Kritisches Umsatzvolumen liegt bei acht Millionen Mark im Jahr

B-to-B-Märkte: Drei Vierteln droht das Aus

04.08.2000
MÜNCHEN (qua) - Im Durchschnitt öffnen hierzulande pro Woche zwei Online-Marktplätze ihre Tore; derzeit sind es etwa 140. Das Berliner Marktforschungsunternehmen Berlecon Research hat sie in einer Datenbank gesammelt. Dabei stellte es fest, dass derzeit nur 25 Prozent der Online-Börsen genügend Umsatz machen, um ihr Überleben zu sichern.

Schon zum zweiten Mal hat Berlecon seine umfangreichen Informationen in Form einer Studie ausgewertet. Verzeichnete der erste, im Herbst 1999 veröffentlichte Bericht weltweit 332 und in Deutschland 34 Business-toBusiness-Marktplätze, so betrug deren Anzahl am Stichtag des zweiten, dem 1. Juli 2000, insgesamt 1100 Online-Börsen, von denen 133 hierzulande beheimatet sind.

Im Jahr 2004 wird sich der Gesamtwert der via Internet-Markt gehandelten Waren in Deutschland auf 115 bis 231 Milliarden Mark belaufen, prognostizieren die Berliner. Rein rechnerisch hätten damit 360 bis 720 deutsche B-to-B-Marktplätze eine Überlebenschance. Wie Berlecon-Geschäftsführer Thorsten Wichmann erläutert, muss eine elektronische Beschaffungsbörse pro Jahr mindestens ein Transaktionsvolumen von 320 Millionen Mark bewegen, damit sie von den Gebühren (im Regelfall 2,5 Prozent des Warenwerts) ihre durchschnittlich 20 Mitarbeiter bezahlen und darüber hinaus ein anständiges Marketing betreiben kann.

Demnach hängt ein Damokles-schwert über drei von vier existierenden deutschen Internet-Marktplätzen. Laut Berlecon-Studie erreichen derzeit nur 25 Prozent der untersuchten Online-Börsen den kritischen Wert von knapp 30 Millionen Mark Transaktionsvolumen pro Monat. Die restlichen 75 Prozent liegen deutlich darunter.

Allerdings lässt sich darüber streiten, ob die Studie als repräsentativ gelten darf. Einer genaueren Untersuchung konnte Berlecon bislang nur 38 deutsche Marktplätze unterziehen; die anderen waren für eine solche Auswertung einfach noch zu jung.

Dennoch zeichnen sich zwei Trends unmissverständlich ab: Zum einen haben die "First Mover" fast alle Branchen besetzt, so dass neue Betreiber überall auf Wettbewerber stoßen. "Die niedrig hängenden Früchte sind bereits abgeerntet", konstatiert Wichmann. Chancen für Neueinsteiger gebe es allenfalls noch in stark fragmentierten Märkten - beispielsweise im Sektor Maschinenbau und Metallerzeugnisse, bei landwirtschaftlichen Produkten und Nahrungsmitteln - oder aber in branchenspezifischen Nischenbereichen.

Zum anderen müssen die Betreiber elektronischer Marktplätze, um konkurrenzfähig zu bleiben, ihr Serviceangebot ausweiten, rät Wichmann. Heute schon biete jede zweite deutsche Handelsplattform über die Transaktionsabwicklung hinausreichende Dienste für die Lieferabwicklung an. Innerhalb der nächsten sechs Monate würden wohl insgesamt 90 Prozent der Marktbetreiber Logistikservices offerieren.