Kein Stopp der Qualifizierungsoffensive der Bundesanstalt für Arbeit (BA), aber:

BA will bei Weiterbildung Ballast abwerfen

31.07.1987

MÜNCHEN - Die Kurse sollen besser, die Auftragsmaßnahmen reduziert werden: Unter diesem Motto schlägt die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg jetzt eine härtere Gangart ein. Die Schulungsmanager applaudieren - wenn auch skeptisch. Sie erhoffen sich die fällige Marktbescheinigung. Gleichzeitig jedoch fürchten sie, daß die Ansätze zu einer modernen Bildungsplanung auf der Strecke bleiben.

Gerade bei ihrem Paradepferd "Qualifizierungsoffensive" zieht die Bundesanstalt für Arbeit (BA) jetzt die Zügel straff. Skeptische Beobachter meinen, daß damit für berufliche Weiterbildung die Signale künftig auf Rot stehen. Bisher war sie laut BA-Geschäftsbericht 1986 zentrales Thema und konnte "einem Fachkräftemangel vorbeugen", wie etwa in der personalintensiven DV-Branche. "Konsolidierung" hat sich die Nürnberger Selbstverwaltung aufs Panier geschrieben. Eine Steigerung der Maßnahmen zur individuellen beruflichen Fortbildung und Umschulung (FuU) will sie vermeiden. Sonst klafft durch den entstehenden Mehraufwand im Nürnberger Gesamthaushalt 1988 mit etwa 5,6 Milliarden Mark ein Loch von nahezu einer Milliarde Mark (siehe auch Interview mit Heinrich Franke, dem Präsidenten der Bundesanstalt, auf Seite 2 7).

Direktiven aus Nürnberg sehen vor, daß nur noch jene Maßnahmen zu starten seien, für die auch eine wirtschaftliche Teilnehmerzahl erwartet werde. Vor allem aber müßten nach dem Abschluß tatsächlich Jobs für die Teilnehmer vorhanden sein.

"Qualitativ abgeprüfte, eingefahrene Kurse werden nicht angetastet", ist sich Rüdiger Herper, Geschäftsführer des InBIT in Paderborn, sicher. Die BA operiere lediglich bei neuen Verträgen vorsichtiger, meint der Geschäftsführer des Instituts, das zu etwa 95 Prozent von Auftragsmaßnahmen lebt. Er sieht nicht schwarz, obwohl bisher ausschließlich diese Art Kurse auf der Abschußliste stehen. Herper glaubt, wie andere Schulungsmanager auch, der vermehrten Leistungskontrolle aus Nürnberg zum Stichwort Marktbedarf mit seinem Angebot standhalten zu können.

"Wenn die Anzeichen nicht trügen, sind wir positiv berührt": Auch Paul Maisberger, der Sprecher der Control Data Institut GmbH (CDI) in München, betrachtet die künftige Nürnberger Auslese von marktorientierter Ausbildung gelassen.

Kritik an wirkungsloser Umschulung

In den Reigen optimistischer Bildungsverantwortlicher gehört ebenso Karl Bolle. Mit Vermittlungserfolgen will er glatt an den Nürnberger Klippen vorbeisegeln. Der Geschäftsführer des Wiesbadener Computer Bildungs Instituts CBI kritisiert schon seit geraumer Zeit die teilweise wirkungslose Umschulung mit Kosten in Millionenhöhe, wie sie nach Ansicht auch anderer Institutsmanager bisher kräftig betrieben werde, schlicht als "Schweinerei".

Gegenwärtig herrsche, beschreibt InBIT-Chef Herper, eine Inflation neuer Bildungsangebote. Diese Crash-Kurse seien nicht geeignet, Vermittlungschancen von Arbeitslosen auf dem Personalmarkt zu erhöhen.

Bislang wetteiferten Arbeitsämter untereinander bei Auftragsmaßnahmen. Dabei legten Arbeitsamtsberater und professioneller Schulungsmanager mitunter den Teamgedanken recht eng aus. Ein Insider gebraucht dafür die knappe Formel: "Du profilierst, ich profitier." Schließlich habe sich dank der Auftragsmaßnahmen recht passabel auch auf der amtsinternen Karrierewelle schwimmen lassen.

Doch die BA-Retourkutsche rollt an. Verfügbare personelle Kapazitäten seien nun statt dessen gezielt bei der vermittelnden Betreuung einzusetzen. "Das Verfahren kehrt sich um", kommentiert Gerd Wagner, Vorstand des Bayerischen Bildungsvereins (BBV) in München. "Wurde bisher ohne Jobgarantie weitergebildet, wird nun erst nach einer Arbeitsstelle gefahndet."

Die härtere Gangart der Nürnberger befürworten die Schulungsverantwortlichen zwar - weil sie eine Marktbereinigung im Bildungsdikkicht erhoffen -, gleichzeitig hegen sie jedoch auch Befürchtungen. Eine Qualifizierungs-Bremse werde, so InBIT-Chef Herper, nicht nur die Arbeitslosenzahlen in den Nürnberger Statistiken hochschnellen lassen. Mittelfristig wäre auch die Chance vertane wenn auch risikoreiche, so doch zukunftsträchtige Bildungsplanung zu betreiben. Dies gelte besonders für Technikinnovationen wie Künstliche Intelligenz, Computer Integrated Manufacturing (CIM) oder Computer Integrated Office (COI). Er erwartet deshalb von der BA neben materiellen auch inhaltliche Imperative. Bisher lasse Nürnberg diese aber vermissen.

Die Praxis in den Dienststellen vor Ort scheint künftig eher von der Flüsterparole "Weitermachen wie bisher" bestimmt zu sein. Von der Leitung einer Landesarbeitsvermittlung ist dazu zu hören: "Mit richtigem Augenmaß." Damit hinken die Arbeitsämter der Auffassung ihres Dienstherren Heinrich Franke allerdings hinterher. Für ihn wird dank der Konsolidierung sogar "noch schneller und noch besser vermittelt".

Skeptiker Gerd Wagner macht sich indes über die Zeichen aus Nürnberg seinen eigenen Reim. So kommentiert der BBV-Chef seine applaudierenden Kollegen aus der Branche: "Die Leute sind so blauäugig."