Schnittstellen zu anderen DV-Bereichen schaffen:

BDE wird zu einem der Schlüsselfaktoren bei CIM

05.06.1987

WO Produktion und Verwaltung enger zusammenwachsen, wird auch der Wunsch nach abteilungsübergreifendem Datentransfer laut. Lückenlos und schneller als bisher sollen betriebliche Informationen künftig erfaßt und ausgewertet werden. Dazu bedarf es einer Software für die Betriebsdatenerfassung (BDE), die über die nötigen Schnittstellen zu anderen DV-Bereichen verfügt. State of the Art und Entwicklungsperspektiven skizziert Jürgen Koch in seinem Beitrag.

Unter Betriebsdatenerfassung versteht man das Sammeln und Verarbeiten sowohl technischer als auch organisatorischer Daten eines Fertigungsprozesses. Sämtliche anfallenden

Informationen, die sogenannten Ist-Daten, werden unmittelbar am Entstehungsort registriert und entweder direkt oder über einen Datenkonzentrator an den zentralen Computer zur Auswertung übermittelt.

Die so gewonnenen Ergebnisse stehen danach unter anderem für die Kalkulation oder die Buchhaltung zur Verfügung. Ebenso bilden sie die Grundlage für zukünftige Fertigungsplanungs- und -steuerungsvorhaben. In den Unternehmensbereichen Kostenrechnung, Einkauf und Materialwirtschaft oder auch in der Arbeitsvorbereitung liegen so auf Abruf exakte Soll-Daten vor, ohne auf die ansonsten erforderlichen und teils ungenauen manuellen Berechnungen angewiesen zu sein.

Nicht nur personenbezogene Informationen

Es ist keineswegs so, daß bei der Betriebsdatenerfassung die personenbezogenen

Informationen im Vordergrund stehen. Es geht gleichermaßen um auftragsbezogene Daten wie Stückzahlen, Ausschuß oder Bearbeitungszeiten. Des weiteren werden Maschinendaten wie Lauf- und Stillstandszeiten, Fehler- und Statusmeldungen berücksichtigt. Ebenso wird das Material nach Gesichtspunkten wie Wareneingang Bestandsbewegungen und Verfügbarkeit erfaßt. Schließlich kommen noch qualitätsbezogene Daten wie Meß- und Prüfwerte, Fehlerkennzahlen und Prüfentscheidungen hinzu.

Erst durch das Zusammenwirken sämtlicher Ergebnisse aus den verschiedenen Erfassungsbereichen tritt der gewünschte Rationalisierungs- und Kostensenkungseffekt ein.

Die Resultate eines wirkungsvollen BDE-Einsatzes lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Häufig ausfallende und stillstehende Maschinen werden frühzeitig erkannt, Engpässe im Materialfluß können schneller beseitigt werden, der Aufbau von Zwischenlagern kann weitgehend entfallen, Warteschlangen an Arbeitsplätzen lassen sich vermeiden. Es stehen jederzeit aktuelle Daten über den Arbeitsfortschritt zur Verfügung wie auch Informationen über den Zustand von Maschinen und Betriebsmitteln und die Arbeitsleistung des Personals.

Die genaue Kenntnis der auftragsbezogenen Kosten ermöglicht zudem eine präzise Kalkulation, die den wachsenden Markterfordernissen gerecht wird. Voraussetzung dafür ist allerdings eine problemlose Weitergabe der BDE-Daten in andere DV-Bereiche des Unternehmens.

BDE-Systeme lassen sich entsprechend ihrer Funktionsweise in verschiede Gruppen einteilen. Zunächst einmal gibt es Geräte, die ausschließlich für die dezentrale Datenerfassung ausgelegt sind. Die Daten werden vor Ort gespeichert. Als Datenträger kommen sowohl Magnetband-Kassetten als auch Disketten in Frage. Ist die Erfassung abgeschlossen, müssen in diesem Fall die Informationen im Verarbeitungsrechner erneut eingelesen und weiterbehandelt werden. Neuere BDE-Hardware verfügt bereits über die Möglichkeit für eine direkte Datenübertragung zu einem Datensammler, die wiederum mit Speichern ausgestattet ist. Von dort lassen sich die Informationen dann an den vorgelagerten Rechner übergeben. Eine dritte Gruppe von Geräten ist Online mit der DV verbunden.

Im Unterschied zu den bisher genannten Systemen, bei denen die Eingabe von Hand vorgenommen wird, gibt es auch BDE-Stationen, die automatische Primärdatenerfassung an den Maschinen vornehmen. Wie bei den manuellen Systemen unterscheidet man auch bei der automatisierten Erfassung zwischen dezentraler Registrierung, der Datensammlung über Konzentratoren oder der Online-Verbindung.

Eine systematische Betriebsdatenerfassung ist bereits auf der Ebene von Personal Computern denkbar. Solche Anlagen können mit Hilfe von Ausweislesern die Anwesenheitszeiten registrieren. Daneben werden an den verschiedenen Terminals die Anfangs- und Endzeiten der Aufgabenabwicklung eingegeben, ebenso die produzierten Stückzahlen wie auch eventuelle Abweichungen von den Sollvorgaben. Die Programme sorgen durch übersichtliche Bedienerführung und Plausibilitätsprüfungen für eine weitgehend fehlerfreie Dateneingabe.

Trotz vielseitiger Möglichkeiten dürften die Leistungsgrenzen von Personal Computern zur Betriebsdatenerfassung und -bearbeitung gerade in mittleren und großen Unternehmen schnell erreicht sein. Oft sind die PC-Programme ohnehin nur für Einzel- und Kleinserienfertiger konzipiert. Ein weiterer Nachteil ist, daß Programmabläufe zum Erfassen der BDE-Daten unterbrochen werden müssen, wenn kein Datenbankkonzentrator als Puffer zwischengeschaltet ist.

Komplexe Programmpakete für die Produktionsplanung und -steuerung (PPS) oder die computerunterstützte Fertigung (CAM), in denen die Weiterverarbeitung von BDE-Daten vorgesehen ist, laufen ohnehin in den seltensten Fällen auf einem PC.

Ein Großteil der BDE-Software ist daher auf Minis und Mikros zugeschnitten. Die Programme verfügen über Schnittstellen, die das Einlesen von Informationen aus dem Fertigungsbereich zulassen. Das sind unter anderem Auftrags- und Artikelnummer, Lohnfaktor, Maschinen- und Personalnummer, Ist-Zeit und -Mengen. Zur Datenein- und -ausgabe werden sowohl normale Bildschirmterminals mit oder ohne Barcode-Leser (Lichtlesestift) als auch BDE-Geräte eingesetzt. Bei den Bildschirmterminals können auf dem Monitor noch auftrags- oder losbezogene Zusatzinformationen eingeblendet werden.

Je nach Anzahl und Aufgabe der zu installierenden Hardware bieten sich zwei Arten der Rechner-Terminal-Kopplung an. Zum einen die Punkt-zu-Punkt-Verbindung, bei der jeder Teilnehmer eine eigene physikalische Verbindung zum Leitrechner hat, oder die Mehrpunkt-Verbindung, bei der gleichzeitig mehrere Teilnehmer über eine gemeinsame Leitung mit dem Rechner verbunden sind.

Party-Line-Verfahren bei vielen Terminals günstiger

Mit zunehmender Anzahl der Terminals erweist sich aus Kostengründen (Verkabelung, Interfaces) die Mehrpunktverbindung, wie sie beispielsweise im sogenannten Party-Line-Verfahren hergestellt wird, als sinnvoller. Dabei handelt es sich um einen seriellen Bus, der vom Leitrechner zu den Terminals geführt wird. Als Ein-/Ausgabekanal wird die serielle V.24-Schnittstelle am Leitrechner benutzt.

Bei der Weiterverarbeitung der Daten am Leitrechner werden die verdichteten Werte in einer Datenbank abgelegt. Jede Information wird mit Datum und Uhrzeit versehen. Die Auswertung der Daten geschieht mit Hilfe spezieller Programme im Leitrechner. Danach können die Ergebnisse in den Informationskreislauf des Unternehmens eingespeist werden.

Zu einer wirkungsvollen BDE-Einführung gehört neben der richtigen Hard- und Softwareauswahl ebenso ein intensives Informations- und Ausbildungsprogramm. Dabei sollten alle Beteiligten bereits im Vorfeld einer umfassenden BDE-Einführung auf die sich verändernden Gegebenheiten hingewiesen werden. Je eher und offener dies erfolgt, desto effizienter wird die Arbeit im Anschluß daran sein.

Enge Kooperation aller Beteiligten

Das Programm sollte in enger Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Mitarbeitern aus den in Frage kommenden Abteilungen erarbeitet werden, um so am wirkungsvollsten auf spezifische Verfahrenweisen bei der BDE-Einführung eingehen zu können.

Die Wirtschaftlichkeit von Systemen ist nicht in allgemeingültiger Form quantifizierbar. Die Produktivitätssteigerung kann, abhängig unter anderem von der Akzeptanz und der Art der Aufgabenstellung, sehr stark schwanken. Andere Faktoren, die für den Nutzen des Systems ganz entscheidend sein können, lassen sich im vorhinein überhaupt nicht in Zahlen fassen, Dabei ist an erster Stelle die Qualitätsverbesserung des Datenmaterials zu nennen wie auch erhöhte Flexibilität durch die sofortige Abrufbarkeit der auftragsbezogenen Informationen. Des weiteren können hierdurch kürzere Durchlaufzeiten realisiert werden, wodurch sich möglicherweise neue Aufträge annehmen lassen.

Aus dieser Perspektive bekommt die Entscheidung über BDE mehr strategischen als betriebswirtschaftlichen Charakter. Das hat ganz einfach damit zu tun, daß neue Technologien so lange wirtschaftlich nicht exakt zu erfassen sind, wie sie nicht von ausgereift als Patentlösungen für genau umrissene Problemstellungen auf dem Tisch liegen. Der Einsatz von BDE hingegen wird momentan in vielen Fällen noch nicht vom Wettbewerbsdruck direkt erzwungen. Die tatsächlich bestehende Notwendigkeit wird vielfach erst im Rahmen weitgefaßter Analysen deutlich.

Mehrere Zielvorgaben als treibende Kräfte

Als treibende Kraft wirkt bei der BDE-Einführung meist eine Reihe von Zielvorgaben. Es geht darum, knapper kalkulieren zu können, Lagerbestände so gering wie möglich zu halten, gleichbleibende Qualitätsstandards der Produkte zu gewährleisten und auch darum, realistische Vorgaben für künftige Aufträge zur Verfügung zu haben. Die Automatisierung dieser Einzelaufgaben wird zwar die Produktivität eines Unternehmens bereits erhöhen, steht aber nicht unbedingt in Einklang mit dem übergeordneten Ziel einer Integration im Sinne computerintegrierter Fertigung - CIM.

Um die Integration optimal nutzen und die technischen Parameter sammeln zu können, müssen zunächst einmal sämtliche installierte Maschinen mit BDE-Terminals nachgerüstet werden. Was den anschließenden Datentransfer anbetrifft, so kann man zwei Richtungen unterscheiden, in denen sich die Kommunikation vollzieht. Zum einen die horizontale Integration, worunter ein flächendeckender BDE-Einsatz in allen angeschlossenen Unternehmensbereichen zu verstehen ist. Dies entspricht dem Wunsch der Technologen nach sofortiger Verfügbarkeit sämtlicher Informationen.

Auf der anderen Seite steht die vertikale Integration, die im Fertigungsbereich beginnt und im Marketing aufhört. Nach Beendigung der einzelnen Arbeitsabläufe beziehungsweise nach Fertigstellung der Produkte werden die dabei gewonnenen Daten in den kommerziellen Bereich übergeben. Hier haben nun Kaufleute und Techniker die Möglichkeit, mit Hilfe der gewonnenen Erfahrungen Rückschlüsse auf zukünftige Planungs- und Fertigungsvorhaben ziehen zu können. Denn: Eine Verkürzung der Durchlaufzeiten der Fertigungslose sowie ein effizienteres Bewerten von Organisation und Verwaltung ist durch die bloße manuelle. Kalkulation nicht mehr möglich.

Unterschiedliche Gerätetypen weiterhin das Hauptproblem

Die Kommunikation zwischen Rechnern und Produktionsanlagen theoretisch meist als recht einfach dargestellt - ist in der Praxis jedoch wesentlich komplizierter zu realisieren. Dies wird unter anderem dadurch hervorgerufen, daß zum Zeitpunkt der BDE-Einführung normalerweise sehr unterschiedliche Gerätetypen in den Unternehmen im Einsatz sind.

Erschwerend kommt noch hinzu, daß bei einigen Anlagen weder Schnittstellen zur Kopplung mit BDE-Systemen vorhanden sind noch nachträglich Interfaces installiert werden können. Standardisierungsbemühungen der Maschinenhersteller sollen zwar künftig dabei helfen, Integrationsprobleme beim Verbinden von Prozeßsystemen und Rechnern aus der Welt zu schaffen. Bis es aber soweit ist und sich alle Beteiligten auch daran halten, werden wohl noch einige Jahre vergehen.