FDP-Politiker unter Beschuß

Bangemanns Wechsel zur Telefónica löst Kritik aus

09.07.1999
BRÜSSEL (IDG) - Kritisch bewertet die Öffentlichkeit die Entscheidung Martin Bangemanns, von der Europäischen Kommission zu dem spanischen TK-Konzern Telefónica zu wechseln. Er könne dort Insiderwissen nutzen, so der Tenor der Vorwürfe.

Viele reagierten verblüfft, als Telefónica mitteilte, Bangemann werde demnächst als Vorstandsmitglied des iberischen Carriers arbeiten. Der Grund dafür liegt in dem nach Meinung von Branchenkennern beträchtlichen Insiderwissen über andere Firmen und politische Weichenstellungen, das dem scheidenden Mitglied der EU-Kommission in seiner neuen Stellung von Nutzen sein dürfte.

Die Kommission selbst reagierte überrascht, als sie von den Plänen des ehemaligen FDP-Chefs erfuhr, und wies ihn darauf hin, daß er nicht - wie ursprünglich geplant - bereits zum 1. Juli bei Telefónica anfangen könne. Statt dessen müsse er eine bestimmte Zeit verstreichen lassen, um einen Interessenkonflikt zu vermeiden. Bangemann erklärte vor dem Gremium, er habe in seiner Funktion nie Entscheidungen zugunsten von Telefónica getroffen und wolle in seiner neuen Position keinen Nutzen aus Informationen ziehen, die er während seiner Amtszeit erhalten habe. "Diskretion und Integrität" sollten sein Handeln bestimmen. Er wurde daraufhin beurlaubt, EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert übernahm seine Amtsgeschäfte.

Es ist allerdings mehr als fraglich, ob Bangemann seine Zusage wird erfüllen können. Kann der Politiker, der unter anderem bei der Liberalisierung des europäischen TK-Marktes mitgewirkt hat, seine intimen Kenntnisse der TK-Szene vergessen? Wohl kaum, und der Gedanke drängt sich auf, daß Telefónica ihn gerade deswegen haben will. Daher gerät der FDP-Politiker zunehmend unter Beschuß, nicht zuletzt durch seine eigenen Parteifreunde. So bezeichnete ein Mitglied des Bundesvorstands der Liberalen die Aktion des ehemaligen Parteichefs als eine "politische Flegelei".

Selbst Peter Hintze, Europa-Sprecher der CDU, ist nach Berichten der "Süddeutschen Zeitung" der Meinung, Bangemann solle seinen neuen Arbeitsvertrag aus Gründen des politischen Anstands auflösen. Härtere Worte fand Daniel Cohn-Bendit, Europa-Abgeordneter der Grünen: Er nannte Bangemann einen "faulen Sack", der verklagt werden sollte.