Automatische Textverarbeitung per EDV

11.04.1975

Mit Herbert Merkel, EDV-Leiter der ADIG Investment GmbH, München, sprach Dr. Gerhard Maurer

- Die Firma ADIG produziert täglich etwa 800 und gelegentlich bis zu 2000 Briefe per Computer. Meinen Sie, die Adressaten würden nicht merken, daß die EDV-Anlage die Briefe schreibt?

Wenn wir das nicht annehmen würden, hätten wir uns nicht für diese Art der Herstellung von Computerbriefen entschlossen. Selbstverständlich setzen wir bei dem Druck der Briefe die Druckkette mit großen und kleinen Buchstaben ein. Darüber verwenden wir Plastik-Farbtücher. Beides zusammen erzeugt ein klares, wischfreies Druckbild, wie man es aus der Geschäftspost gewöhnt ist.

- Bringen die Plastikfarbtücher wirklich diesen Durchbruch zur Qualität der Schreibmaschine?

Grundsätzlich kann ich diese Frage bejahen. Wir verwenden diese Plastik-Farbtücher seit gut einem Jahr und haben hiermit sehr gute Erfahrungen gemacht. Besonderes Augenmerk ist jedoch darauf zu richten, daß die Justage des Druckers jederzeit in Ordnung ist. Das Farbtuch selbst muß häufiger ausgetauscht werden. Die Mehrkosten gegenüber normalen Farbtüchern belaufen sich auf etwa 40 Prozent. Außerdem werden unsere Briefe ja auch noch per Hand unterzeichnet.

- Welche Maschinenlaufzeiten brauchen Sie für das tägliche Schreiben der Computerbriefe?

Wir benötigen einschließlich der Rüstzeit knapp eine Stunde Laufzeit. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um CPU-Zeit, sondern um Belegungszeit für den Schnelldrucker.

- Und wie sieht es mit der reinen CPU-Zeit aus?

Wir schätzen, daß die reine CPU-Zeit sich auf 10 bis 15 Minuten beläuft, während die Partition-Zeit bei 40 Minuten liegen dürfte. Der Rest ist Rüstzeit.

- Sie nennen Ihre Computerbriefe individuelle Briefe. Unterscheiden die sich wirklich nicht vom Brief des Sachbearbeiters?

In Abhängigkeit von dem jeweiligen Geschäftsvorgang mit dem Kunden wird ein mit variablen Daten versehener Computerbrief erstellt. Diese Daten können sein: Name und Adresse, Kundennummer, Warenname, Termine, Beträge und Preise. Die gleichen Daten oder ähnliche wird der Sachbearbeiter beim Schreiben eines Briefes am Arbeitsplatz einfügen.

- Das hieße, daß beim Bearbeiter von Geschäftsvorgängen diese Computerbriefe gewissermaßen als Nebenprodukt anfallen?

Genau nehmen wir als Beispiel den Änderungsdienst für Kundenbestände. Bei den einzelnen Programmläufen für diesen Komplex werden Daten auf einem Magnetband abgespeichert. Es handelt sich hierbei um fixe Absatznummern oder Briefstelle und um die schon vorher genannten variablen Daten. Zu einem bestimmten Zeitpunkt werden die Magnetbänder der verschiedenen Programmläufe zusammengemischt sortiert und mit den Absatz-Texten zusammengebracht. Disese Textbausteine sind bei uns auf Magnetplatten gespeichert.

- Wieviel solcher plattenresidenter Textbausteine haben Sie?

Wir verwalten zur Zeit etwa 1000 Textbausteine, die über sogenannte Indices zu Briefen zusammengestellt werden können. Im Normalfall werden diese Briefnummern in den verschiedenen oben beschriebenen Programmläufen für die stellt. In den anderen Fällen Briefschreibung zur Verfügung können aber durch die Auslöse-Programme auch Absatznummern zu Briefen zusemmengestellt werden.

- Wie und wann und vor allem warum begann das alles?

Bis zum Jahre 1968 wurden auf Schreibmaschinen für die einzelnen Vorgänge individuelle Briefe erstellt. Mitte 1968 führten wir dann Formbriefe ein, in die nur noch die Adresse und die variablen Daten eingefügt werden mußten. Aus der Besonderheit unseres Geschäftes heraus erwartet der Kunde als Bestätigung verschiedener Transaktionen, die die Verwaltung seines Geldes angehen, mehr als nur eine Formdrucksache. Aus diesem Grunde und wegen der Erweiterung des Geschäftsvolumens waren wir gezwungen, ab 1971 nach einem besseren System Ausschau zu halten.

- IBM bot zu der Zeit ja ein fertiges Software-Paket mit Namen "AKO" an. Von dieser "automatisierten Korrespondenz" hat man allerdings in jüngster Zeit nichts mehr gehört.

Für dieses Software-Paket haben wir uns seinerzeit entschieden. Wir mußten vorschiedene Änderungen durchführen, - zum Beispiel das Kartensystem auf Platte umstellen und verschiedene Schnittstellen zu unseren Programmen einfügen.

- Warum ist das AKO-Programm dann in der Versenkung verschwunden?

Von einer weiteren Entwicklung des Systems AKO-haben wir trotz Fragen an IBM nichts erfahren. Wegen der guten Einsatzmöglichkeit wäre es zu wünschen, daß dieses System von Zeit zu Zeit an die gegebenen soft- und hardware-technischen Entwicklungen angepaßt würde.

- Welchen Aufwand erfordert ein solches System, wenn man heute ganz neu anfangen müßte?

Es handelt sich dabei um vier Programme, die bei eigener Organisation und Programmierung gut sechs Mann-Monate erfordern würden.

- Auch Sie haben neue Programmier-Pläne. Wie wollen Sie Ihr System erweitern? Sind noch Verbesserungen möglich?

Eine Überarbeitung des gesamten Bereiches "automatische Korrespondenz ist vorgesehen. Derzeit werden nur Teilbereiche vollautomatisch abgewickelt. Wir werden das zur Zeit noch mit herkömmlichen Schreibautomaten parallel laufende Schreibsystem integrieren.

- Sie wollen also alle Textbausteine, die es heute in der Schreibabteilung des Hauses gibt, auf die EDV, auf die Magnetplatte übertragen?

Wir wollen nicht nur diesen Übertrag durchführen, sondern darüber hinaus noch eine sogenannte Korrespondenz-Datei aufbauen, die alle Informationen über den Schriftwechsel mit einem Kunden in chronologischer Folge speichert.

- Dann aber würde aus der hübschen kleinen Anwendung wirklich eine Riesenkiste?

Ja, wir müssen uns überlegen, ab das vorhandene Schreibsystem als Basis verwendet werden kann, oder ob ein neues, Programmpaket entwickelt werden muß?

- Haben Sie sich auch auf dem Standard-Software-Markt umgeschaut?

Wir haben uns umgesehen, haben jedoch kein brauchbares System entdeckt. Aus diesem Grund nehme ich die Gelegenheit dieses Interviews wahr, um darauf hinzuweisen, daß unsererseits Interesse daran bestünde, mit anderen Kollegen zusammen eine solche Lösung gemeinsam zu realisieren.

Herbert Merkel (46)

ist gelernter Bankkaufmann, wechselte aber 1964 zur Computerei und avancierte über die übliche Laufbahn zum EDV-Chef. Seit 3 Jahren, heute als Prokurist, leitet er die 28 Mitarbeiter starke EDV-Mannschaft der ADIG Investment GmbH, München. Dieser älteste deutsche Investment Fond, Tochter verschiedener Großbanken, vertreibt acht Anlagen-Fonds, - etwa Fondak, Adirenta, Adiverba.

Installiert ist seit Juni 1973 eine IBM 370/135, 240 K, DOS/VS mit BASF-Bändern. Weitere Mixed Hardware ist geplant, im Herbst werden BASF-Platten und SEL-Bildschirme IBM-Einheiten ablösen.

Trotzdem bezeichnet Merkel sein Verhältnis zum Hersteller als vorzüglich, was sich auch in der frühzeitigen, erfolgreichen Installation von CICS/VS dokumentiert. Pionier war die ADIG Investment GmbH auch in der Computerisierung der Textverarbeitung.