Baby-Boom

16.12.1983

Der Durchbruch des Heimcomputers hat sich, laut "SPIEGEL", in diesem Jahr vehement vollzogen. Und auch der Vormarsch der persönlichen Arbeitsplatzcomputer, der sogekürzelten "PPC", sprich: Professional Personal Computer, ist nach Branchenmeldungen nicht mehr zu stoppen. Das Examen sei schon bestanden: Die spürbar zunehmende Hinwendung des mittleren Managements, der Abteilungsleiter und Sachbearbeiter, zu den kompakten Tischgeräten schlage sich in wachsenden Verkaufszahlen nieder. DV-Chronisten haben in der Tat heuer keine Probleme bei der jahreswendlich bedingten Standortbestimmung: PC is king.

Wen darf es da wundern, daß angesichts des unaufhaltsamen "Baby"-Booms auch bei gestandenen Mainframe-Datenverarbeitern - Softwarekrise hin, Profilneurose her - alles andere in den Hintergrund rückt. Heute schon könnte es sich keine DV-Abteilung mehr leisten, die Mikros einfach zu Ignorieren. Von Zufall keine Spur: Eines der Geheimnisse des PC-Erfolges ist, daß sich die Anbieter auf keine Diskussionen mit den Spezialisten einließen, die Kraftzwerge vielmehr hinter dem Rücken des DV-Chefs direkt an die Fachbereichsfürsten verkauften.

So kam es zu dem Kuriosum, daß die DV-Fachleute zunächst verwünschten, was sie eigentlich begrüßen mußten. Der Grund für die anfängliche Abneigung ist einfach: DV-Laien sind bei weitem anfälliger für Versprechungen und Komplimente der Computerhersteller als Fachleute. Dies wurde von den Mikro-Produzenten auch weidlich ausgenutzt. Ergebnis: Eine Vielzahl von Geräten unterschiedlicher Herkunft in ein und demselben Unternehmen, inkompatibel dazu, die kleinen Biester, und nicht nach Belieben ausbaufähig.

Doch das Maß ist von. Die Attraktivität der Personal Computer bei den Endbenutzern hat nachgelassen - nicht zuletzt, weil viele mit den Dingern nichts anzufangen wissen und enttäuscht das Bedienerhandtuch schmeißen.

Erfolgversprechender erscheint da schon der Versuch, die Personal Computer als intelligente Datenendgeräte einzusetzen: der Mikro als Terminal. Womit alles beim alten bliebe. Diesem Experiment gelten momentan alle Anstrengungen. Die Hersteller haben erstaunlich rasch geschaltet, wollen das Eigentor (Werben um die Fachabteilung) vergessen machen. Mit dem Argument "EDV-Leiter, befreit Euch" läuft man indes Gefahr, erneut unglaubwürdig zu werden. Kenner des Distributed Data Processing (DDP) können nämlich sehr wohl zwischen einer intelligenten Workstation und einem Offline-MDT-System unterscheiden. Die macht man nicht so schnell mit Personal-Computing-ldeen besoffen.

Mehr noch: Wer hier allzu offensichtlich mit Superleistungen auf den Putz haut, die der PC bringen soll, findet sich sehr schnell auf dem Boden der Tatsachen und auf seinen vier Buchstaben wieder. In Wahrheit steckt hinter dem, was die Herstellerwerbung gerne unter dem Begriff "Personal Computing" subsumiert, ein Marketingtrick: Da wird so getan, als sei der Mikro der Auslöser, der Motor, nicht das Ergebnis einer DV-Evolution, die zu benutzernahen Formen der Datenverarbeitung geführt hat.

Der DV-Fachmann sieht die Personal Computer als kleine Boxen, auf die die Gesetze der Physik und der Ökonomie anzuwenden sind. Das heißt, zwei Faktoren bestimmen die Wirksamkeit einer Strategie, Mikropower dezentral einzusetzen: erstens, die Fähigkeit der PC-Systeme, mit Mainframes zu reden, zweitens, die Wirtschaftlichkeit solcher Verbundlösungen. Praktikable Kompromisse sind möglich. Die Anbieter können verhindern, daß es durch User-Frust zu einem (PC-)Pillenknick kommt.