VBS-Attacke gegen Gütesiegel sorgt für Aufruhr in der Branche

BDU: SW-Qualität auch für kleine Anbieter zwingend

12.12.1986

MANNHEIM/MÜNCHEN - Als "gedankenlose Selbstprofilierung" bezeichnete jetzt der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU), Bonn, eine Kritik der Vereinigung Deutscher Softwarehersteller (VDS) am RAL-Gütezeichen Software: Der Mannheimer Verband wetterte vergangene Woche offiziell gegen das Qualitätsemblem und sprach der Gütegemeinschaft Software (GGS) als Initiator des Siegels die erforderliche Branchenrepräsentanz ab.

"Diese Verunglimpfung dient dem offensichtlichen Zweck, eine Spaltung bei den Softwareherstellern in der Branche zu provozieren", ereifert sich nunmehr BDU-Geschäftsführer Norbert Küster. "Das Ganze

läuft doch der angeblichen Interessenvertretung, die der VDS als Repräsentant kleiner und mittlerer Softwarehersteller für seine Mitglieder wahrnehmen will, geradewegs zuwider."

Anlaß für den Disput war eine offizielle Stellungnahme des VDS, in der das RAL-Gütezeichen Software als "unnötig, verfehlt und somit weder für den SW-Anbieter noch für den Nachfrager nützlich" bezeichnet wurde. Vielmehr stelle sich grundsätzlich die Frage, so erläuterte VDS-Geschäftsführer Roland Bickmann, ob das vorhandene Bürgerliche Recht nicht ausreiche, um einem professionellen Anwender die Möglichkeit zu geben, eine qualitativ hinreichende Software zu erwerben. Bei fehlerhaften Produkten stehe dem Käufer das Recht auf Wandlung oder Minderung zu.

Als völlig unpraktikables Verfahren bezeichnet dagegen Helmut Bender, GGS-Vorstandsmitglied und Geschäftsführer der Bertelsmann Datenverarbeitung, Gütersloh, die vom VDS vorgeschlagene Marschrichtung: "Der Anwender gerät nur in eine Rechtsmühle - sein betriebliches Problem wird dadurch nicht gelöst." Das Gütezeichen trage dazu bei, den Käufer von vornherein vor fehlerhafter Standardsoftware zu schützen, und ihm so den Weg zum Kadi zu ersparen. Bender: "Es geht einfach um ein Regelwerk, das sicherstellt, nach dem SW-Kauf nicht gleich einen Gutachter, Rechtsanwalt oder das Gericht bemühen zu müssen."

Ebenfalls keine Rechtfertigung für die Existenz eines Gütezeichens sieht der VDS in der bloßen Forderung nach einer vollständigen Dokumentation von Software. Sicherlich, so räumte Bickmann ein, stelle die Programmdokumentation insbesondere für kleine und mittlere SW-Häuser ein Problem dar; ihnen fehle es in diesem Bereich häufig an Personal. Der daraus abzuleitende Mangel an guter Dokumentation könne jedoch durch. ,ein aufgeklärtes Nachfrageverhalten geregelt werden. Bickmann: "Wenn der Anwender ein richtiges Handbuch als wesentlichen Vertragsbestandteil fordert, wird dem Softwarehersteller keine andere Wahl bleiben, als die entsprechende Dokumentation auch zu erstellen." Bei Nichterbringung der Leistung könne der Kunde auch hier wieder die Möglichkeiten des bürgerlichen Rechts ausschöpfen.

Der BDU als Mitglied der Gütegemeinschaft hält diese Vorgehensweise - nicht nur bezogen auf den Käufer - weder für wünschenswert noch für glaubhaft. Auch der Softwarehersteller selbst verliere in kürzester Zeit die Übersicht über sein eigenes Produkt, wenn eine präzise Dokumentation fehle. Küster: Zudem mutet der ständige Verweis des VDS auf die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten wie ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Juristen an. Zwar sei auch die Gütegemeinschaft Software keinesfalls in der Lage, neue Rechtspositionen zu schaffen oder bestehende Rechtssituationen zu verändern: sie könne aber die vorhandenen durch einen allgemein anerkannten Mindeststandard für SW-Qualität ausbauen und verbessern.

GGS-Vorstandsmitglied Bender wertet die Argumentation des VDS gar als "glattes Eigentor". Der Qualitätsanspruch im Sinne des Gütesiegels beziehe sich auf das Produkt und sei nicht abhängig von der Größe des Unternehmens. Bender: "Auch ein kleines Softwarehaus, das für sich den Anspruch erhebt, Standardsoftware zu produzieren, muß die gleichen Qualitätskriterien bei seinen Produkten erfüllen wie jeder andere SW-Hersteller - sonst soll er seinen Laden dichtmachen."

Verärgert reagierte die Gütegemeinschaft insbesondere auf den vom VDS erhobenen Vorwurf der fehlenden Branchenrepräsentanz. Der VDS war davon ausgegangen daß die Gütegemeinschaft mit ihren derzeit 88 Mitgliedern behaupte, rund 80 Prozent des Softwaremarktes zu repräsentieren. Den Vorwurf will jedoch die GGS nicht auf sich sitzen lassen: "Die Darstellung unserer Marktposition durch den VDS ist falsch", erklärte Bender, "wir vertreten lediglich 80 Prozent der Unternehmen, die Standardsoftware produzieren."

Obwohl der VDS mit seiner Stellungnahme eine Breitseite gegen die Gütegemeinschaft feuerte, scheinen die Fronten nicht hoffnungslos verhärtet: Das gemeinsame Anliegen beider Parteien - dies wird auch in dem VDS-Schreiben hervorgehoben - ist das Erreichen eines höheren Qualitätsniveaus bei Softwareprodukten. Werner Schmid, Vorstandsvorsitzender der GGS, hat entspechend reagiert: "Wir wollen mit den Leuten reden - eine Einladung an den VDS ist bereits unterwegs."