesstelle für Bürotechnik berichtet über Pilotprojekt:

Behörden sollen stärker auf Mikros setzen

25.01.1985

KÖLN (CW) - Um die Im Behördenbereich so zeit- und kostenintensive Sachbearbeitung umfassender unterstützen zu können, sollten in Zukunft die Mikros verstärkt die reinen Textautomaten ersetzen. Dies meint Regierungsoberamtsrat Josef Langen von der Bundesstelle für Büroorganisation und Bürotechnik (BBB) In Köln, nachdem die BBB die Einsatzmöglichkeiten von Arbeitsplatzcomputern in einem Pilotprojekt testete.

In der Vergangenheit konzentrierte sich in öffentlichen Verwaltungen vielfach der Schwerpunkt der Reorganisationsbemühungen auf die Bürohilfsdienste, wie zum Beispiel den Schreibdienst und die Vervielfältigungsstelle. Der Anstoß hierfür ging oftmals von den Anbietern neuer Bürotechniken aus, die die Behörden veranlaßten, zu überlegen, was durch Einsatz von neuen Techniken verbessert werden könne. Als Ergebnis dieser Reorganisationstätigkeiten werden in vielen Verwaltungen Textautomaten eingesetzt.

Zweifellos haben die Textautomaten, vor allem dort, wo das richtige Organisationskonzept vorlag, zur Steigerung der Schreibleistungen geführt. Allerdings hat sich bei Organisationsuntersuchungen oft gezeigt, das allein mit der Reorganisation eines Schreibdienstes ein längerfristiger Rationalisierungserfolg für die gesamte Verwaltung dauerhaft nicht erreicht werden konnte. Mehr und mehr haben sich daher die Reorganisationsbemühungen auf den Hauptkostenfaktor in der Verwaltung konzentriert: den Sachbearbeiterbereich.

Drei Gründe waren hierfür maßgebend:

- Die Erkenntnis, daß der Hauptanteil der Verwaltungskosten auf den Sachbearbeiterbereich entfällt

- Die neue Bürotechnik eignet sich mehr und mehr für die umfassende Unterstützung des Sachbearbeiters.

- Die strikte Arbeitsteilung: "hier Information produzieren - handschriftlich oder über Phonodiktat -, dort nur schreiben", ist nicht in jedem Falle sinnvoll.

- Die heute angebotenen Kommunikations- und Übertragungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Teletex verbieten sogar eine strikte Arbeitsteilung, da ansonsten der angestrebte Effekt - so die Verringerung der Transport- und Liegezeiten - wieder aufgehoben wird.

Noch wenig Technikeinsatz bei Bürotätigkeiten

Natürlich werden seit langem viele Fachbereiche mit großen Datenmengen durch gute DV-Lösungen unterstützt. Allerdings wird der überwiegende Teil - man schätzt ihn auf etwa 70 bis 80 Prozent - der allgemeinen Bürotätigkeiten mit wenig Technik unterstützt. Als typische Bürotätigkeit hierfür muß der Sachbearbeiter angesehen werden, der einzeln oder in einer Gruppe arbeitend Informationen in Karteien einträgt, ständig aktualisiert und daraus neue Informationen durch Informationsumwandlung für andere erstellt. In der "Informationsquelle" Kartei können sich Angaben sowohl zu Personen als auch zu Sachen befinden.

Diesen Arbeitsplätzen ist vor allem der gezielte Zugriff zu einem bestimmten Datensatz für Auskunftsund Informationszwecke und die Verarbeitung bestimmter Daten in Listen und Übersichten nach bestimmten Auswahlkriterien gemeinsam. Außerdem erfolgt hier die Verarbeitung bestimmter Daten in Einzel- oder Standardbriefen und die Steuerung von Serienbriefaktionen nach vorher definierten Adreßbeständen.

Sachbearbeiter brauchen begrenzte Datenmengen

Die Dateien oder Karteien an Sachbearbeiterplätzen sind oft von zwei Merkmalen gekennzeichnet: Ihr Umfang ist - gemessen an üblichen Karteien in der DV - relativ gering, so daß sich eine Übernahme in die zentrale DV nicht lohnt. Außerdem benötigt oft nur ein Sachbearbeiter oder eine kleine, arbeitsmäßig und räumlich zusammenhängende Gruppe von Sachbearbeitern dieselben Daten für die tägliche Arbeit.

Für das Pilotprojekt wurde ein einzelner Sachbearbeiterplatz ausgewählt, bei dem es um die Auswahl von Bewerbern geht. Hierbei müssen rund 4000 Datensätze pro Jahr umgesetzt werden. Auf dem Bildschirm wird mit einer Maske gearbeitet, die aus rund 40 Feldern mit insgesamt 200 Zeichen besteht. Die Speicherkapazität für diese Datensätze beträgt somit etwa 800 000 Zeichen. Zusätzlicher Speicherplatz wird für das Abspeichern der 150 Textbausteine und 25 Ganzbriefe für den täglichen Schriftverkehr benötigt. Sie sollten zudem als selbständige technische Einheit arbeiten können, also nicht auf eine zentrale Datenverarbeitungsanlage und deren Speicher abgestützt sein.

Bei der Durchführung derartiger Pilotprojekte gibt es prinzipiell zwei unterschiedliche Vorgehensweisen: Entweder orientiert man sich am Marktangebot und wählt das bestgeeignete Gerät aus, die andere Möglichkeit besteht darin, die dem Pilotprojekt zugrunde liegenden Arbeitsabläufe aufzunehmen, gegebenenfalls Mängel abzustellen und dann einen Pflichtenkatalog zu erstellen aus dem die Anforderungen entnommen werden können. Für das Pilotprojekt wählte man den zweiten Weg. Die Firmen wurden gebeten eine dem Pflichtenkatalog entsprechende Hard-und Standard-Software anzubieten.

Zu den Mindestanforderungen im Pflichtenkatalog zählten:

- Erfassen aller Daten der Personen in einer "Bewerberdatei" und Aktualisierung dieser Daten über einen Zeitraum von etwa einem Jahr.

- Anzeigen eines Datensatzes auf dem Bildschirm über verschiedene Suchbegriffe für telefonische Auskünfte. Dabei muß der Datensatz nach spätestens drei Sekunden auf dem Bildschirm erscheinen. Darüber hinaus muß die Möglichkeit bestehen, Daten unmittelbar am Bildschirm ändern zu können.

- Erstellen der notwendigen Schriftstücke (zum Beispiel Briefe Aufkleber) durch Verbindung der Datei mit Briefen, die aus gespeicherten Textbausteinen bestehen.

- In diese Briefe müssen individuelle Daten sowohl selbsttätig aus de Datei "eingespielt" als auch über den Bildschirm vom Benutzer individuell eingefügt werden können

Mikro darf nicht über 30 000 Mark kosten

Der auszuwählende Mikrocomputer sollte in keinem Fall mehr als

30 000 Mark kosten. Ein höherer Kaufpreis hätte einen wirtschaftlichen Einsatz in jedem Fall von vornherein ausgeschlossen.

Die eigentlichen organisatorischen Auswirkungen, die man sich von dem Eisatz des Mikrocomputers versprach, lagen insbesondere in der Straffung des Arbeitsablaufs das heißt in der Reduzierung der Arbeitsschritte.

Im Hinblick auf die Software kommt den Datenbankprogrammen eine besondere Bedeutung zu. Man sollte hier darauf achten, daß das Einrichten der Datenbank und der Aufbau der Bildschirmmasken zum Eingeben und Andern von Datensätzen zwei getrennte Funktionskomplexe sind und daß eine Datenbank auch über mehrere Bildschirmmasken aktiviert werden kann.

In der Bildschirmmaske muß für jedes Feld des Datensatzes festgelegt werden können, welche Zeichen überhaupt in dieses Feld eingegeben werden dürfen. Dabei muß eine Aufzählung der erlaubten Daten möglich sein.

Diese Forderung gilt sowohl für Zahlen, mit denen auch Rechenoperationen in der Datenbank möglich sind, als auch für Buchstabenfolgen sowie für den eigenständigen Datentyp .,Datum in der üblichen deutschen Schreibweise. Außerdem muß festlegbar sein, ob in ein Feld unbedingt etwas eingegeben werden muß und ob ein Feld vollständig auszufüllen ist. Schließlich ist es ratsam Feldinhalte zu schützen sein, so daß ein einmal eingegebener Wert nicht mehr verändert werden kann (zum Beispiel fortlaufende Identifikationsnummer).

DB braucht nicht mehr als zehn Schlüsselfelder

Einzelne Felder des Datensatzes müssen zu Schlüsselfeldern erklärt werden können, wobei in der Praxis zu einer Datenbank gleichzeitig kaum mehr als zehn Schlüsselfelder notwendig sein dürften. Datenbanken mit nur einem oder bis zu drei Schlüsselfeldern sind in der Praxis nicht akzeptabel. Der Zugriff zu einem Datensatz muß auch über einen nur teilweise eingegebenen Schlüsselfeldinhalt möglich sein. Darüber hinaus muß ein direkter Zugriff auch gleichzeitig über mehrere Schlüsselfelder möglich sein (zum Beispiel Nachname und Geburtsdatum). Damit läßt sich ein gezielter Zugriff auch dann ausführen, wenn ein bestimmter Schlüsselfeld-Inhalt mehrfach vorkommt.

Es hat sich bei der im Pilotprojekt eingesetzten Datenbank als vorteilhaft herausgestellt, daß der Aufbau einer Listenmaske nicht über einen separat zu erlernenden "Listengenerator" erfolgen muß, sondern mit den dem Benutzer ohnehin bekannten Funktionen des Textprogramms. Damit ist eine schnelle und einfache Anordnung der einzelnen Felder und

zusätzlichen Angaben in der Liste (einschließlich späterer Änderungen) möglich. Die Selektiermöglichkeiten der Datensätze dürfen nicht auf die Schlüsselfelder begrenzt sein, sondern müssen bei der Listenausgabe jedes beliebige Feld einschließen können.

Es müssen gleichzeitig mehrere Selektionsanweisungen in einer Liste möglich sein, die auch "von bis" "gleich", "größer", "kleiner" enthalten können. Außerdem sind "Und"- und "Oder"-Verknüpfungen erforderlich, die sich sowohl auf dasselbe als auch auf verschiedene Felder beziehen können. Darüber hinaus sollte die Software unter anderem folgende Möglichkeiten bieten:

- Verarbeitung von Datensätzen in Serienbriefen

- Benutzung eines Datensatzes in einem Einzelbrief,

- Übertragen von Datensätzen in eine andere Datenbank

- automatische Aktualisierung der Datenbank.

Die konkreten Anforderungen an das Textprogramm ergeben sich aus dem jeweiligen Anwendungsfall. Es brauchen nicht alle Funktionen und Möglichkeiten vorhanden sein, wie sie in großen Textautomaten zu finden sind. Nach allen Erfahrungen hat sich jedoch ein minimaler Funktionsumfang als notwendig erwiesen, bei dessen Unterschreitung auch bei einfachen Textverarbeitungsaufgaben Probleme auftreten dürften. Die Funktionen, die im Detail von der Bundesstelle für Büroorganisation und Bürotechnik erarbeitet und beschrieben wurden, behandeln die Gebiete Texterfassung und Textüberarbeitung, Textbaustein-Verarbeitung sowie Serienbriefe.

Obgleich die Forderung nach einer Veränderung (Verbesserung) der Bedienungstechniken allgemein unrealistisch ist, da jede Datenbank und jedes Textprogramm normalerweise in sich abgeschlossene Programmpakete sind, mußte an die Bedienungstechnik ein strenger Maßstab angelegt werden. Ein Programm ist abzulehnen, selbst wenn der Funktionsumfang an sich alle Forderungen erfüllt, aber die Bedienungsoberfläche unakzeptabel ist.

Als Idealform kann folgendes angesehen werden: Über eine mehrstufige Menü-Auswahl wird der Benutzer an das jeweils gewünschte Anwendungsprogramm geführt. Dabei sollen die Menüs auf die konkrete Anwendung individuell zusammenstellbar sein (vom Lieferanten, gegebenenfalls auch vom fachkundigen Benutzer änderbar); innerhalb der einzelnen Anwendungsprogramme soll das System den Benutzer durch eine ständige Dialogtechnik an das gewünschte Ziel führen.

Der Mikrocomputer ist kein Spielzeug

Es versteht sich von selbst, daß bei einem so umfangreichen Funktionskomplex wie einer Datenbank alle Bezeichnungen, Menüs und Dialoge in verständlicher deutscher Sprache erfolgen müssen, wobei umgangssprachlich bürotechnische Ausdrükke zu verwenden sind.

Das Pilotprojekt machte auch deutlich, daß nur durch eine individuelle Schulung der betroffenen Mitarbeiter ein solches Projekt auch langfristig von Erfolg gekrönt sein kann. Im konkreten Fall sah diese mehrere "Ausbildungspakete" vor, so zum Beispiel die Bedienungsschulung für das Textprogramm, die Vermittlung von Grundlagenkenntnissen über die Arbeitsweise einer Datenbank und die Einweisung in die Bedienung der Datenbank, in die Verarbeitung der Datensätze in Listen, Einzelbriefen und Serienbriefen.

Es wird oft versucht, den Eindruck zu erwecken, als ob jedermann ohne Jegliche Vorkenntnisse (und ohne großen Lern-, und Schulungsaufwand) den Mikrocomputer als persönliches Arbeitsmittel einsetzen könne. Dieser weitverbreiteten Ansicht soll an dieser Stelle entschieden widersprochen werden: An den Benutzer eines Mikrocomputers sind soweit er das Gerät nicht nur für "Spielereien" im Privatbereich benutzt, ganz erhebliche Anforderungen zu stellen. Ansonsten ist ein dauerhafter effizienter Einsatz nicht gewährleistet.

So muß der Benutzer die Bereitschaft mitbringen, sich mit der informations- und datentechnischen Denkweise auseinanderzusetzen.

Zweckmäßig ist auch ein gewisses Maß an Maschinenschreib-Fertigkeiten. Denn obwohl der Umgang mit dem Mikrocomputer beim ersten Hinsehen oft nur wenig Texteingaben erfordert, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß an vielen Stellen im Programmablauf Zeichenfolgen, Wörter oder Sätze einzugeben sind.

Notwendig ist in vielen Fällen eine Anpassung des persönlichen Arbeitsstils an die Arbeitsweise des Mikrocomputers.

Kosten/Nutzen Analyse bleibt vage

Eine Wirtschaftlichkeitsrechnung im traditionellen Sinne ist bei der durchgeführten Untersuchung nicht möglich. Dies läßt sich damit begründen, daß hier nicht zwei maschinenbezogene Arbeitsverfahren bei unveränderten Arbeitsabläufen verglichen wurden. Wesentliche Teile des Arbeitsablaufs unterscheiden sich im alten und neuen Verfahren so stark, daß ein unmittelbarer Vergleich nicht mehr möglich ist. Hinzu kommen Kriterien, die sich nur schlecht in Geldbeträgen ausdrükken lassen, aber sicherlich eine Zeitund Kostenersparnis mit sich bringen. Dazu gehören unter anderem schnellere telefonische Auskünfte, seltenere und kürzere Unterbrechungen beziehungsweise die ganzheitliche Abwicklung eines Vorgangs durch den Sachbearbeiter (weniger oft erneutes Einlesen und Eindenken nach Unterbrechungen und Störungen) und die Erstellung von

aussagefähigen Listen.