Das Auto - ein Produkt aus Psychologie und Emotion

Autoindustrie bietet interessante Jobchancen

08.10.2002
In der deutschen Kfz-Branche herrscht verhaltener Optimismus. Als bewegliches Hightech-Wohnzimmer sorgt das Auto für gute Absatzzahlen. Das erhöht die Jobchancen für Young Professionals, die etwas von Fahrzeugelektronik verstehen. Von Helga Ballauf

Vor sieben Jahren prognostizierte das Institut der deutschen Wirtschaft: "In der Informationstechnik wird es um die Jahrtausendwende zehnmal so viele Beschäftigte geben wie in der Automobilindustrie." Eine falsche Voraussage, wie sich inzwischen gezeigt hat: Nach Angaben der jeweiligen Branchenverbände haben IT- und Autowirtschaft in Deutschland im Jahr 2002 mit jeweils rund 800 000 Mitarbeitern gleichgezogen.

Dabei wuchs in den vergangenen Jahren der Anteil der Beschäftigten in den IT-Abteilungen der Kraftfahrzeugindustrie kontinuierlich: Rund ein Drittel der weltweiten Patentanmeldungen rund ums Auto stammt aus Deutschland, "ein Beleg für die hohen Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen der Branche", so der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Bernd Gottschalk.

Die fortwährende Suche nach technologischen Neuerungen im Automobilbau kurbelt gleichzeitig die Innovationsmaschine in anderen Sparten wie Elektronik, Elektrotechnik und Telekommunikation an. Dies ergab eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands. Die Beschäftigungsperspektive für hochqualifizierten Ingenieurnachwuchs im Automobilsektor sieht nicht schlecht aus, trotz der Einbrüche bei einzelnen Pkw-Herstellern und der anhaltenden Absatzschwierigkeiten im Nutzfahrzeugbau.

Zulieferer nicht vergessen

Im VDA haben sich mehr als 500 Autokonzerne und Zulieferer zusammengeschlossen (www.vda.de). Präsident Gottschalk gesteht den Zulieferern zu, "einen überdurchschnittlichen Beitrag zur Technologie, zum Wachstum und zur Beschäftigung" der Branche zu leisten. Auch VDA-Sprecher Karsten Eichner bestätigt: "Die Chancen für qualifizierte Berufseinsteiger mit IT-Know-how sind derzeit bei den Zulieferern größer als bei den Autoproduzenten selbst."

Das liegt hauptsächlich daran, dass die Neuerungen rund ums Auto immer seltener in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von VW, Daimler-Chrysler oder Opel entstehen. Laut VDA tragen die Zulieferer heute bereits ein Drittel der Entwicklungskosten für das Automobil, im Jahr 2010 soll es sogar die Hälfte sein. Dabei haben heute andere innovative Ideen Priorität als noch vor etwa drei Jahren. Damals galt die Devise: Die Konzerne wandeln sich vom reinen Autoproduzenten zum Mobilitätsdienstleister. Mittlerweile steht das Auto als Ereignis im Mittelpunkt.

"Der Trend zum Nischenfahrzeug ist ungebrochen und wird mit attraktiven Angeboten voll bedient", beschreibt Gottschalk die Lage. "Cabriolets, Geländewagen und Vans haben bald einen Marktanteil von 15 Prozent erreicht. Dabei legt der Kunde immer größeren Wert auf eine reichhaltige Ausstattung. Auf der Wunschliste stehen vor allem Klimaanlagen und Navigationsgeräte." Der VDA-Präsident folgert: "Autokauf ist heute mehr denn je ein Produkt aus Psychologie und Emotion."

Ein Blick auf die Internet-Präsentationen wichtiger deutscher Hersteller bestätigt dies. BMW und VW laden die Kunden samt Familien in "Erlebnis- und Auslieferungszentren" ein. Das neue Opel-Cabriolet wird mit der Web-Adresse www.wegohneverdeck.de beworben. Daimler-Chrysler preist die Luxusmarke Maybach 62 als "neue, faszinierende Highend-Limousine" und den Jeep Cherokee als "einzigartige Kombination von Robustheit, Leistungsfähigkeit und besonders kultivierten Straßen-Eigenschaften" an. Volkswagen will bei einer Leserumfrage im Netz wissen: "Wie wichtig ist der passende Wagen zum Job?"

Entwicklungsingenieure gefragt

Das Wohlfühl-Auto mit all seinen Accessoires will erst einmal erdacht und entworfen sein: In den Jobofferten der Konzerne und Zulieferer ist die Nachfrage nach Entwicklungsingenieuren groß - vom Bordnetz- und Infotainment-Entwickler bis zum Modellentwickler für Fehlersimulation oder dem Softwareentwickler für Business-Intelligence-Lösungen.

Langsamer und zäher als angenommen laufen allerdings die lückenlose Verknüpfung der kompletten Wertschöpfungskette im Autobau sowie der Einstieg ins E-Business. Die Trendanalyse "Automobiler eWahn" des Beratungsunternehmens Cell Consulting ergab Anfang dieses Jahres Folgendes: Der Schwerpunkt der derzeitigen E-Business-Aktivitäten von Zulieferern und Autoherstellern liegt auf der Beschaffungsseite. Unter den automobilrelevanten E-Marktplätzen konnte sich keiner bislang durchsetzen, weil keine Handelsplattform allen Anforderungen gerecht wird und die Firmen nach wie vor Sicherheitsbedenken haben.

Dazu passt, dass Covisint, der bekannteste Auto-Marktplatz, den Daimler-Chrysler, General Motors, Ford, Nissan und Peugeot/Renault betreiben, in diesem Jahr vor allem mit Spar- und Restrukturierungsmeldungen auf sich aufmerksam machte. Dennoch sagen Branchenexperten voraus, dass sich künftig niemand im Autogeschäft der elektronischen langen Leine wird entziehen können - von der Teile-Projektierung beim zuliefernden Ingenieurbüro bis zur Rechnungsstellung an den Endkunden im Großkonzern. Ein weites Feld für qualifizierte Fachleute.

Die Unternehmen der Autoindustrie tun sich mittlerweile wieder leichter, fähige Computerspezialisten, technische Informatiker und Elektrotechniker zu finden. "Viele Hochschulabsolventen haben gemerkt, dass ein großes und internationales Unternehmen mehr Sicherheit bieten kann als ein Unternehmen der New Economy", fasst Bosch-Pressesprecherin Claudia Arnold die Erfahrungen in den Personalbüros von Zulieferern und Autoherstellern zusammen. Bei der Robert Bosch GmbH und beim Ingenieurdienstleister Bertrandt AG stehen jene Berufsgruppen hoch im Kurs, die etwas von Automobilelektronik verstehen. Bertrand bietet außerdem solchen Young Professionals gute Einstiegschancen, die Kenntnisse in Datenbankentwicklung, virtueller Produktentwicklung und Systemadministration mitbringen.

Unbekannte Probleme lösen

Fundiertes Spezialistenwissen steht ganz oben auf der Anforderungsliste der Autobauer. Wer sich für das Projekt-Management interessiert, muss über betriebswirtschaftliches Know-how verfügen. Bosch-Sprecherin Arnold bringt eine zentrale Herausforderung auf den Punkt: "Ingenieure und andere Hochschulabsolventen müssen unbekannte Probleme lösen und nicht nur bekannte Routinen praktizieren können."

Interkulturelle Kompetenz, Prozessdenken, Projekt-Management - das sind Qualifikationsanforderungen, die IT-Spezialisten bei Daimler-Chrysler erfüllen müssen. Der Konzern sucht Generalisten und Spezialisten - das erhöht die Beschäftigungschancen für Quereinsteiger, wie Pressesprecherin Silke Walters berichtet. Der Autobauer kooperiert mit diversen Hochschulen sowie der Berufsakademie Stuttgart, Studiengang Wirtschaftsinformatik.

Bei Volkswagen in Wolfsburg steigt die Nachfrage nach qualifizierten Berufseinsteigern aus dem IT-Bereich laufend, erzählt Sabine Schönberg, Leiterin der Talentsuche und -bindung bei VW. Informatiker, Wirtschaftsinformatiker, Elektroniker und Elektrotechniker mit Schwerpunkt Softwarearchitektur sind besonders gefragt. VW gehört zu den Konzernen, die mit einem Spezialprogramm gute Praktikanten an sich binden und sich an virtuellen Jobmessen beteiligen. Nach Schönbergs Erfahrung haben Autobauer einen großen Vorteil bei der IT-Fachkräftesuche: "Wir stellen ein Produkt her, das positiv besetzt ist und in dem jeder seinen Arbeitsanteil wiederfindet - vom Netzwerkanalytiker bis zum Softwareentwickler."

Tipps zur Stellensuche

- Erste Adresse sind die jeweiligen Homepages der Hersteller und Zulieferer.

- Der VDA-Stellenkompass (www.vda.de) bietet Hyperlinks zu den Firmen, die gerade Studenten und Hochschulabsolventen suchen.

- An diese Zielgruppe aus Natur-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften wendet sich auch die bonding-Jobbörse (www.bonding. de), die mit großen Autofirmen kooperiert.

- Einige Autohersteller präsentieren sich auf virtuellen Jobmessen, wie etwa www.jobfair24.com.